Aufsicht in Deutschland und Europa am Wendepunkt

In Deutschland und Europa fallen (und treten ab) die Aufseher. Quelle: Bild von Pexels auf Pixabay

Im Zuge des Skandals um den Zahlungsdienstleister Wirecard musste bereits Bafin-Chef Felix Hufeld seinen Hut nehmen, nun folgt ihm Edgar Ernst, Präsident der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR). Gleichzeitig entsteht mit dem geplanten Abschied Gabriel Bernardinos bei der europäischen Aufsichtsbehörde Eiopa ein weiteres Vakuum. Die künftige Ausrichtung der Finanzaufsicht wird in den kommenden Wochen für Jahre entschieden werden.

Finanzminister Olaf Scholz gibt im Wirecard-Skandal nicht die konsistenteste Figur ab. Zunächst wollte er trotz eigener Kritik an Hufeld festhalten, dann folgte die 180-Grad-Drehung, der Bafin Chef muss gehen. „Wirtschaftsprüfer wie Aufsichtsbehörden seien nicht effektiv gewesen“, erklärte Scholz. Der Druck auf den Finanzminister und zum Kanzlerkandidaten erhobenen SPD-Politiker stieg stetig, sowohl politisch wie auch von externen Kräften. Die Meinung vieler Kritiker brachte Gerhard Schick, Chef der Initiative Finanzwende, auf den Punkt: „Die Bafin macht ihren Job seit Jahren oftmals nicht. Bei fast jedem Skandal – auch bei Cum-Ex oder der Pleite von P&R – hat sie geschlafen.“ Gute Leute würden „ausgebremst und gehen“.

Die Wut richtet sich auch gegen die privaten Wirtschaftsprüfer, die die Betrügereien von Wirecard nicht bemerkten. So hat beispielsweise die Commerzbank Klage gegen die Prüfer von „EY“ eingereicht. Die Kritik umfasst auch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung, die eng mit der Bafin zusammenarbeitet und den Wirecard-Fall nicht aufdecken konnte. Schlussendlich war wie im Fall Hufeld auch für DPR-Chef Ernst der Druck zu groß, er trat zurück.

Kein Chef in Sicht

Künftig soll alles anders werden. Der Finanzminister hat einen Plan vorgelegt, wie er die Bafin schlagkräftiger machen will. Diese brauche einen „grundlegenden Kulturwandel“ und neben „organisatorischen Veränderungen“ auch einen „personellen Neustart an der Spitze“, schrieb das Ministerium. Die Schlagkraft im Aufsichts- und Prüfungshandeln soll erhöht, interne Strukturen gestrafft und klarer zugeteilt werden. Zudem soll “ modernster Technologie“ zum Einsatz kommen.

Dieser Punkt ist wichtig, die Bafin hatte im Zuge des Skandals eine Bilanzprüfung von Wirecard bei der DPR veranlasst, die diese wegen mangelnder technischer Kapazitäten nicht liefern konnte. Die trotz Staatsauftrag als privater Verein organisierte DPR hätte „ohne forensische Mittel keine Chance“ gehabt, das Vorgehen von Wirecard aufzuklären, erklärte Ernst vor dem Untersuchungsausschuss. Die Bafin selbst war nach Eigenaussage ausschließlich für die Wirecard Bank AG zuständig. Gegenüber der AG-Konzernmutter besaß sie „keine formalen Prüfungsrechte“.

Diesen Problemen soll begegnet werden. Das Finanzministerium will mit einem sieben Punkte-Plan zur Stärkung der Aufsicht u.a. eine „Fokusaufsicht“, eine „neue, forensisch geschulte Taskforce“ und ein „grundlegend reformiertes Bilanzkontrollverfahren“ etablieren.

Wer führt?

Das alles klingt gut und nachvollziehbar, doch es bleibt die Frage, wer die Maßnahmen umsetzt. Sowohl DPR wie Bafin, ab dem 31. März 2021, stehen ohne Chef da. Es erscheint nicht zielführend, dass der scheidende Hufeld die Weichen für die Zukunft stellt.

Die Bafin selbst verneint auf Anfrage, dass sie durch den Wechsel an der Spitze in ihrer Arbeit beeinträchtigt ist. Bei der Neuausrichtung handle es sich um eine „politische Entscheidung, die Bafin werde sich aber „soweit wie möglich“ in den Prozess einbringen. Der angesprochene 7-Punkte-Plan sei das „Ergebnis der Untersuchungen zum Wirecard-Skandal“.

Deutschland ist als EU-Land in ein komplexes Regelwerk aus europäischer Politik und EIOPA-Vorgaben eingebunden. Der neue Mann oder Frau muss also sein aufsichtsrechtliches Handwerk verstehen mit EIOPA – und der EU – kommunizieren und darüber hinaus das technische Knowhow für die Errichtung und Führung der neuen Taskforce besitzen. Nebenbei ist auch noch ein Amt mit rund 3.000 Mitarbeitern zu führen und es bedarf sowohl Kritikfähigkeit wie auch Durchsetzungskraft. Den Finanzmarkt über Jahre bestimmende Entscheidungen und Beratungen stehen ins Haus, der Provisionsdeckel ist nicht vom Tisch, zudem steht die Solvency II-Anpassung bevor, ebenso Überarbeitungen von IDD und MIFID.

Der europäische Aufsichtsführer EIOPA wird in Bälde vielleicht selbst ohne Kopf dastehen, denn die Amtszeit von Gabriel Bernardino wie vorgesehen. Bis ein Nachfolger gefunden ist, wird Peter Braumüller, derzeit der Vice-Chair, auf Interimsbasis das Amt bekleiden.

Somit teilen EU und das Bundesfinanzministerium das selbe Problem; es wird ein(e) Nachfolger/in für die wichtigste Stelle der Finanzaufsicht gesucht. Diese Person soll in den kommenden Jahren – möglichst – einen skandalfreien Finanzmarkt garantieren, um die Einsetzenden aus der Schusslinie zu nehmen. Das alles geschieht vor dem Hintergrund des Brexit und Corona und mitten in einem historischen Zinscanyon.

Eine freie und willige Person mit einem Profil von Fachwissen, sozialen Fähigkeiten und politischer Kompetenz ist schwierig zu finden. Die Verdienste sind in der freien Wirtschaft wesentlich höher, dagegen dürfte die Gestaltungs- und Machtfülle in Verbindung mit der öffentlichen Stellung anziehend wirkend.

Das Bundesfinanzministerium und die EU-Entscheider wissen, die Bafin- und EIOPA-Kugeln müssen sitzen, sonst droht ein Aufsichtsloch und die Verschleppung entscheidender Reformen.

Autor: Maximilian Volz

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