Zwischen Zank und Zukunft: Schweizer Versicherungslandschaft streitet und strukturiert

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Quelle: Bild von pasja1000 auf Pixabay

Den Schweizern wird oft Behäbigkeit vorgeworfen. Auf die Versicherungsbranche trifft das offenbar nicht zu, denn sowohl der Verband wie auch die einzelnen Unternehmen wirken derzeit wie nach drei Tassen gutem Kaffee. Es wird an der Ausrichtung gearbeitet und auch gestritten; was nicht jedem gefällt.

Die Helvetia hat turbulente Wochen und Monate hinter sich. Wegen Covid-19 rutschte das Haus in den roten Bereich und musste einen Millionenrückgang eingestehen. Zudem gerieten die Schweizer mit dem Starkoch Nelson Müller in einen teuren Rechtsstreit.

Doch es gibt auch positive Nachrichten. So wurde (erneut) in das deutsche Startup Chargery investiert und eine strategische Partnerschaft mit dem IFJ Institut für Jungunternehmen geschlossen.

Doch das reicht nicht. Aktuell hat sich das Unternehmen am spanischen Peer-to-Peer-Versicherer Freshurance beteiligt. Es bietet mit dem Produkt Cobertoo eine Peer-to-Peer-Versicherung für Mobiltelefone im spanischen Markt an. Mit dem Investment will Helvetia „die Marktakzeptanz von Peer-to-Peer-Modellen“ und das „Versicherungsverhalten jüngerer Generationen“ ergründen.

Das Geschäftsmodell von Freshurance ist bemerkenswert anders. Beim Peer-to-Peer-Ansatz bezahlen die Versicherungsnehmer eine monatliche Mitgliedschaftsgebühr von einem Euro und monatliche Prämien für das versicherte Mobiltelefon, deren Höhe abhängig vom entsprechenden Modell ist. Die Mitgliedschaftsgebühr und 25 Prozent der Prämie erhält Freshurance. Die restlichen 75 Prozent der Prämien fließen in einen Topf. Aus diesem werden Schäden bezahlt und alles was verbleibt, erhalten zu 75 Prozent die Versicherungsnehmer in Form eines Cash-Backs zurück. Die anderen 25 Prozent werden für wohltätige Zwecke an NGOs gespendet. Cobertoo ist von Fintech Global in INSURTECH100 aufgenommen worden, eine jährliche Zusammenstellung der innovativsten Insurtech-Unternehmen. Wenn man es genau nimmt, ist Cobertoo eher das Produkt und Freshurance das Unternehmen, aber wer will an der Stelle schon Erbsen zählen.

Versicherung ist nicht alles, aber…

Die Baloise ist der Investitionskönig. Wenn Sie in der Schweiz, und oft über die Grenzen darüber hinaus, ein Start-up eröffnen, ist der erste erhaltene Brief ein Beteiligungsangebot des Versicherers. Dabei ist es unerheblich, ob ein Bezug zu Versicherungs- oder Finanzthemen besteht. Ein Unternehmen im Bereich der technischen Immobilienprüfung, klar; ein digitaler Dienstleister für Reinigungspersonal, sicher; eine digitale Plattform für Haus- und Stockwerkeigentümer, auf jeden Fall; die Liste ließe sich fortsetzen.

Dem CEO Gert De Winter  geht es um die „Weiterentwicklung des klassischen Versicherungs-Business“, man wolle aus dem „Kerngeschäft ausbrechen„. Doch momentan wird das Brot noch mit Versicherungen verdient, wobei Corona Spuren hinterlassen hat. Dennoch wurde in Belgien ein Nicht-Leben Portfolio von Athora gekauft.

Im Alltagsgeschäft ist man weiter mit (Regulierungs-) Vorschriften beschäftigt, weswegen aktuell ein Vertrag mit Systemorph unterzeichnet wurde. Der Software Lösungsanbieter für Datamanagement Lösungen für Banken und Versicherungen und der Versicherer haben die Implementierung und den Betrieb der IFRS 17 Lösung zur Einhaltung der regulatorischen Anforderungen des neuen Accounting Standards bekannt gegeben. Solche Investitionen machen klar, dass die Baloise nicht so bald aus dem Business Versicherung aussteigen will.

Schweizer Versicherungsverband (SVV) streitet

Ein wenig zänkisch, oder konfliktbereit, präsentiert sich der SVV aktuell. In vier Tagen wird in der Schweiz über die „Unternehmens-Verantwortungs-Initiative“ abgestimmt. Es werden zusätzliche Haftungsbestimmungen für Unternehmen gefordert, die international anerkannte Menschenrechte und internationale Umweltstandards verletzt haben. Der Schweizer Versicherungsverband (SVV) spricht sich dagegen aus und hat nach eigener Aussage dafür gute Gründe. Dennoch ist eine Positionierung gegen ein solches Vorhaben gewagt.

Mit der Axa hat sich aktuell ein bedeutendes Mitglied aus dem SVV verabschiedet. Die Axa ist der Meinung, der Verband solle sich nur in politischen Fragen engagieren sollte, die die Kernthemen der Assekuranz betreffen. 

Die Axa Schweiz will im politischen Dialog ihren „eigenen unabhängigen Weg gehen“ und sich künftig „auf sachliche Beiträge zu Kernthemen der Versicherungswirtschaft“ beschränken. Das war wohl ein letzter Gruß an den SVV und dessen Arbeit.

Es ist viel los in der Schweizer Versicherungswelt – und dabei wurden Häuser wie die Swiss Re gar nicht thematisiert.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, die Axa sei mit den Positionen des SVV zum EU-Rahmenvertrag nicht einverstanden gewesen. Der Text wurde entsprechend angepasst, 26.11.2020,

Autor: Maximilian Volz

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