BSV: Axa Frankreich zahlt rund 300 Mio. Euro an französische Gastronomen

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Neues Kapitel im Dauerstreit um die Betriebsschließungsversicherung (BSV) – diesmal allerdings in Frankreich. Die Axa will sich mit rund 1.500 Gastronomen außergerichtlich einigen und diesen insgesamt rund 300 Mio. Euro zahlen. Umgerechnet würde dies etwa 20.000 Euro für jeden Kläger bedeuten.

Bislang scheint noch offen, ob die betroffenen Gastronomen dafür im Gegenzug ihre Klagen zurückziehen müssen. Laut einem Bericht des Handelsblatt will der französische Verband der Kleinunternehmer – welcher die klagenden Gastronomen unterstützt – noch prüfen, ob er das Angebot annehmen will. Nach Angaben der Axa solle sich der vorgeschlagene Kompromiss aber nicht auf das Ergebnis niederschlagen, da die Summe weitgehend über die Rückversicherung gedeckt sei.

Allerdings beharrt die Axa weiterhin auf ihrer Rechtsposition. Demnach handele es sich bei der genannten Summe nicht um eine Entschädigung für die staatlich angeordneten Schließungen. Vielmehr handele es sich um einen finanziellen Beistand für die Gastronomen, „damit diese sich in dem Moment, da sie endlich wieder ihre Kunden empfangen können, entschlossen nach vorn blicken und die wirtschaftliche Genesung in Angriff nehmen können“, betonte Axa-Frankreichchef Patrick Cohen am Donnerstag in einer Stellungnahme. Zudem bedauere er „das Unverständnis seitens einiger unserer Kunden unter den Gastronomen in dem Moment, in dem die Branche besonders hart von der Krise betroffen ist“.

Bereits im Mai 2020 hatte die Axa im Streit um die Betriebsschließungsversicherungen für Hotels und Gaststätten in der Corona-Krise eine Niederlage einstecken müssen. Ein Handelsgericht sprach damals dem Betreiber von vier Restaurants in Paris Entschädigungen für Umsatzausfälle für zwei Monate zu, wie dessen Anwalt am Freitag sagte.

Der Gastronom Stephane Manigold hatte Axa verklagt, nachdem die französische Regierung Bars und Restaurants Mitte März geschlossen hatte, um die Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Vorbild für Deutschland?

In Deutschland hat sich Branchenprimus Allianz bereits in mindestens zwei Fällen außergerichtlich mit klagenden Gastronomen in München auf eine Lösung geeinigt – darunter im Fall der Gaststätte „Paulaner am Nockherberg“ oder mit dem Wirt des Münchner Restaurants „Guido al Duomo“. Details der Einigung sind in beiden Fällen hingegen nicht bekannt.

In zahlreichen anderen Fällen sind die Urteile der Gerichte durchaus unterschiedlich – mit einigen juristischen Schlappen für die Münchener. Insgesamt fielen die Absagen von Großveranstaltungen, die Stornierung von Reisen und die Zahlungen aus der BSV allein für 2020 mit rund 1,3 Mrd. Euro in der Allianz-Bilanz ins Gewicht.

Die Zurich setzt indes ungeachtet aller juristischen Feinheiten auf Kulanz und will den betroffenen Unternehmen mit einer entsprechenden Police die volle Deckung zahlen. Bei der Prämienzahlung will der Versicherungsmanager den betroffenen Unternehmen entgegenkommen. „In der Schweiz erhalten über 90 Prozent der bei Zurich versicherten Gastrobetriebe mit einer Epidemie-Versicherung die volle Pandemie-Deckung. Die anderen Betriebe erhalten Kulanzzahlungen aus dem Zurich-Solidaritätsfonds“, ließ Konzernchef Mario Greco bereits im April 2020 durchblicken.

„Falls nötig, geben wir unseren Kunden mehr Zeit. Es gibt Rabatte und andere Vergünstigungen. In der Schweiz gewähren wir meist einen Zahlungsaufschub, auch für Mieter von Immobilien, die der Zurich gehören. Zudem versenden wir keine Mahnungen und verzichten auf Betreibungen“, betont der Versicherungsmanager im Interview mit der Schweizer Zeitung Blick.

Jüngste Gerichtsurteile zur Betriebsschließungsversicherung

10.06.2021: BSV: OLG Dresden entscheidet zugunsten des Versicherers
Das Oberlandesgericht Dresden hat im Streit um Zahlungen aus der Betriebsschließungsversicherung (BSV) zugunsten des Versicherers entschieden. Die Richter wiesen damit die Klage eines Restaurantbetreibers aus der Dresdner Innenstadt zurück (Az.: 4 U 61/21).

19.05.2021: BSV-Prozesse: Täuschen die Versicherer die Öffentlichkeit?
Viele Medien lassen sich scheinbar von der Versicherungsbranche täuschen, weil sie den Trend im Streit um coronabedingte Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung (BSV) aus öffentlichen Urteilssammlungen entnehmen. Denn danach haben die Versicherer deutlich die Oberhand. Doch die Realität wäre eine andere. Die Branche würde systematisch negative Urteile durch Vergleich verhindern, sagt ein Anwalt.

13.05.2021: BSV: OLG Schleswig entscheidet zugunsten der Versicherer
Im juristischen Dauerstreit um die Betriebsschließungsversicherung (BSV) haben die Versicherer einen weiteren Punktsieg errungen. Das Oberlandesgericht Schleswig wies die Berufung eines Gastwirtes gegen eine Entscheidung der Vorinstanz zugunsten des Versicherers zurück (Az.: 16 U 25/21).

11.05.2021: BSV: Brauerei klagt gegen die Allianz
Die Allianz muss erneut wegen Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung (BSV) vor Gericht. Die Brauerei Giesinger Bräu fordert vom Versicherer einen Betrag von rund 240.000 Euro für Ausfälle aus dem ersten Lockdown im März 2020.

13.04.2021: Trotz High-Court-Urteil: Axa verweigert erneut Zahlung in BSV-Fall
„O’zapft is“ – in Großbritannien haben die Pubs unter strengen Regeln wieder geöffnet. Das hat den Bar- und Restaurantbetreiber Inception-Group allerdings nicht versöhnlich gestimmt. Das Unternehmen hat Klage gegen die Axa eingereicht. Es sucht Entschädigung in Millionenhöhe wegen entgangener Gewinne während der Pandemie. Die Axa lehnt die Zahlung ab und sieht sich im Recht. Vor dem Hintergrund des ergangenen High-Court-Urteils im September birgt der Fall Zündstoff.

27.03.2021: BSV: Landgericht München II weist weitere Klage eines Gastronomen ab
Neues Urteil im Rechtsstreit um die Betriebsschließungsversicherung (BSV): Eine Zivilkammer des Landgerichts München II hat die Klage eines Gastronomen aus Reutberg gegen die Allianz abgewiesen. Der Wirt hatte einen Betrag in Höhe von 250.950 Euro eingeklagt. Nach Ansicht der Richter bestand kein Versicherungsschutz für coronabedingte Umsatzausfälle.

13.03.2021: BSV: Württembergische Versicherung erleidet juristische Schlappen
Die Württembergische Versicherung hat vor dem Landgericht Stuttgart gleich mehrere juristische Niederlagen erlitten. So muss der Versicherer einem Gastronomen aus Winterbach rund 40.000 Euro aus der Betriebsschließungsversicherung (BSV) zahlen. Ein Hotelier aus Köngen soll rund 87.000 Euro bekommen.

11.03.2021: BSV: Landgericht Frankfurt weist die Klagen von Club- und Kinobetreibern ab
Neues Urteil im Rechtsstreit um die Betriebsschließungsversicherung: Die 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main hat in zwei Verfahren die Klagen von Diskotheken- bzw. Kinobetreibern auf Entschädigung aus der BSV abgelehnt. Die Richter begründeten dies damit, dass in den jeweils vereinbarten Versicherungsbedingungen eine Betriebsschließung wegen einer Infektion mit Sars-CoV-2 nicht erfasst seien.

22.02.2021: BSV: OLG Stuttgart weist Klage mehrerer Gastronomen zurück – LG Düsseldorf urteilt gegen Zurich
Punktsieg für die Versicherer im juristischen Dauerstreit um die Betriebsschließungsversicherung (BSV): Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die Klagen zweier baden-württembergischer Gastwirte negativ beschieden. Die Richter des 7. Zivilsenates entschieden mit Verweis auf die Versicherungsbedingungen, dass den Klägern keine Entschädigung durch den Versicherer zustehe. Anders entschied hingegen das Landgericht Düsseldorf.

17.02.2021: BSV: Württembergische unterliegt Hamelner Gastronomen vor dem Landgericht Hannover
Die niedersächsische Stadt Hameln ist ja vor allem durch die Sage des viel gerühmten Rattenfängers in die Geschichte eingegangen. Nun schreibt ein Gastronom Versicherungsgeschichte. Im BSV-Streit mit der Württembergischen Versicherung hat er zumindest eine Zwischenetappe für sich gewonnen.

09.02.2021: BSV: Irische Pubs siegen gegen Versicherer
Nach Großbritannien hat nun auch Irland gegen die Versicherer geurteilt. In der Betriebsschließungsversicherung (BSV) hat sich der High Court auf die Seite der Pubs gestellt und einen Versicherer zur Zahlung verurteilt. Das hat für das Unternehmen Folgen, denn es war ein Musterprozess für über tausend weitere Fälle.

18.01.2021: Nach Supreme Court Urteil zur BSV: Versicherungsbranche drohen Konflikte an mehreren Fronten
Der Superlativ ist angebracht: Das Urteil des obersten britischen Gerichts wird die gesamte Branche verändern. Betroffen sind Kunden, Erst- und Rückversicherer, Makler und Berater sowie die Verbraucherschützer und Finanzaufsichten. Wer begleicht welchen Schaden, wie hoch ist die Rückversicherung und wer hat eventuell falsch beraten; es wird zu vielen Prozessen kommen. Betroffen sind auch Häuser, deren Fälle aktuell nicht entschieden wurden, beispielsweise die Allianz und Axa. Warum Versicherern am Ende sogar Solvenzprobleme drohen, zeigt die Analyse.

Deutsche Versicherer setzen auf Kulanz und „Solidarität“

Ähnliche Auswirkungen hatten die coronabedingten Betriebsschließungen auch bei anderen Versicherern. Allein die Signal Iduna bezifferte jüngst die Schäden aus der BSV auf rund 50 Mio. Euro. Mit rund 88 Prozent der Anspruchsteller hat man laut Vorstand Stefan Kutz eine Einigung erzielt, die anderen haben zum Teil erst sehr spät Schadenmeldungen abgegeben. Man sei allerdings in der Lage auch an diese Kunden Zahlungen zu leisten, oft über die beim Bayerischen Modell vorgesehenen 15 Prozent hinaus. Die volle Versicherungssumme wird es laut Kutz schon bedingungsgemäß kaum geben, da etwa staatliche Hilfen gegengerechnet werden müssten. Insgesamt hat Signal Iduna 2020 für gut 2.400 Schäden rund 50 Millionen Euro für Betriebsschließungen ausgegeben – bei nur 500.000 Euro Beitragseinnahmen.

Der Karlsruher Versicherer BGV hatte hingegen aus „Solidaritätsgründen“ gut eine Million Euro an Leistungen in der BSV gezahlt. Weitere Zahlungen seien zwar nicht zu erwarten, alle Prozesse habe man bisher gewonnen. Dennoch habe man die Rückstellungen vorsichtshalber erhöht. Generell seien die Folgen von pandemiebedingten Generalschließungen aufgrund staatlicher Verordnungen nicht versichert, betonte BGV-Vorstandschef Edgar Bohn bei der Vorstellung der Bilanzzahlen für das Geschäftsjahr 2020.

Die Nürnberger hatte indes mit 701 Unternehmen eine entsprechende Vergleichslösung getroffen: „Wir haben fast 60 Mio. Euro bezahlt, darunter Millionenbeträge an große Hotels und mehrere hundert Euro an Tagescafés“, betonte Vorstandschef Armin Zitzmann im April 2021. Dabei stelle dieser Betrag das bislang größte Schadenereignis in der Geschichte des Unternehmens dar.

Die R+V Versicherung beziffert die Sonderbelastungen durch Corona im vergangenen Jahr auf rund 321 Mio. Euro. Diese seien vor allem auf Betriebsschließungen und Veranstaltungsausfälle zurückzuführen. Auch erhöhte Leistungen in der Restkreditversicherung seien darin eingeflossen, die die R+V als einer der wenigen Anbieter auch an ihre von Kurzarbeit betroffenen Kunden zahlte.

Allein auf die BSV entfielen nach Angaben der R+V rund 30 Mio. Euro. Dabei ist das Schadenaufkommen durch den zweiten Lockdown wohl deutlich niedriger: Nach Angaben von Kompositvorstand Edgar Martin gingen durch die neuerlichen Schließungen im November etwa 300 bis 400 Schadenmeldungen bei der R+V (nach etwa 2.500 Schadenmeldungen durch den ersten Lockdown) ein. Im März 2021 waren nach Angaben des Genossenschaftsversicherers 28 Klagen gegen die Regulierung bei den Gerichten anhängig. In drei Fällen haben die Gerichte laut Versicherer im Sinne der R+V entschieden, eine Klage sei zurückgezogen worden.

Konzernchef Norbert Rollinger machte aus seiner Position im BSV-Streit jedenfalls keinen Hehl: „Wir haben sehr klare Bedingungen. Wir haben die Viren enumerativ aufgezählt und nicht pauschal auf das Infektionsschutzgesetz verwiesen. Wir sind sehr zuversichtlich, dass die anderen Klagen auch so entschieden werden“.

Zudem gingen branchenweit „etwa 80 bis 90 Prozent der Klagen zugunsten der Versicherer aus. Da ist das Bild in der Öffentlichkeit vielleicht etwas verzerrt. Es tut mir leid, wenn sich Kunden etwas anderes erhofft haben. Aber eine präventive Maßnahme des Staates kann ich in einer kleinen Sparte, die branchenweit auf insgesamt 25 Mio. Euro Beitragseinnahmen bei einer Deckungssumme von 19 Mrd. Euro kommt, nicht versichern“, so Rollinger in einem Interview mit der Börsen-Zeitung.

Der juristische Dauerstreit um die BSV könnte die betroffenen Versicherer im schlimmsten Fall teuer zu stehen kommen. Würden alle Ansprüche vollumfänglich anerkannt, könnte dies die Branche einen Betrag von drei bis vier Mrd. Euro kosten. Zu dieser Einschätzung kam jüngst Rechtsanwalt Mark Wilhelm von der Kanzlei Wilhelm Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB.

Inwieweit die deutschen Versicherer die Regelung der Axa zum Vorbild nehmen, bleibt jedenfalls abzuwarten.

Autor: VW-Redaktion

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