Analyse: Wie gesund ist die deutsche Lebensversicherung?

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Der Gesundheitszustand der Lebensversicherung ist ein Dauerbrenner der Versicherungswelt. Aktuelle Untersuchungen zeichnen ein diverses, aber insgesamt solides Bild ab. Die Branche bleibt widerstandsfähig. Die Tage der großen Renditeversprechen sind allerdings vorbei. Eine Analyse.

Eine viel kritisierte Studie des Bundes der Versicherten in Zusammenarbeit mit Zielke Research Consult bescheinigte der Branche große Probleme, doch diesmal wehrten sich die Versicherer. Insbesondere die der Studie zu Grunde liegende Systematik wurde kritisiert. „Wir können nicht wirklich nachvollziehen, woraus die BdV-Studie ihre Gewinnerwartung ableitet, sind uns jedoch sicher, dass unsere spezifische Unternehmenssituation nicht in ausreichendem Maße gewürdigt wurde“, erklärte die DEVK.

Am deutlichsten wurde Herbert Schneidemann, Vorstandsvorsitzender der Bayerischen: „Durch diese fehlerhafte Studie sehen wir uns absurden Unterstellungen ausgesetzt, die unsere Kunden verunsichern und geschäftsschädigend sein können. Dagegen wehren wir uns entschieden und prüfen rechtliche Schritte.“ Fairerweise muss angemerkt werden, dass auch andere Prüfende bei der LV Probleme sehen, beispielsweise Franke und Bornberg (FB). Allerdings war das gezeichnete Bild nicht so düster wie das von Zielke. Mittelfristig sei laut FB davon auszugehen, „dass die marktweite Zunahme an Produkten ohne nennenswerte Garantien die Kennzahlen tendenziell weiter stabilisiert“.

Vergleichsweise solide

Ein gänzlich anderes Bild der Stabilität liefert der bekannte LV-Experte Hermann Weinmann. „Insgesamt stehen die zwölf größten deutschen Lebensversicherer „vergleichsweise solide da“, erklärt der Professor aus Ludwigshafen, bei seiner aktuellen Marktuntersuchung, die in der Zeitschrift für Versicherungswesen erschien. Von den 12 untersuchten Unternehmen erhielt die Allianz das höchste Gütesiegel, die Debeka ein „ausreichend“. Die anderen zehn Unternehmen teilen sich die Noten „gut“ und „befriedigend“ mit fünf Nennungen gleichermaßen auf.

Die Bafin ist ebenfalls davon überzeugt, dass die Branche insgesamt stabil ist, selbst in Pandemiezeiten. Ähnlich beurteilt Henning Kühl, Chefaktuar bei Policen Direkt, nach eigenen Angaben Marktführer im Zweitmarkt für Lebensversicherungen, die Lage der Branche: „Aktuell müssen sich Verbraucher keine Sorgen um ihre Lebensversicherungsverträge machen. Die Solvenzquoten spiegeln die Widerstandsfähigkeit wider.“ Diese zeigen, wie weit Versicherer aufgrund anhaltend niedriger Zinsen vor zusätzlichen Aufgaben stehen, um auch in Zukunft ihren garantierten Versprechen stabil nachkommen zu können. „Wir gehen aufgrund unserer laufenden Marktbeobachtung davon aus, dass Versicherer und Aufsicht hier ihrer Verantwortung gerecht werden und die aktuell erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden“, sagt Kühl.

Zinsen und ZZR als Problem

Partner in Life S.A. (PiL), nach eigenen Angaben auch Marktführer auf dem deutschen Zweitmarkt, kommt zu dem Schluss, dass die deutschen Lebensversicherungsgesellschaften „die Krisen der Vergangenheit“ bisher „relativ gut“ meisterten. Allerdings habe sich die laufende Durchschnittsverzinsung von etwa 4,5 Prozent im Jahr 2008 auf circa zwei Prozent im Jahr 2019 mehr als halbiert. Der Blick auf die durchschnittliche Umlaufrendite der Bundeswertpapiere im selben Zeitraum zeige aber auch, wie dramatisch sich die Zinsentwicklung in dieser Zeit verändert hat.

Quelle: PiL

Ein weiteres Problem für die Lebensversicherer ist, dass sie trotz niedriger Zinsen immer mehr Reserven in die Zinszusatzreserve stecken müssen. Es ist „Fakt“, dass die Gesellschaften Ende des vergangenen Jahres mit dem damaligen Ausblick auf das Jahr 2022 noch drei „sehr anspruchsvolle Jahre der Reservierung (ZZR) vor sich sahen“, schreibt PiL.  Durch die Corona-Krise ist der damals trübe Ausblick in mancherlei Hinsicht „noch deutlich düsterer „geworden.

Quelle: PiL

Den Abgesang auf die Branche muss deswegen allerdings niemand anstimmen. Schließlich ist die ZZR im Wortsinne eine Reserve, das Geld ist also nicht weg. Der Blick auf eine oder wenige Kennzahl(en) – zum Beispiel die Solvenz, oder den Sicherungsbedarf – ist PiL zufolge ungenügend, um bewerten zu können, wie viel Gegenwind ein Lebensversicherer künftig noch aushält. „Wir können insgesamt feststellen, dass der gesamte Lebensversicherungsmarkt, und damit im Wesentlichen die Versicherungsnehmer – auf vergleichsweise gute Ergebnisse zurückblicken“, erklärt Dean Goff, Vorstand der PiL.

Trotz der Marktbeobachtungen und -analysen mangelt es im LV-Markt nicht an Untergangsprophezeiungen. So sprach, Uwe Eilers, Vorstand der FV Frankfurter Vermögen AG, Lebensversicherungen den Verbrauchernutzen größtenteils ab und laut Bloomberg woll(t)en sich namhafte Versicherer wie die Allianz und Generali von ihren Beständen im Ausland trennen.

Passiert ist seit dem Verkauf der Generali-LV wenig, der vielfach heraufbeschworene Run-Off-Boom ist bisher ausgeblieben. „Externe Run-Offs sind ein Phänomen börsennotierter Konzerne“, glaubt Andreas Billmeyer, Leiter des Risikomanagements der LV1871. Doch egal, ob AG oder VVaG, bisher gibt es kaum Wellen auf dem LV-See. Das bedeutet nicht, dass es nicht passieren kann, aber solange viele LV-Unternehmen solide dastehen, ist mit Notverkäufen nicht zu rechnen. Die Lebensversicherung wird in Deutschland weiterhin wichtig sein, glaubt Johannes-Tobias Lorenz, Senior Manager McKinsey. Solange das so ist, wird die Diskussion auch nicht stoppen.

Autor: Maximilian Volz

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