Die drei Baustellen der Debeka
Heute präsentieren die Koblenzer ihre Geschäftszahlen 2020. Wie in den vergangenen Jahren werden trotz Corona steigende Kunden- und Geschäftszahlen erwartet. Dennoch hat der größte private Krankenversicherer drei Probleme, die seinen künftigen Erfolg bestimmen werden. Entscheidend werden die Entwicklung in der privaten Krankenversicherung, die Umstellung in der Lebensversicherung und die Wandlung des Geschäftsmodells hin zum Digitalen.
Die private Krankenversicherung sieht sich als Innovator im zweisäuligen System – nicht ohne Gegenstimmen. Die Anbieter sind stolz darauf, dass neue Behandlungsmethoden und Medikamente schneller ihren Weg in den Leistungskatalog finden als bei der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit dem großen Bruder teilen Sie aber das Problem, dass die Gesundheitsdienstleistungen immer teurer werden. Eine gesetzliche Vorgabe zwingt die privaten Versicherer zur Anpassung, wenn ein kalkulatorischer Wert überschritten ist. Niemand musste nach einer Untersuchung in diesem Jahr stärker anpassen als die Debeka.
Die Versicherer beschweren sich regelmäßig über diesen Umstand. “Bekanntlich liegt ein Konzept der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) vor, das unter anderem die Berücksichtigung des Zinses und eine Überarbeitung der auslösenden Faktoren vorsieht”, sagt Debeka-Vorstand Roland Weber in der Februar-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.
„Derzeit gibt es aber nach unserem Kenntnisstand keine konkreten Pläne, dieses Konzept noch in dieser Legislaturperiode in Form einer Gesetzesänderung umzusetzen.“ Die Versicherer würden lieber regelmäßig begradigen, anstatt auf einen Schlag. Die Kritiker lehnen das ab, weil es die Versicherten finanziell benachteiligen könnte. Die betroffenen Kunden bezweifeln gar, dass die Steigerungen begründet sind.
Aber selbst wenn die PKV’en regelmäßiger anpassen könnten, würde das Grundproblem dadurch nicht gelöst werden. Im Gegensatz zu der gesetzlichen Versicherung können die Privaten keine Leistungen kürzen, steigen die Kosten, folgen die Beiträge. Das hat zur Folge, dass viele Kunden in abgespeckte oder gar Nottarife wechseln müssen, was keine Dauerlösung sein kann. Dieses Szenario sorgt für unzufriedene Kunden sowie schlechte Presse und mündet im Auftrieb für das Schreckgespenst Bürgerversicherung. Die Branche, vorneweg ihr Anführer Debeka, muss sich etwas einfallen lassen, um das Problem der steigenden Gesundheitskosten aufzulösen. Der Verweis auf die hohen finanziellen Rücklagen ist nicht ausreichend. Viel Arbeit für die neue Vorständin Annabritta Biederbick und ihr Kollegium rund um den Vorsitzenden Thomas Brahm.
Weiterhin sollten die Versicherer dringen an ihrer Kommunikation feilen. Der BGH hat kürzlich die bisherige Praxis der Mitteilungen zu Beitragserhöhungen getadelt, es kam zu hohen Rückzahlungen. Bei der Debeka ist bisher kein Fall öffentlich geworden; VWheute wird nachfragen und berichten. Gelöst ist das Informationsproblem für die Branche nicht, der Anwalt Knut Pilz, der das genannte BGH-Urteil erstritt, führt aktuell „2.000 Verfahren“.
Zu gut zu den Mitgliedern?
Die Lebensversicherungsbranche hat Probleme, in unterschiedlichem Ausmaß. Die Debeka gehört laut einigen Marktbeobachtern zu den Problemfällen. Der Bund der Versicherten hat den Koblenzern in einer, umstrittenen, Studie „geringe Zahlungsfähigkeit“ bescheinigt. Den Koblenzern und weiteren Unternehmen wie Ergo und HDI wurde vorgeworfen, dass der Geschäftsbetrieb „nur mit Übergangsmaßnahmen weiter erfolgen kann“. Der LV-Experte Hermann Weinmann hat ebenfalls mehrmals Kritik an der Debeka geäußert. In einem aktuellen LV-Test hat er der Allianz das höchste Gütesiegel zugesprochen, die Debeka erhielt lediglich ein “ausreichend”. In einer früheren Untersuchung erklärte Weinmann, die Koblenzer seien „betriebswirtschaftlich schwach“. Trotz der Kritik war das Jahresergebnis an der Mosel im letzten Jahr stark, auch in der Lebensversicherung.
Das Problem der Debeka, und einiger weiterer Unternehmen, sind die vielen langfristigen Verträge im Bestand. Diese sorgen unter Solvency II für einen hohen Rücklagebedarf in der sogenannten Zinszusatzreserve. Die Koblenzer haben lange am klassischen LV-Modell festgehalten und dauerhafter als andere Unternehmen hohe Zinsen garantiert. Der Vorstandsvorsitzende Brahm erklärte im Jahr 2019, dass eine „überhöhte Solvenzquote nicht das Ziel sein kann.“Als VVaG sei es die Pflicht, dass eingenommene Geld an die Mitglieder zurückzugeben, anstatt mit hohen Solvency II-Quoten zu glänzen. Das ist richtig und löblich, doch Frank Grund und die Bafin haben in ihrer Berechnungsformel keinen „Ehrbarkeitsfaktor“ integriert. Die Zahlen der Lebensversicherer müssen heute und morgen stimmen, sonst drohen Probleme. „Ohne Übergangsmaßnahmen wird es für den einen oder anderen Lebensversicherer schwierig“, erklärt der Bafin-Exekutivdirektor Grund kürzlich, ohne Namen zu nennen. Wer den Bafin-Mann kennt, weiß, solche Sätze spricht er nicht ohne Grund.
Die angedachten Solvency-Änderungen werden das Geschäft der Lebensversicherer weiter erschweren. Der Kapitalbedarf steigt, insbesondere für Häuser mit langfristigen Garantien, womit sich der Kreis zur Debeka schließt. Die Koblenzer wehren sich gegen LV-Kritik mit Verweis auf die eigenen Reserven, doch der Sinn von Vorräten ist die Überbrückung eines Engpasses, es ist kein Geschäftsmodell. Die Koblenzer haben längst umgesteuert und sich weitgehend aus dem garantiebasierten und damit teuren LV-Geschäft zurückgezogen, doch die löbliche Freimütigkeit der Vergangenheit kostet auch künftig richtig Geld. Die Debeka wird wohl durchhalten müssen, bis die alten Verträge ausgesessen sind und mit neuen Vertragsformen weiter Kunden gewinnen.
Die Einsen und Nullen
Den Koblenzern hängt ein wenig ein altbackener Ruf nach. Dabei ist der Vorstand Innovationen gegenüber aufgeschlossen; egal ob das Gesundheitsportal „Meine Gesundheit„, das Investment in Ottonova oder branchenfremde Kooperationen wie mit dem Pharmaunternehmen Biogen, die Debeka kann leichtfüßig sein. Das Unternehmen war und ist mit ihrem angestellten Außendienst erfolgreich, doch wie alle anderen Versicherer muss sie sich auf die langsam aber stetig wechselnden Kundenbedürfnisse einstellen. Mit dem Protegé Ottonova ist bereits ein volldigitaler KV-Anbieter mit großen Plänen am Markt.
Dass in der Lebensversicherung jeder Cent gespart werden sollte, müsste spätestens nach dem Lesen dieses Textes deutlich geworden sein. Die Debeka zahlt traditionell eher geringe Abschlussprämien, ein Kostenvorteil. Dennoch wird das Unternehmen um eine Neuausrichtung im Bereich der Altersvorsorge nicht herumkommen. Der Wandel ist bereits im Gange und wird angenommen, beispielsweise wurde ein eigener Vermögensverwalter aufgestellt und das Angebot neu strukturiert.
Die Debeka muss, wie alle anderen Versicherer, den Spagat zwischen lukrativem Altgeschäft und Umstellung auf das Kommende meistern. „Auch wir können im Vertrieb eine verstärkte Digitalisierung feststellen“, erklärt Brahm. Die Kunden-Interaktion in diesen Bereichen habe zugenommen und wird „von beiden Seiten“ gut angenommen. „Unsere hybride Vertriebsstrategie aus persönlicher und digital unterstützter Beratung hat sich gerade in der Coronakrise als erfolgreich erwiesen“, erklärte er kürzlich – wohl ein Hinweis auf das Jahresergebnis. Wie erfolgreich die Umstellung war, zeigen die heutigen Debeka-Zahlen, die Fertigstellung der drei Baustellen wird dagegen die Zukunft bestimmen.
Autor: Maximilian Volz