Debeka-CEO Thomas Brahm im Interview: „Die Coronakrise hat uns hier wichtige Erfahrungswerte geliefert“

Konzernsitz der Debeka. Bildquelle: Debeka

Die Corona-Krise macht sich auch bei den privaten Krankenversicherern bemerkbar. Für Debeka-CEO Thomas Brahm einmal mehr ein Beleg: „Wir können froh sein, dass wir mit unserem dualen System aus GKV und PKV ein so starkes und leistungsfähiges Gesundheitssystem haben. Wer daran etwas ändern will, bringt Deutschland in eine gefährliche Lage.“ Der Forderung nach einer Bürgerversicherung erteilt er im Exklusiv-Interview mit VWheute erneut eine Absage.

VWheute: Die vergangenen Monate wurden vor allem durch die Corona-Pandemie und deren Folgen für die Versicherungsbranche geprägt. Wie haben sich die Folgen bislang bei der Debeka bemerkbar gemacht?

Thomas Brahm: Wir hatten uns bereits zu Beginn der Corona-Pandemie im Wesentlichen zwei Ziele gesetzt: Einerseits unsere Mitarbeiter zu schützen und damit auch unseren Teil dazu beizutragen, die Verbreitung  des Virus einzudämmen, und andererseits im Sinne unserer Mitglieder und Kunden den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Dabei wurde die Debeka im positiven Sinne kräftig „durchgeschüttelt“. Viele Geschäftsprozesse mussten überprüft und ggf. angepasst werden, viele Entscheidungen mussten unter Zeitdruck gefällt werden.

Aus heutiger Sicht können wir sagen, dass wir die gesteckten Ziele bisher erreicht haben. Wir haben bis heute bei 16.000 Beschäftigten lediglich 28 Corona-Fälle in der Belegschaft, die alle genesen sind. Wir haben konsequent auf mobiles Arbeiten gesetzt. Mehr als 80 Prozent unserer Mitarbeiter arbeiten derzeit mobil. Alle Mitglieder konnten mit den gewohnten Leistungen und Services versorgt werden.  

VWheute: Marktbeobachter sprechen von einem neuen Digitalisierungsschub für den Versicherungsvertrieb: Wie sind Ihre Einschätzungen dazu?

Thomas Brahm: Auch wir können im Vertrieb eine verstärkte Digitalisierung feststellen. So konnten wir beispielsweise sehr schnell digitale Beratungstools für unsere angestellten Außendienstmitarbeiter etablieren. Die Kunden-Interaktion in diesen Bereichen hat zugenommen und wird von beiden Seiten gut angenommen. Allerdings wünschen viele Menschen dennoch das präsente persönliche Beratungsgespräch – unter Einhaltung der vorgegebenen Hygienestandards.

Unsere hybride Vertriebsstrategie aus persönlicher und digital unterstützter Beratung hat sich gerade in der Coronakrise als erfolgreich erwiesen.  

VWheute: Viele Versicherungsunternehmen haben ihren Geschäftsbetrieb kurzfristig ins Homeoffice verlegt: Welche mittel- und langfristigen Folgen sehen Sie für agile Arbeitsmodelle?

Thomas Brahm: Wir waren ohnehin mittendrin in unserem Projekt „Ready for New Work“. Die Coronakrise hat uns hier wichtige Erfahrungswerte geliefert, die wir jetzt in das Projekt einfließen lassen. Dort, wo eine Entkopplung von Arbeitsort und Arbeitszeit grundsätzlich möglich ist, werden wir mittelfristig jedem Mitarbeiter die technische Grundausstattung für die mobile Arbeit zur Verfügung stellen. Unsere 8.000 Außendienstmitarbeiter arbeiten im Übrigen schon immer mobil.

VWheute: Die Pandemie hat auch gravierende Auswirkungen auf das Gesundheitssystem Deutschlands. Welche Auswirkungen sehen Sie aktuell auf das PKV-Geschäft und welche Folgen erwarten Sie für die Zukunft?

Thomas Brahm: Wir haben es vor kurzem bereits in einer Pressemitteilung zum Ausdruck gebracht: „In der Krise zeigt sich die Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems“. Dass Deutschland die Coronakrise bisher besser gemeistert hat als die meisten anderen Staaten, liegt nach unserer Einschätzung nicht nur am schnellen und besonnenen Handeln aller Beteiligten, sondern vor allem auch an der Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems.

GKV und PKV stehen im Wettbewerb zueinander, sie investieren aber in dieselbe Versorgungsinfrastruktur, die auch und gerade bei Pandemien allen Patienten zugutekommt. Wir verfügen in Deutschland durch das Nebeneinander von GKV und PKV über ein finanziell und materiell sehr gut ausgestattetes Gesundheitssystem, das in der Coronakrise sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich hohe Kapazitäten bereitstellen konnte.

Wer angesichts der aktuellen Erfahrungen noch immer nach einer staatlich organisierten Bürgerversicherung ruft, wie sie etwa in England mit dem „National Health Service“ besteht, verkennt die Folgen, die ein solches System auch in Deutschland für die Patienten hätte.

Die Coronakrise zeigt einmal mehr: Wir können froh sein, dass wir mit unserem dualen System aus GKV und PKV ein so starkes und leistungsfähiges Gesundheitssystem haben. Wer daran etwas ändern will, bringt Deutschland in eine gefährliche Lage. Wir müssen nur über unsere Grenzen schauen und sehen, was passiert, wenn man Gesundheitssysteme ausbluten lässt.

Wir sind sicher, dass die Menschen in Deutschland gerade in der Coronakrise unser Gesundheits- und Krankenversicherungssystem zu schätzen wissen. Wir haben auch vor diesem Hintergrund im ersten Halbjahr mit 34.500 neu abgeschlossenen privaten Vollversicherungen fast das Rekordergebnis des Vorjahreszeitraumes (35.600) erzielt, der Bestand an Vollversicherten stieg um 15.000 auf 2.454.000. Auch die Zusatzversicherungen liegen mit 16.000 Abschlüssen auf Wachstumskurs. 

VWheute: Werfen wir einen kurzen Blick auf das zweite Halbjahr 2020: Wie sind Ihre Erwartungen für das laufende Geschäftsjahr und wo liegen aktuell Ihre Unternehmens- und Vertriebsziele?

Thomas Brahm: Die Beitragseinnahmen der Debeka-Versicherungsgruppe sind im ersten Halbjahr 2020 um 4,4 Prozent gestiegen. Dies liegt einerseits am – trotz Corona – verhältnismäßig starken Neugeschäft und andererseits daran, dass die meisten unserer Mitglieder und Kunden unverändert in der Lage sind, ihren Versicherungsschutz aufrechtzuerhalten. Sollte es nicht zu neuen „Wellen“ kommen, gehen wir davon aus, dass sich das Neugeschäft weiter stabilisiert und wir auch ein Beitragswachstum verzeichnen können.

Die Fragen stellte VWheute-Redakteur Tobias Daniel.

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