Lebensversicherung: „Für Kunden, Vermittler und die Gesellschaften wird es komplexer und komplizierter“

Reiner Will. Quelle: usk

Die Pandemie trifft die Lebensversicherer in Form eines neuerlichen Zinstiefs und beschleunigt den Umbau der Geschäftsmodelle. „Die klassische Leben ist ein Auslaufmodell. Die Produktpalette wird bunter“, sagte Reiner Will, Geschäftsführer der Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH, bei der Vorstellung der 19. Marktstudie zu den Überschussbeteiligungen und Garantien. Es gebe keinen Marktstandard mehr. „Kein Produkt ist mehr der Orientierungsmaßstab. Für die Kunden, die Vermittler und die Gesellschaften wird es komplexer und komplizierter.“

Wie in den Vorjahren hat die Assekurata die Tarife der Klassik und der Neuen Klassik sowie Indexpolicen im Hinblick auf ihre Ertragsentwicklung für die Kunden untersucht. An der „Marktstudie zu Überschussbeteiligungen und Garantien 2021: Resilienz von Deklarationen und Garantien in Zeiten der Pandemie“ haben sich 47 Lebensversicherer mit einem Marktanteil von 69 (79) Prozent beteiligt. Die höchsten Geschäftserwartungen äußerten die Gesellschaften für Fondspolicen mit, aber auch ohne Garantien sowie Produkte zur Arbeitskraftabsicherung. Auch die tatsächliche Neugeschäftsverteilung zeigt der Studie zufolge Verschiebungen in diese Richtungen, wenngleich Klassik noch 14 Prozent des Neugeschäftes ausmache. Bei der in den Vorjahren von den Teilnehmern positiv eingeschätzten betrieblichen Altersvorsorge (bAV) sei „Ernüchterung eingekehrt“, was auch an der in Corona-Zeiten schwierigeren Ansprache von Beschäftigten liege.

Die Mehrheit der Befragten rechnet für das zweite Quartal mit einer Entscheidung der Politik zur Absenkung des Höchstrechnungszinses. Dabei werden fast durchgängig die von der Deutschen Aktuarsvereinigung vorgeschlagenen 0,25 Prozent erwartet. Damit dürften sich die Probleme, Riester-Produkte kalkulatorisch darzustellen, verschärfen. Der Umfrage zufolge bieten bereits 15 von 36 Gesellschaften (nicht alle Studienteilnehmer haben zu allen Fragen geantwortet) Riester nicht mehr an.

Die Garantien in den Beständen der Lebensversicherer betragen laut Studie immer noch durchschnittlich 2,63 (2,74) Prozent. Durch den Aufbau der Zinszusatzreserve (ZZR) seit 2011 auf voraussichtlich 86 Milliarden Euro Ende 2020 ist die durchschnittliche Zinsverpflichtung nach ZZR auf 1,59 (1,77) Prozent gesunken. „Das ist beim aktuellen Zinsniveau immer noch ein hoher Wert, der finanziert werden muss. Das geht nicht risikolos“, so Will.

Zur Finanzierung der ZZR haben „viele Anbieter“ stille Reserven vor allem in festverzinslichen Wertpapieren aufgelöst. Somit stieg die Nettoverzinsung auf 4,1 (3,92) Prozent, aber die Durchschnittsverzinsung der Kapitalanlagen sank auf 2,9 (3,08) Prozent. Über 84 Prozent der bilanziellen Branchenverpflichtungen seien bereits von der ZZR betroffen. Dabei sei die Spannbreite sehr breit, so Studienleiter Lars Heermann. Die niedrigste Belastung liege bei 56 Prozent, die höchste bei 98 Prozent, was aus der Bestandszusammensetzung herrührt. Für 2020 rechnet die Assekurata, wie der GDV, mit einer Zuführung von 10,5 Mrd. Euro zur ZZR.

Als Folge der erneut hohen ZZR-Belastung und der Zinsentwicklung seien die Überschussbeteiligungen weiter gekürzt worden und „der Produktschwenk fällt noch heftiger als bisher aus“, so Will. Selbst bei einem Null-Zinsszenario müsste die ZZR bis 2030 mit jährlich zwischen acht und elf Milliarden Euro auf 170 Mrd. Euro aufgebaut werden. „Wir werden in einigen Jahren erleben, dass die Tarifgenerationen 1,25 und 0,9 Prozent in die Nachreservierung laufen werden“, so Will. Zwar seien die Generationen niedrig verzinst, hätten aber noch lange Laufzeiten – dies auch deshalb, weil es sich vor allem um Renten- und weniger um kapitalbildende Lebensversicherungen handelt.

Mittelfristig hätten die Gesellschaften hohe Bewertungsreserven, mit denen sie den ZZR-Aufbau finanzieren könnten. „Damit gewinnen die Gesellschaften Zeit, ihr Geschäftsmodell umzustellen. Aber das müssen sie auch nutzen“, so Heermann. Will schließt nicht aus, dass „einige es nicht schaffen“. Er rechnet aber nicht mit „Komplettausfällen“, sondern dem Einsatz des, aufsichtsrechtlichen Instrumentarium ­- der Herabsetzung von Leistungen.

Über alle Tarifgenerationen und Produktarten sinkt die laufende Verzinsung der Studie zufolge im arithmetischen Mittel für 2021 auf 2,65 (2,74) Prozent. Von den 25 Anbietern klassischer Renten haben 18 die laufende Versicherung abgesenkt. Bei der Neuen Klassik berichtet Assekurata unter anderem vom Rückzug bei den Beitragsgarantien: Von den hierzu 26 untersuchten Gesellschaften böten fünf nur noch eine anteilige und neun gar keine Beitragsgarantie mehr. Häufig liege der individuelle Garantiezins nur noch bei 0,5 oder 0,25 Prozent ­­– teils auch darunter.

Bei den Indexpolicen wurden 2020 Nullrenditen nach den pandemiebedingten Aktieneinbrüchen. Von den massiven Aufholeffekten im weiteren Jahresverlauf hätten die meisten Policen nicht mehr ausreichend profitieren können.

Autorin: Monika Lier

Ein Kommentar

  • Dr. Andreas Billmeyer

    Eine sehr zutreffende Zusammenfassung der Lage – vor allem wurde zutreffend analysiert, dass eigentlich die Versicherer künftig stärker unter der ZZR leiden werden, die viel Geschäft in den NIEDRIGEN Rechnungszins-Generationen abgeschlossen haben (1,75% und niedriger). Die alten hohen Garantien sind weitgehend ausfinanziert.
    Übrigens müssen die mittleren Zinsanfordernisse von 1,59% im Bestand nach ZZR ja auch nicht jetzt zu Marktkonditionen refinanziert werden, sondern dafür stehen durchaus auch die alten Kapitalanlagen zu hohen Bestands-Coupons noch auf viele Jahre zur Verfügung, wenn eine LV zukunftssicher angelegt hat.
    Man sieht ein bisschen, dass die Überschussbeteiligungen der „neuen Klassik“ inzwischen auch nicht mehr höher sind als bei Klassik, es zeigt sich dass diese Produkte eben vielfach bei den Anbietern auch „aus der Not geboren“ waren.
    Klassik mit tatsächlich potenziellem jährlichem begrenztem Verlustpuffer (1-2%) wäre nach wie vor ein guter Weg, die Vorzüge der kollektiven Geldanlage (mit Pufferung) in die Waagschale zu werfen, die kein Fondsanbieter in dieser Form anbieten kann.

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