Verursacht Corona die größten Verluste der Versicherungsgeschichte?

Hank Williams auf Pixabay

Die Versicherungsunternehmen hadern mit den Folgen der globalen Corona-Pandemie. Die Schäden für die Branche dürften nach ersten Schätzungen wohl in die Milliarden gehen. So rechnet allein die Zurich mit einer Gesamtbelastung von rund 750 Mio. US-Dollar. Lloyd’s of London spricht gar vom größten Verlust in der Geschichte der Versicherungswirtschaft.

So beziffert der britische Versicherungsmarkt Lloyd’s den Schaden durch die Corona-Krise allein in diesem Jahr auf rund 203 Mrd. US-Dollar. Dabei setze sich diese Summe aus den Versicherungsschäden über 107 Mrd. US-Dollar und den Anlageverlusten von etwa 96 Mrd. US-Dollar zusammen.

Allein der Versicherungsschaden entspreche dabei ungefähr den Kosten der Hurrikan-Jahre 2005 („Katrina“, „Rita“ und „Wilma“) und 2017 („Harvey“, „Irma“ und „Maria“). „Ich glaube nicht, dass irgendjemand in unserer Branche schon erlebt hat, dass beides auf einmal passiert“, sagte der Chef des Londoner Versicherungsmarkts, John Neal, der Nachrichtenagentur Reuters.

Im eigenen Geschäft rechnet Lloyd’s zunächst mit Auszahlungen von bis zu 4,3 Mrd. Dollar bis Ende Juni. Jedes weitere Quartal mit Lockdown würde ein bis zwei Mrd. Dollar kosten, wird Lloyd’s-Chef Neal im Handelsblatt zitiert. Dies würde in etwa den Kosten der Terroranschläge vom 11. September 2001 von rund 4,7 Mrd. US-Dollar entsprechen.

Einen Großteil der Corona-bedingten Schäden erwartet Lloyd’s demnach aus der Absage von Großveranstaltungen wie den Olympischen Spielen, aus Betriebsunterbrechungs-Policen und aus der Warenkreditversicherung, die Lieferanten gegen den Ausfall von Zahlungen ihrer Kunden absichert. Lebensversicherungen seien in der Schätzung von Lloyd’s nicht enthalten.

Zudem ist das Parkett des britischen Versicherungsmarktes – erstmals in der über 300-jährigen Geschichte – seit Mitte März wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Neal geht bislang nicht davon aus, dass dieser vor August wieder geöffnet werden könne. Allerdings laufen alle Geschäfte über elektronische Plattformen. Dies laufe „supergut“, so Neal. So verbuchte Lloyd’s bislang noch keinen Rückgang der Nachfrage – eher im Gegenteil.

Quelle: Lloyds

Zurich rechnet für 2020 mit Gesamtbelastung von 750 Mio. US-Dollar

Die Zurich dürfte die globale Pandemie wohl ebenfalls teuer zu stehen kommen. So rechnet der Schweizer Versicherungskonzern in diesem Jahr mit einer Belastung von rund 750 Mio. US-Dollar. Davon entfallen bereits 280 Mio. auf die ersten drei Monate des laufenden Jahres.

„Die Schadenfälle in Zusammenhang mit dem Ausbruch von Covid-19 und die markanten Rückgänge an den Finanzmärkten gegen Ende des ersten Quartals werden wahrscheinlich die Gewinnzahlen des Jahres 2020 beeinflussen“.

George Quinn, Finanzvorstand der Zurich

Dennoch verlief das Geschäft in der Schaden- und Unfallsparte in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres durchaus positiv. So stiegen die Prämieneinnahmen um fünf Prozent auf 9,68 Mrd. US-Dollar. Gewachsen ist die Zurich dabei vor allem in der Marktregion Europa, Nahen Osten und Afrika (EMEA) sowie in Nordamerika.

In der Lebensparte gingen die Beitragseinnahmen indes im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 19 Prozent auf 958 Mio. Euro zurück. Die Zurich führt dies vor allem auf die ersten Auswirkungen der Coronakrise insbesondere in Asien und Brasilien zurück, wo sämtliche Vertriebskanäle mit Kundenkontakten auf Anordnung der Regierungen geschlossen worden seien.

Konzernchef Mario Greco gibt sich dennoch optimistisch: „Die Gruppe ist dank unseres flexiblen und widerstandsfähigen Geschäftsmodells gut für sich rasch verändernde Situationen und Anforderungen positioniert, um weiterhin erfolgreich zu sein.“

Allianz leidet unter Corona – Kreditversicherer fürchten globale Pleitewelle

Auch für andere Versicherer dürften die Auswirkungen der Corona-Pandemie ähnlich gravierend ausfallen. So verbuchte die Allianz im ersten Quartal 2020 einen satten Gewinnrückgang von 22,2 Prozent auf rund 2,304 Mrd. Euro. „Für die Gruppe rechne ich mit einer Belastung von rund zehn Prozent“, wird Finanzvorstand Giulio Terzariol im Handelsblatt zitiert. Zudem würden noch die Auswirkungen der Entwicklung an den Kapitalmärkten hinzukommen, die im Moment aber schwer kalkulierbar seien.

Insgesamt hat die Corona-Pandemie den Versicherer in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres bereits rund 700 Mio. Euro gekostet. Davon entfielen Unternehmensangaben zufolge rund 400 Mio. Euro auf die Schaden- und Unfallversicherung und etwa 300 Mio. Euro auf das Leben- und Kranken-Geschäft. Jeweils 200 Mio. Euro sind auf die Absage von Veranstaltungen und die Betriebsschließungspolicen zurückzuführen.

Damit steht die Allianz jedoch immer noch besser da als ihr französischer Konkurrent Axa. Wie der französische Konzern mitteilt, gingen die Beitragseinnahmen um neun Prozent auf 31,7 Mrd. Euro (VJ: 35,0 Mrd.) zurück. Demnach seien allein die Einnahmen im März wegen der Corona-Krise um fünf Prozent gesunken. Im April belief sich das Minus ersten Schätzungen zufolge sogar auf zwölf Prozent, betonte Finanzvorstand Etienne Bouas-Laurent.

Die Schäden aus der Absage von Veranstaltungen bezifferte Axa vorläufig auf einen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag vor Steuern. Mit Aussagen für das Gesamtjahr hielt sich der französische Versicherungskonzern jedoch zurück. Demnach sei es für eine präzise Ergebnisprognose noch zu früh.

Fatal dürften die Auswirkungen auch bei der Allianz-Tochter Euler Hermes ausfallen. Nach einem Quartalsgewinn von etwa 70 Mio. Euro rechnet der Kreditversicherer im weiteren Jahresverlauf aber mit keinem Gewinn mehr. So stiegen nicht nur die versicherten Zahlungsausfälle, sondern wegen des Wirtschaftseinbruchs gingen auch die Einnahmen im Geschäft zurück, wird Terzariol von der Deutschen Presseagentur (dpa) zitiert.

Zudem rechnet Euler Hermes für die Weltwirtschaft für 2020 mit der bislang größten Rezession (minus 3,3 Prozent) seit dem Zweiten Weltkrieg. Dies entspreche Verlusten beim globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von neun Billionen US-Dollar. So rechnet der Kreditversicherer mit einem Anstieg der weltweiten Insolvenzen um 20 Prozent, in den USA um 25 Prozent, Europa um 19 Prozent sowie in China mit einem Plus von 19 Prozent. Für Deutschland rechnet der das Unternehmen in diesem Jahr mit einem Anstieg der Firmenpleiten um mindestens zehn Prozent.

Ähnlich fatal sind auch die Aussichten des französischen Kreditversicherers Coface. So rechnen die Ökonomen rund um den Globus mit einem deutlichen Anstieg der Firmenpleiten. Rechnete der Kreditversicherer im Januar noch mit einem Anstieg von zwei Prozent, habe sich nun die Zahl verzehnfacht.

Quelle: Statista

Dies wäre laut Coface der stärkste Anstieg seit 2009 (29 Prozent), selbst wenn die Wirtschaft im dritten Quartal wieder langsam anspringen würde. Eine eventuelle zweite Corona-Welle in der zweiten Jahreshälfte ist dabei ebenfalls noch nicht mit eingerechnet. So erwartet der Kreditversicherer den größten Anstieg der Unternehmensinsolvenzen erwartet Coface in den USA mit plus 39 Prozent.

Alle westeuropäischen Länder wären betroffen, zusammen mit plus 18 Prozent. Im Einzelnen sieht Coface eine Steigerung für Deutschland um elf Prozent, Frankreich um 15 Prozent, Großbritannien um 33 Prozent, Spanien um 22 Prozent und Italien um 18 Prozent. Noch stärker als die Industrienationen wären nach Berechnungen der Coface-Analysten die Schwellenländer von den COVID-19-Folgen betroffen.

Rückversicherer trifft die Pandemie besonders hart

In einer ähnlichen Größenordnung ist auch die Munich Re von der Pandemie betroffen. So erwirtschaftete der Rückversicherer in den ersten drei Monaten des Jahres einen Gewinn von gerade einmal 221 Mio. Euro (VJ: 633 Mio.). Die Covid-19-bedingten Schäden von lagen bei etwa 800 Mio. Euro, was vor allem dem Ausfall von Großveranstaltungen geschuldet ist.

Die Gesamtbelastung durch Großschäden stieg dabei deutlich auf 1,181 Mrd. Euro (V: 479 Mio.). Die Belastung aus Naturkatastrophen lag bei nur leicht erhöhten 208 Mio. Euro (VJ: 193 Mio.). Die hohe Schadensbelastung schlug sich in der Schaden-Kosten-Quote der Rückversicherung nieder und lag zum 31. März 2020 bei 106 Prozent (VJ: 97,3 Prozent). Als wesentlichen Grund nannte der Münchener Konzern vor allem die Schäden aus der Absage bzw. Verschiebung von Großveranstaltungen im Zuge der Corona-Pandemie.

Gänzlich in die Verlustzone ist sogar die Swiss Re gerutscht: Der Schweizer Rückversicherer schrieb in den ersten drei Monaten des Jahres einen Verlust von 225 Mio. US-Dollar. Die Gründe: Die Folgen der Corona-Pandemie und eine höhere Schadenbelastung durch Naturkatastrophen als erwartet.

Dabei schlugen Unternehmensangaben zufolge vor allem die Verschiebung der Olympischen Sommerspiele von Tokio auf den Sommer 2021 sowie die Absage weiterer Großveranstaltungen und die Schadenbelastung durch Naturkatastrophen – allen voran Waldbrände, Hagelschäden und große Überschwemmungen vor allem in Australien – besonders zu Buche. Zum Vergleich: im ersten Quartal 2019 schrieb die Swiss Re noch einen Gewinn von 429 Mio. US-Dollar.

Die Nummer drei unter den Rückversicherern – die Hannover Rück – hat im ersten Quartal 2020 sowohl bei den Bruttobeitragseinnahmen als auch beim Gewinn zulegt. Auch in der Schaden-Rückversicherung konnte der niedersächsische Rückversicherer nach eigenen Angaben bei der letzten Erneuerungsrunde zulegen. Dennoch legt der Konzern rund 220 Mio. Euro für die Folgen der Pandemie zurück.

Deren Mutterkonzern Talanx ist trotz einer höheren Schadenbelastung mit dem Geschäftsverlauf im ersten Quartal 2020 noch weitgehend zufrieden. Die Belastung durch Großschäden lag demnach bei 435 Mio. Euro, im Jahr zuvor waren es 137 Mio. Euro. Davon betrugen Aufwendungen für Großschäden infolge der Corona-Pandemie 313 Mio. Euro vor Heranziehung des unterjährigen Großschadenbudgets. Dennoch wurde bereits im Vorfeld der Ergebnisausblick für das Gesamtjahr 2020 bereits im April zurückgenommen.

Schaden durch Subventionsbetrug in Millionenhöhe

Dem Staat seinerseits dürfte durch zahlreiche Fälle von Subventionsbetrug bei Corona-Soforthilfen ein Millionenschaden entstehen. Demnach haben Staatsanwaltschaften im ganzen Bundesgebiet nach Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung mindestens 536 Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Subventionsbetruges eingeleitet.

Allein in Nordrhein-Westfalen würden die Strafverfolger derzeit in mindestens 351 Verfahren ermitteln. Das ergab eine Umfrage, auf die 17 der 19 Ermittlungsbehörden geantwortet haben. Im Fokus stehen dabei vor allem Hartz-IV-Empfänger, Festangestellte und Beamte. Mehrfach wurden auch Firmen für Hilfsanträge genutzt, die nicht mehr aktiv sind oder die es gar nicht gibt. Der mögliche Schaden aus diesen Taten liegt bei geschätzten 3,5 Mio. Euro. Allerdings würde die Zahl der Fälle täglich weiter steigen.

Außerhalb von NRW sind mindestens 185 weitere Verfahren eingeleitet worden. Das ergab eine Umfrage unter Ermittlungsbehörden in ganz Deutschland. Allen voran Berlin: Hier sind derzeit mehr als 125 Verfahren mit einem geschätzten Schaden von 1,5 Mio. Euro anhängig. 

Hinzu kommt, dass die Corona-Pandemie den deutschen Fiskus härter treffen könnte als die Finanzkrise von 2009. So rechnen die Steuerschätzer nach Angaben des Bundesfinanzministeriums in diesem Jahr mit einem Rückgang der Steuereinnahmen von mehr als zehn Prozent auf 81,5 Mrd. Euro. Dabei entfällt allein auf den Bund ein Minus von 44 Mrd. Euro, auf die Länder von 35 Mrd. Euro und der Rest auf Kommunen sowie die Europäische Union (EU).

Quelle: Statista

Ganz zu schweigen davon, dass die Corona-Pandemie auch in den Kassen der gesetzlichen Sozialversicherung deutliche Spuren hinterlassen wird. Am stärksten dürfte sich die Krise bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) niederschlagen. So könnte sich deren Finanzpolster von 25,8 Mrd. Euro binnen Monaten in ein Defizit von 5,3 Mrd. Euro verwandeln, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf interne BA-Berechnungen.

Hinzu kommt, dass die Beitragseinnahmen der Sozialversicherung augenscheinlich deutlich eingebrochen ist. Demnach sind die Beitragseinnahmen für den Gesundheitsfonds, der das Geld an die Krankenkassen verteilt, nach Angaben des Bundesamtes für Soziale Sicherung im Vergleich zum April 2019 um etwa 5,4 Prozent oder rund 680 Mio.n Euro gesunken – nach vorläufigen internen Berechnungen. Die BA verzeichnete im April 2020 ein Minus von etwa 350 Mio. Euro. Und bei der Rentenversicherung gingen die vom Arbeitnehmerlöhnen abgezogenen Pflichtbeiträge von Februar auf März um rund 850 Mio. Euro zurück.

Die Krankenkassen fordern angesichts er bevorstehenden Mehrausgaben bereits staatliche Hilfe. „Ansonsten wären deutliche pandemiebedingte Beitragssatzanhebungen zulasten der Versicherten und Arbeitgeber die Folge, die mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes schädlich wären“, zitiert die Nachrichtenagentur.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zeigt sich dennoch optimistisch: „Trotz der Mindereinnahmen und aller Unsicherheiten wird deutlich: Dank der guten Haushaltspolitik der vergangenen Jahre ist die Corona-Krise finanziell zu bewältigen“. Ob dies auch für die Versicherungsbranche gilt, werden die kommenden Monate erweisen.

Autor: VW-Redaktion

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