Schiffsstau im Suezkanal: Versicherern und Wirtschaft droht schwerer Schaden

Schiff wird im Suezkanal geschleppt. Quelle: https://www.suezcanal.gov.eg/

Stau im Kanal. Das Containerschiff  „Evergiven“ der Reederei „Evergreen“ ist auf Grund gelaufen und blockiert eine Route, durch die etwa zehn Prozent des Welthandels laufen. Das Schiff ist wohl wegen eines technischen Defektes auf Grund gelaufen. Noch ist der Versicherungsschaden unbekannt, für die Versicherer der „Evergiven“ und möglicherweise des Kanals dürfte es teuer werden. Eine Analyse.

Es ist nicht einfach, dass 400 Meter lange und 59 Meter breite Schiff im Suezkanal zu bewegen. An Bord des Containerschiffes kam es wohl zu einem Stromausfall, der zum Auflaufen führte. Von außen ist nicht zu analysieren, welche Art von Versicherung Anwendung findet.

Eine Hull and Machinery Insurance  umfasst grundsätzlich Schäden an der Hülle des Schiffes, den maschinellen Einrichtungen und den mit dem Schiff verbundenen Teilen, also Aufbauten oder Kränen. Die Evergiven muss aus dem Kanal geschleppt werden, was bedeutet, dass auch die P&I, Protection and Indemnity, zum Tragen kommen könnte. Liegt ein Totalschaden vor, wäre es ein P&I-Fall.

Im vorliegenden Falle ist es offensichtlich ein Partschaden, daher zahlt der Kaskoversicherer die Bergung. Ein Insider erklärt gegenüber VWheute, dass in diesem speziellen Fall auch die „General Average“ (Havarie) ausgerufen werden wird – oder schon ist – und dann die Kosten auf die beteiligten Parteien, Ladung plus Schiff und Bunker, von einem Average Adjuster allokiert werden.

Aus einem Sachschaden heraus werden auch die Folgekosten der Drittpartei entschädigt, dies jedoch nur bis zur Versicherungssumme des Schiffes. Inwiefern ein Sachschaden am Kanal entstanden ist, kann derzeit noch nicht gesagt werden. Ein reiner Verdienstausfall ist dagegen nicht Teil der Kaskodeckung, könnte allerdings von der Marine Liability-Deckung des Kanals ersetzt werden. Das könnte teuer werden. Nach Angaben von Schiffsreedereien und Maklern warten mehr als 100 Schiffe auf die Durchfahrt durch den Kanal, die Durchfahrtskosten richten sich nach der Größe des Objekts, sind aber in jedem Fall sechsstellig. Der ägyptische Staat nimmt jährlich etwa 4,5 Mrd. Euro mit dem Kanal ein.

Der Umfang des Problems

Der Stau kommt weltwirtschaftlich gesehen zu einem besonders schlechten Zeitpunkt, die weltweiten Lieferketten stehen unter Spannung. Sowohl die Auto- wie auch die Computerhersteller leiden unter einer weltweiten Chip-Knappheit. Diese wurde durch einen Brand in einer großen Chipfabrik letzte Woche in Japan noch verschlimmert. Dazu kommt, dass der Kälteeinbruch in Texas für Verzögerungen in den Häfen Kaliforniens gesorgt hatte – die Swiss Re war davon stark betroffen.

Das Unglück der „Evergiven“ ist kein Novum, aber eher selten. In den letzten zehn Jahren gab es weltweit über 200 gemeldete Grundberührungen von Containerschiffen im Kanal, was etwa zehn Prozent der Vorfälle mit Containerschiffen ausmacht. Grundberührungen sind die häufigste Ursache für Schiffsunfälle im Kanal – 25 in den letzten 10 Jahren oder ein Drittel aller Schiffsunfälle. Zusammen machen Grundberührungen, Kollisionen und Kontaktunfälle die Hälfte aller Schiffsunfälle im Suezkanal in den letzten zehn Jahren aus, insgesamt waren es 38. Neben den genannten Ursachen sind Maschinenschäden eine Hauptursache für Schiffsunfälle im Suezkanal – 21 Unfälle in den letzten zehn Jahren.

Sichere Sache

Insgesamt  hat der Suezkanal bei vielen Versicherern eine ausgezeichnete Sicherheitsbilanz. Zu Schiffsunfällen kommt es eher selten, wie die Safety&Shipping-Studie des Spezialversicherers AGCS zeigt. Vom Jahr 2010 bis 2020 gab es insgesamt 75 gemeldete Schiffsunfälle im Kanal bei einem Totalverlust. Mehr als ein Drittel der Vorfälle betraf Containerschiffe. Die Zahl der Unfälle ist in den letzten Jahren gefallen. Zwischen 2013 und 2016 gab es durchschnittlich zwölf Schiffsunfälle pro Jahr, der Zehn-Jahres-Durchschnitt liegt bei acht Vorfällen pro Jahr.

Zu dem genannten Totalverlust kam es im Jahr 2010. Es handelte sich um ein Frachtschiff namens Maryam, das nach der Beladung mit Bitumen sank.

Autor: VW-Redaktion

Ein Kommentar

  • Gerd E. Sablowski

    Zum richtigen Verständnis:
    General Average bedeutet richtig:
    Havarie-grosse (großer Schaden, verpflichtet zum gemeinsamen Tragen aller Kosten von Schiff, Ladung und Fracht, zur Errettung aus einer gemeinsamen Gefahr.
    Avarage Adjuster bedeutet richtig:
    Dispacheur (der die gesamten Kosten auf Schiff, Ladung und Fracht verteilt).

    Wäre schön gewesen, wenn Sie es so richtig dargestellt hätten, damit die Laien auch etwas davon verstehen. Und übrigens Beiträge zur großen Havarie kann auch den Privatmann* treffen, wenn er mit der Fähre über See fährt.

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