Branchenpuls: Provinzial, Suezkanal, Allianz, DVAG, „Osterruhe“

Was lässt den Puls der Branche höher schlagen? Quelle: OpenClipart-Vectors auf Pixabay.

Mit Beginn der Karwoche sollte eigentlich auch die österliche Ruhe in die Unternehmensetagen einziehen. Die ursprünglich geplante „Osterruhe“ der Bundesregierung über die Feiertage hat jedoch vielmehr ein Beben im politischen Berlin ausgelöst. Und die Versicherer?

Was bisher geschah …

Unruhe herrscht derzeit auch bei der Provinzial. So steht Konzernchef Wolfgang Breuer derzeit im Visier der Justiz. Der Grund sind Altlasten aus der Zeit vor der Fusion. Der Vorwurf: Scheinselbstständigkeit. Laut eines Berichts des Manager Magazin soll die Provinzial Nordwest vor 2019 rund drei Dutzend Mitarbeiter in der IT-Abteilung als Scheinselbstständige beschäftigt haben. Damit habe die damalige Provinzial Nordwest unzulässigerweise einen mittleren einstelligen Millionenbetrag an Steuern und Sozialabgaben gespart. Mit rund 5.000 Klicks war der Beitrag das Topthema der vergangenen Woche bei VWheute.

Bei der deutschen Finanzaufsicht Bafin sorgten die Skandale bei Wirecard und der Bremer Skandalbank Greensill ebenfalls für erhebliche Unruhe: Nachdem Präsident Felix Hufeld und seine Stellvertreterin Elisabeth Roegele ihren Hut nehmen mussten, soll nun Mark Branson – bislang Direktor der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) – seinen Platz einnehmen. Mit ihm übernimmt ein ausgewiesener Bankenfachmann, der neben seiner Bankvergangenheit auch einen Versicherungsbackground vorweisen kann, den Job von Hufeld. Das Bundeskabinett hat den Vorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) vor wenigen Tagen bereits abgesegnet.

Für eine gewisse Unruhe sorgt derzeit auch der „Stau im Suezkanal“: Das Containerschiff  „Evergiven“ der Reederei „Evergreen“ ist auf Grund gelaufen und blockiert eine Route, durch die etwa zehn Prozent des Welthandels laufen. Das Schiff ist wohl wegen eines technischen Defektes auf Grund gelaufen. Noch ist der Versicherungsschaden unbekannt, für die Versicherer der „Evergiven“ und möglicherweise des Kanals dürfte es teuer werden.

So rechnete die Allianz vor wenigen Tagen vor, dass eine Blockade des wichtigen Seeweges jede Woche zwischen sechs und zehn Mrd. US-Dollar kosten würde. Besonders betroffen vom Schiffsunfall dürften laut Branchenkreisen auch die Kasko- und die Haftpflichtversicherung der japanischen Reederei Shoei Kisen sein, der das Schiff gehört. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters sind Schiffe einer solchen Größenordnung mit Beträgen zwischen 100 und 140 Mio. US-Dollar versichert. Eingeschlossen seien dabei Schäden am Schiffskörper und an den Maschinen, aber auch die Kosten der Bergung.

Teuer dürften auch die Folgen der Corona-Pandemie für die globale Weltwirtschaft werden: Der globale Produktionsverlust durch das Virus und die damit verbundenen Lockdowns beträgt laut Weltbank alleine für das Jahr 2020 4,5 Billionen US-Dollar. „Das alles klingt erschreckend“, schreibt Allianz-Vorstand Klaus-Peter Röhler in einem exklusiven Gastbeitrag für VWheute. Auf die deutsche Wirtschaft dürften alleine zwischen 2020 und 2022 Schäden von rund 405 Mrd. Euro zukommen, rechnet Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser vor.

Der Schutzschirm der Warenkreditversicherer wird nach Angaben des Branchenverbandes GDV allerdings nicht mehr verlängert werden. „Der gemeinsame Schutzschirm des Bundes und der Warenkreditversicherer läuft vereinbarungsgemäß am 30. Juni 2021 aus. Gespräche mit dem Bund über eine darüber hinausgehende Verlängerung gibt es derzeit nicht, eine erneute Verlängerung wird nicht angestrebt“, betonte Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), vor wenigen Tagen.

„Der im Frühjahr 2020 gespannte Schutzschirm war ein voller Erfolg. Zusammen haben Bund und Kreditversicherer das mit dem Schutzschirm verbundene Ziel erreicht, die im Zuge der Corona-Pandemie gefährdeten Lieferketten der deutschen Wirtschaft aufrechtzuerhalten. Im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld ist ein Kollaps der Lieferketten – auch dank der umfangreichen und zielgerichteten Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung für die deutsche Wirtschaft – aber nicht mehr zu befürchten. Damit entfällt der ursprüngliche Zweck des gemeinsamen Schutzschirms; Versicherungsschutz kann und sollte wieder ausschließlich auf Basis marktwirtschaftlicher Prinzipien zur Verfügung gestellt werden.“

Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)

Dass die einzelnen Versicherungskonzerne recht unterschiedlich durch die Krise kommen, zeigt das jüngste Beispiel der Gothaer: Am Jahresende 2020 stand unter dem Strich ein deutlicher Gewinneinbruch auf 72 Mio. Euro nach Steuern (2019: 115 Mio. Euro). Allein in der Betriebsschließungsversicherung seien auf Basis des bayerischen Kompromisses 1.318 Schäden mit 24,3 Mio. Euro reguliert worden. Dabei habe es laut Gothaer nur wenig Klagen gegeben. Alle Prozesse wurden gewonnen. Allerdings rechnet die Roland Rechtsschutz damit, dass die Leistungsfälle infolge der Pandemie in diesem Jahr anziehen werden – zum Beispiel, wenn es zu vermehrten Entlassungen und damit verbundenen Kündigungsschutzklagen kommt.

Was diese Woche jeder wissen muss

Wie sich die Corona-Pandemie bei der Deutschen Vermögensberatung (DVAG) ausgewirkt hat, gibt der Finanzdienstleister voraussichtlich am Dienstag bekannt. 2019 hatte das Unternehmen unter der Führung von Andreas Pohl noch ein Rekordjahr verzeichnet. Damals stieg der Umsatz spartenübergreifend um 19,4 Prozent auf über 1,87 Mrd. Euro. Wachstumstreiber waren die Investmentfonds um 25,8 Prozent auf 2,7 Mrd. Euro.

Für keine guten Schlagzeilen sorgte indes jüngst eine Kampagne mit positiven Fake-Bewertungen auf dem Bewertungsportal Trustpilot. Medienberichten zufolge hatte ein Frankfurter Direktionsleiter seine zugeordneten Vermögensberater aufgefordert, auf dem Bewertungsportal positive Bewertungen über die Generali abzugeben. Auswirkungen auf die Bilanz für 2020 dürfte dies aber wohl kaum haben.

Was über die Branchengrenzen hinaus wichtig ist

Die jüngsten Pläne der Bundesregierung für eine sogenannte „Osterruhe“ über die bevorstehenden Feiertage hatte vergangene Woche für erhebliche Kritik in der Öffentlichkeit gesorgt. Die ursprüngliche Idee auf dem nächtlichen Corona-Gipfel am vergangenen Montag: Das öffentliche Leben von Gründonnerstag bis Ostermontag weitestgehend herunterzufahren.

Dass die Vorschläge aus dem Kanzleramt allerdings nicht unbedingt mit der Lebensrealität zu tun hatte, zeigte die teils harsche Kritik auf die Beschlüsse am Morgen danach. Am Ende dauerte es nur einen Tag, dass die Bundesregierung wieder die Rolle rückwärts machte und die getroffenen Beschlüsse auf der Bund-Länder-Konferenz wieder zurücknahm. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) immerhin Grund genug, sich öffentlich bei der Bevölkerung zu entschuldigen und die alleinige Verantwortung für den umstrittenen Beschluss zu übernehmen.

Das Vertrauen in das Corona-Management der Bundesregierung hat durch das jüngste Debakel jedenfalls deutlich gelitten – mit gravierenden Folgen für die Unionsparteien, die in den vergangenen Tagen in der Wählergunst deutlich gelitten hat. Die Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag will die Kanzlerin aber nicht stellen.

„Ich glaube, dass wir alle Fortschritte erzielt haben in dieser Pandemie-Bekämpfung und Rückschläge erleben. Und wenn man in einer so angespannten und auch schwierigen Zeit einmal einen Fehler macht, dann muss man nicht aus Prinzip diesen Fehler immer weiter machen, sondern da muss man sagen, ich stoppe das.“

Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin

Deutlich gelitten hat in den vergangenen Wochen auch die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche in Deutschland. Eine wesentliche Ursache dafür dürfte unter anderem auch der Umgang mit dem Missbrauchsgutachten im Erzbistum Köln und die zweifelhafte Rolle von Rainer Maria Kardinal Woelki sein. Laut einer aktuellen Yougov-Umfrage sind demnach 82 Prozent der Deutschen der Meinung, dass die katholische Kirche in Deutschland innerhalb der letzten Monate an Glaubwürdigkeit verloren habe.

Knapp zwei von fünf der katholischen und evangelischen Kirchenmitglieder in Deutschland (39 Prozent) geben an, dass der intransparente Umgang der Kirche mit Missbrauchsvorwürfen für sie ein möglicher Grund für ihren Austritt aus der Kirche wäre. 38 Prozent nennen bestimmte und mit den ihrigen nicht übereinstimmende kirchliche Moral- und Gesellschaftsvorstellungen als möglichen Grund, 31 Prozent das Zahlen von Kirchensteuern. Für 30 Prozent wäre die Verschwendungssucht einzelner kirchlicher Amtsträger ein Grund des Austritts, und jeweils 27 Prozent sagen nicht (mehr) an die Kirche als Institution zu glauben und keine kirchlichen Angebote (z.B. Gottesdienste, Gemeindeveranstaltungen) zu nutzen.

Quelle: Statista

So bezeichnen sich 38 Prozent der über 18-Jährigen in Deutschland zwar selbst als gläubig. Das hat eine aktuelle Umfrage von Statista gemeinsam mit YouGov unter 1.969 Befragten verschiedener Religionen ergeben. Der Anteil der Frauen, die sich als religiös bezeichnen, ist mit 40 Prozent etwas höher als der Anteil der Männer (37 Prozent). Mehr als die Hälfte der Befragten bezeichnet sich jedoch als nicht gläubig (55 Prozent). Dennoch leiden die beiden großen Kirchen seit Jahren über die Austritte ihrer Schäfchen. Daran dürfte wohl auch nichts mehr ändern, dass die Kirchen an den Ostertagen – trotz Corona – weiterhin auch auf Präsenzgottesdienste setzen wollen.

Besondere Gedenk- und Feiertage in dieser Woche

1. April 2021: Neben den üblichen Aprilscherzen, mit denen die Mitmenschen gewöhnlich mit erfundenen Geschichten in die Irre geführt werden sollen, erinnern die Christen in aller Welt am Gründonnerstag an das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern. Er gilt gleichzeitig als Beginn des christlichen Osterfestes.

2. April 2021: Mit dem Karfreitag – dem höchsten christlichen Feiertag – wird an den Kreuztod Jesu erinnert. Es handelt sich dabei um einen sogenannten „stillen Feiertag“, der Christen auch als strenger Fast- und Abstinenztag gilt. In der katholischen Kirche finden an diesem Tag traditionell auch keine heiligen Messen statt.

3. April 2021: Am darauffolgenden Karsamstag wird an seine Grabesruhe erinnert: Diese endet mit dem Beginn der Osternacht nach Einbruch der Dunkelheit. In dieser Zeit – der sogenannten „Nacht der Nächte“ – wird der Auferstehung Jesu von den Toten und damit an den Durchgang vom Tod ins Leben erinnert.

4. April 2021: Am Ostersonntag wird im Christentum die Auferstehung Jesu am dritten Tage nach seinem Tod am Kreuz gefeiert. Diese wird im Neuen Testament bezeugt und verkündet. Am darauffolgenden Ostermontag (5. April 2021) stehen die Geschichten im Vordergrund, welche die Folgen und Auswirkungen der Auferstehung auf die Menschen behandeln.

Nicht wie geplant stattfinden wird nach dem jetzigen Stand hingegen die Jahreshauptversammlung der Commerzbank am 5. Mai 2021. Anlass ist der Rücktritt von Chefaufseher Andreas Schmitz am letzten Mittwoch. Mit ihm hat auch ein potenzieller Kandidat für die Nachfolge von Aufsichtsratschef Hans-Jörg Vetter sein Handtuch geworden. Der bisherige Chefkontrolleur von Deutschlands zweitgrößtem Bankhaus war bereits Anfang März überraschend aus gesundheitlichen Gründen von seinem Mandat zurückgetreten. Ein Insider traf gegenüber dem Handelsblatt klare Worte über die aktuellen Vorgänge bei der Commerzbank: „Das ist Chaos.“

Die Commerzbank steckt seit dem Sommer 2020 in der Führungskrise, als damals Vorstandschef Martin Zielke und Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann wegen eines Zerwürfnisses mit dem Großaktionär Ceberus überraschend ihren Abschied verkündeten. Der aktuelle CEO des Kreditinstitutes – der ehemalige Allianz-Deutschlandchef Manfred Knof – hatte dem Bankhaus jüngst einen harten Sanierungskurs verordnet, dem voraussichtlich rund 10.000 Stellen zum Opfer fallen sollen.

Strukturelle Veränderungen dürften in den kommenden Monaten und Jahren möglicherweise auch auf die Deutsche Bahn zukommen: Der Konzern hat im Geschäftsjahr 2020 wegen der coronabedingten Reisebeschränkungen einen Rekordverlust von 5,7 Mrd. Euro eingefahren. Zum Vergleich: 2019 lag der Reingewinn noch bei rund 700 Mio. Euro. Der Umsatz sackte um zehn Prozent auf weniger als 40 Mrd. Euro ab. In der Politik mehren sich nun die Stimmen nach einer Aufspaltung des Konzerns in einen staatlichen Teil mit dem Schienennetz (Brücke, Bahnhöfe und Gleise) und den Fahrbetrieb.

„Wir wollen als DB-Konzern ab 2022 wieder Gewinne schreiben. Um das zu erreichen, müssen wir auch unser umfangreiches Programm zur Gegensteuerung konsequent umsetzen. Klimafreundliche Mobilität bleibt eine Wachstumsgeschichte.“

Levin Holle, Vorstand Finanzen und Logistik, Deutsche Bahn AG

Auch die Lufthansa vermeldete jüngst infolge der verheerenden Folgen der Corona-Krise den größten Verlust in der langen Firmengeschichte: Am Jahresende stand ein Verlust von 6,7 Mrd. Euro in den Geschäftsbüchern der größten deutschen Airline. Zeitweise hatte das Unternehmen sogar vor der Pleite gestanden. Zum Vergleich: 2019 hatte die Lufthansa noch einen Gewinn von 1,2 Mrd. Euro erwirtschaftet.

Autor: Tobias Daniel

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