Finanzausschuss grillt Finanzminister Scholz wegen Wirecard
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Brandenburger Tor in Berlin. Quelle: Bild von ArtTower auf Pixabay

Die Bilanzmanipulationen beim Dax-Konzern Wirecard AG, der im Juni wegen Luftbuchungen über 1,9 Mrd. Euro Insolvenz anmelden musste, haben beim Finanzausschuss des Deutschen Bundestages die Alarmglocken schrillen gelassen. In einer bis zum Mittwochabend andauernden Sondersitzung des Finanzausschusses mussten sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Rolf Pohlig, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), den bohrenden Fragen der Finanzpolitiker stellen.

Ob es tatsächlich zu einem Untersuchungsausschuss kommen wird, ist noch offen. Dieser dürfte dann frühestens nach dem Ende der parlamentarischen Sommerpause beschlossen werden. Neben der Sondersitzung hatten alle vier Oppositionsparteien, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, die FDP und die AfD, Kleine Anfragen an das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in Sachen Wirecard und der Rolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gestellt.

Nach den bislang vorliegenden Antworten ist das Ministerium sehr bemüht, die chronologischen Abläufe bis zum Insolvenzantrag offenzulegen. Geht es allerdings um Interna bei Wirecard, verweist das Ministerium auf die Geheimschutzstelle des Bundestags. Hier darf der Abgeordnete zwar Einsicht nehmen, aber werden Kopien noch Notizen machen.

In der rund vierstündigen Befragung wiederholte Scholz sein Angebot, vollständige Transparenz um die Vorgänge bei dem Zahlungsdienstleister Wirecard herzustellen. Ein Verschulden bei der Aufsicht konnte Scholz weder bei seinem Ministerium noch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erkennen. Scholz äußerte sich nach der Sitzung im ZDF.

Formell war die BaFin nur für die Aufsicht der Wirecard Bank AG zuständig. Der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach präsentierte ein Organigramm von Wirecard, nach dem unter dem Konzerndach 56 Untergesellschaften angesiedelt waren. Scholz wurde von den Abgeordneten ein umfangreicher Fragenkatalog vorgelegt, den der Minister bis zum 10. August abarbeiten will. Kritisch sieht das Ministerium die Rolle der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die seit Jahren die Bilanzen von Wirecard ohne Beanstandungen testiert hatte.

Klare Worte fand noch vor der Sondersitzung der FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler: „Bei den Kleinen ist die Finanzaufsicht unbarmherzig und hart, bei den Großen ein zahnloser Tiger“.  Der FDP-Politiker wirft der BaFin vor, trotz der Insolvenz von Wirecard und der Erkenntnis, dass die Prüfstelle der DPR eine umfassende Prüfung nicht leisten könne, das Verfahren nicht an sich gezogen zu haben. „Ohne personelle Erneuerung bei der BaFin ist ein Neustart nicht möglich“, sagte Schäffler.

BaFin-Präsident Felix Hufeld war zu der Anhörung nicht eingeladen worden. Die Opposition hatte ursprünglich auf der Sondersitzung auch einen Vertreter des Bundeskanzleramtes befragen wollen. Weitere Sondersitzungen des Ausschusses erscheinen möglich. AfD und Die Linke plädieren allerdings für einen Untersuchungsausschuss. Auch die FDP hält einen Untersuchungsausschuss für denkbar.

Bündnis 90/Die Grünen wollen erst weitere Ergebnisse abwarten. Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses müssten 25 Prozent (178) der Abgeordneten stimmen. FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen verfügen über 216 Mandate. Eine Abstimmung mithilfe der AfD erscheint ausgeschlossen. Kommt es zu einem Untersuchungsausschuss, würde dieser wohl bis weit in das Wahljahr 2021 wirken. Dies könnte die Pläne von Scholz für eine SPD-Kanzlerkandidatur durchkreuzen.

Autor: Manfred Brüss

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