Branchenpuls: Bilanzen, Impfstoff, Munich Re, Ergo, Axa

Was lässt den Puls der Branche höher schlagen? Quelle: OpenClipart-Vectors auf Pixabay.
Corona dominiert in diesen Tagen – wie immer eigentlich – die Schlagzeilen. Während die Diskussion um den Impfstoff AstraZeneca weiter anhält, ziehen die Versicherer nun eine Bilanz des Corona-Jahres 2020. In der kommenden Woche öffnen mit der Axa, der Generali und der Munich Re gleich mehrere Schwergewichte ihre Geschäftsbücher.
Was bisher geschah …
In den vergangenen Tagen hatte der Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca immer wieder für Negativschlagzeilen gesorgt. Der Hintergrund: In Braunschweig und Emden hatten ungewöhnlich viele Klinikangestellte über Nebenwirkungen geklagt, berichtet die Online-Ausgabe der Welt. Allein in der Braunschweiger Klinik wurden 88 Beschäftigte damit geimpft. 37 davon wollten schließlich wegen „Impfreaktionen“ ihre Arbeit vorübergehend nicht antreten. Die weiteren Impfungen würden nun ausgesetzt, um den Betrieb nicht zu gefährden, ließ eine Kliniksprecherin wissen.
Wenig verwunderlich: Viele der bestellten Impfdosen bleiben bislang liegen: Demnach wurden von den bundesweit mehr als 736.000 Ampullen bislang nur 64.869 verwendet. Dies berichtete das Nachrichtenmagazin Spiegel Online unter Berufung auf das Robert-Koch-Institut (RKI). Dabei zögere gerade medizinisches Personal, sich mit dem Vakazin impfen zu lassen.
Die Bundeshauptstadt Berlin hat nun die Reißleine gezogen: Als Reaktion auf die öffentliche Debatte hat das Bundesland nun die Wahlfreiheit beim Impfstoff aufgehoben. „Bei AstraZeneca gibt es keine Wahlfreiheit“, sagte Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci am letzten Mittwoch. Zwar würden nach wie vor in den unterschiedlichen Impfzentren unterschiedliche Impfstoffe ausgegeben. Wer jünger als 65 Jahre sei, habe dabei aber keine freie Wahl, so die SPD-Politikerin.
Doch was bedeutet die Debatte für die Versicherer? Mit mehr als 40.000 Klicks war die Frage, ob AstraZeneca nun zu einem Schadenfall für die Branche wird, bei VWheute das Topthema der Woche.
In den Bilanzen hat sich das Thema aber – wenig überraschend – (noch) nicht niedergeschlagen. Besonders heftig hat es die Swiss Re getroffen. Corona und die Naturkatastrophen haben dem Schweizer Rückversicherer im Jahr 2020 einen deutlichen Verlust von 878 Mio. US-Dollar eingebrockt. 2019 stand noch ein Gewinn von 727 Mio. US-Dollar in den Büchern.
„Eine Pandemie wie Covid-19 hatten wir tatsächlich noch nie in dem Ausmaß. 1918 war sie sicher noch schlimmer, aber nicht in diesem modernen Umfeld, wo wir sehr viele medizinische Möglichkeiten haben. Wegen der Letalität und des Verbreitungsfaktors ist die Spanische Grippe dennoch sicher eines der Grundszenarien“, konstatierte Christoph Nabholz, Chief Research Officer beim Swiss Re Institute, daher jüngst im Interview mit der Wirtschaftswoche.
Die Allianz ist hingegen glimpflicher durch das Corona-Jahr 2020 gekommen. Demnach brach der Nettogewinn um 14 Prozent auf 6,8 Mrd. Euro ein, teile Europas größter Versicherungskonzern am Freitag in München mit. Der Umsatz des Konzerns sank leicht um 1,3 Prozent auf 140 Mrd. Euro. Die „negativen Covid-19-Effekte“ in der Bilanz beziffert der Versicherer derzeit auf 1,3 Mrd. Euro. Die Schaden-Kosten-Quote stieg im Jahr 2020 um 0,8 Prozentpunkte auf 96,3 Prozent. Deutlich besser lief es für die Vermögensverwaltung: Zum Jahresende verwaltete die Allianz insgesamt knapp 2,4 Billionen Euro eigenes und fremdes Gelder, was einen neuen Rekordwert bedeutet.
Deutlich besser als erwartet hat auch die Uniqa das Coronajahr 2020 abgeschlossen. Nun will der österreichische Versicherer seinen Aktionären doch eine Dividende zahlen. Den coronabedingten Schadenaufwand für Versicherungsleistungen beziffert die Uniqa auf rund 70 Mio. Euro. Trotz der erwähnten Sonderbelastungen stieg die Combined Ratio Unternehmensangaben zufolge nur um 1,3 Prozentpunkte auf 97,8 Prozent.
Dennoch dreht der Versicherungskonzern weiter an der Kostenschraube und will den kommenden Jahren rund 600 Stellen abbauen. Der Großteil der Jobs soll Unternehmensangaben zufolge am Heimatmarkt Österreich wegfallen, wo auch ein Drittel der Standorte geschlossen werden sollen. Für dies Restrukturierungsmaßnahmen hat der Versicherer im vierten Quartal 2020 eine einmalige Rückstellung über 110 Mio. Euro bereitgestellt. Derzeit beschäftigt die Uniqa allein in Österreich rund 6.000 Mitarbeiter.
Insgesamt scheinen die österreichischen Versicherer noch recht gut durch die Pandemie gekommen zu sein. Mit einem Rückgang von 1,4 Prozent beläuft sich das Prämienvolumen der Lebensversicherung 2020 auf rund 5,4 Mrd. Euro. Die laufenden Prämien sanken mit einem Aufkommen von 4,7 Mrd. Euro um 2,0 Prozent. Das Prämienvolumen der Schaden-Unfallversicherung (inklusive Kfz-Haftpflichtversicherung) wuchs 2020 auf 10,2 Mrd. Euro, was einem Plus von 2,6 Prozent entspricht.
„Erste Berechnungen zeigen für das Geschäftsjahr 2020 sowohl in der Krankenversicherung als auch in der Schaden-Unfallversicherung ein solides Prämienwachstum, in der Lebensversicherung gab es jedoch einen geringfügigen Rückgang der Prämienentwicklung. Insgesamt verzeichnete die österreichische Versicherungswirtschaft im vergangenen Jahr ein Wachstum der Prämieneinnahmen von 1,6 Prozent auf 18 Mrd. Euro.“
Louis Norman-Audenhove, Generalsekretär des österreichischen Versicherungsverbandes VVO
Die Leistungen in der Schaden-Unfallversicherung liegen mit 6,4 Mrd. Euro auch im Jahr 2020 auf hohem Niveau. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen sie ebenfalls um 2,6 Prozent. In der privaten Krankenversicherung wurden 2019 wurden Leistungen in Höhe von 1,4 Mrd. Euro ausbezahlt, was einem Rückgang von 3,2 Prozent entspricht. Nicht erfasst sind die Zuführungen zu Rückstellungen für künftige Leistungen bzw. Gewinnbeteiligungen. Die Prämieneinnahmen stiegen um 3,9 Prozent auf 2,4 Mrd. Euro.
Verstaubtes Versicherungsdeutsch: Wer spricht welche Sprache?
Verstaubt und antiquiert: Versicherer sind bekanntlich nicht gerade für eine klare Sprache bekannt. Am gestrigen Sonntag war der Internationale Tag der Muttersprache. Der Gedenktag soll nach Angaben der UNESCO die sprachliche und kulturelle Vielfalt sowie Mehrsprachigkeit fördern. Weltweit gibt es heute rund 6.500 Sprachen. Ein Problem stellt die Unterscheidbarkeit von Sprachen und Dialekten dar, die zum Teil stark voneinander abweichen können. So gibt es im Andenraum Südamerikas allein 39 verschiedene Quechua-Sprachen oder Dialekte.
Die meistgesprochene Sprache der Welt ist derzeit das chinesische Mandarin, das von rund 917 Millionen Menschen gesprochen wird. Auf Platz zwei steht Spanisch, mit 460 Millionen MuttersprachlerInnen weltweit, gefolgt von Englisch (379 Millionen) und Hindi, die Amtssprache Indiens (341 Millionen). Zum Vergleich: Deutsch wird lediglich von 76 Millionen Menschen als Muttersprache gesprochen. Gut die Hälfte aller weltweit gesprochenen Sprachen ist jedoch vom Aussterben bedroht.
Was diese Woche jeder wissen muss
Mit Spannung dürften die Branchenkenner daher auf die Bilanzzahlen der Axa und der Generali blicken. Die nüchternen Fakten des dritten Quartals 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum zeigen insgesamt ein leichtes Plus für den französischen Versicherer. Die P&C Revenues stiegen um zwei, die Health Revenues um vier Prozent. Die L&S net inflows stiegen um 0,9 Mrd. Euro, schreibt das Unternehmen. Interessant war der Hinweis, dass die Covid-19-Fälle nach wie vor bei 1,5 Mrd. Euro stehen.
Zum „momentanen Zeitpunkt“ erwartet Axa nur einen „limitierten Einfluss“ von mit Covid-19 in Verbindung stehenden Fällen aus der zweiten Welle. Die vorherige Schadenschätzung von 1,5 Mrd. Euro blieb bislang bestehen. Im Sektor Life & Savings gab es ein Minus von sechs Prozent, bei den Gross Revenues einen minimalen Rückgang.
Und die Munich Re? Der Rückversicherer rechnet – nach langem Schweigen – für das letzte Jahr mit einem deutlichen Gewinnrückgang. Wegen der gesamtwirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen durch Covid-19 sowie die erwarteten Belastungen durch Naturkatastrophen werde der Rückversicherer sein Gewinnziel von 2,8 Mrd. Euro für das Gesamtjahr 2020 nicht erreichen, begründete die Munich Re damals die Rücknahme ihrer Gewinnziele. Nun rechnet der Konzern für das laufende Jahr mit einem Überschuss von rund 1,2 Mrd. Euro. Analysten rechnen im Schnitt damit, dass der Konzerngewinn nach Steuern auf 1,3 Mrd. Euro (2019: 2,7 Mrd. Euro) eingebrochen ist.
Deutlich zufriedener dürfte die Munich Re mit der Geschäftsentwicklung mit der Konzerntochter Ergo sein. So dürfte der Gewinn in diesem Jahr bei rund 0,5 Mrd. Euro liegen (Ziel 2020: 530 Mio. Euro). Die Schadenbelastung durch Covid-19 und entgangene Prämien beziffert der Konzern auf rund 65 Mio. Euro. Die Schaden-Kostenquote dürfte bei 92 Prozent in Deutschland sowie bei 94 Prozent im internationalen Geschäft liegen.
„Wir wollen vor allem im Ausland noch stark wachsen und unsere Position in Deutschland weiter stärken. Wir haben ein belastbares Standbein im wachsenden Markt Indien und bauen in China unsere gute Position weiter aus.“
Markus Rieß, Vorstandsvorsitzender der Ergo
So eilt Konzernchef Markus Rieß der Ruf eines knallharten Sanierers voraus. „Ausruhen dürfen wir uns nicht“, kündigte er bereits im November 2020 an. Nachdem der ehemalige Deutschlandchef der Allianz Kosten gespart und Strukturen gestrafft hat, will der Düsseldorfer Versicherer wieder angreifen.
Die Ziele sind entsprechend ehrgeizig: „Wir haben in unseren Kernmärkten erstmals eine digitale Agenda mit harten Zielen und Kennzahlen verankert. Im Wesentlichen wollen wir uns daran messen lassen, wie hoch der Onlineanteil an den Verkäufen ist, wie viele unserer Produkte im Netz buchbar sind und wie gut unsere Marke digital sichtbar ist. Bis 2025 wollen wir bei diesen dann in der Versicherungsbranche vorn sein“, betont Ergo-Digitalchef Mark Klein gegenüber dem Handelsblatt.
„Ergo will bis 2025 digital führend in der Versicherungsbranche sein, sowohl in Deutschland als auch in unseren internationalen Kernmärkten. Dazu gehört auch, mittelfristig selbst zum Anbieter innovativer Technologien zu werden.“
Mark Klein, Chief Digital Officer der Group und Vorstandsvorsitzender der Ergo Digital Ventures AG
Allerdings sind die Schäden aus Naturkatastrophen nach Angaben der Munich Re im letzten Jahr deutlich gestiegen. So verbuchte der Rückversicherer für das Jahr 2020 einen wirtschaftlichen Schaden von insgesamt 210 Mrd. US-Dollar, einem Anstieg um 44 Mrd. US-Dollar gegenüber dem Vorjahr (2019: 166 Mrd. US-Dollar.). Dabei kam Europa noch recht glimpflich davon.
Deutlich positiver dürfte allerdings die Bilanz von MLP ausfallen. So hat der Finanzdiensteleister auf Basis vorläufiger Zahlen für das Geschäftsjahr 2020 ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von rund 59 Mio. Euro erzielt. Damit haben die Wieslocher sogar über den eigenen Zielsetzungen für das letzte Jahr zwischen 34 und 42 Mio. Euro deutlich übertroffen.
„Die Konsolidierungstendenzen und das Vermittlersterben in der Branche werden sich sicherlich trotz des kurzen Strohfeuers im letzten Quartal 2020 fortsetzen – und ich bin sicher, dass MLP auch weiterhin als Gewinner daraus hervorgehen wird.“
Oliver Liebermann, Vertriebsvorstand von MLP
Sehr erfreulich für die MLP-Granden, feiern diese doch 2021 das 50-jährige Jubiläum des Unternehmens. „Den Kern von MLP bildet nach wie vor die einzigartige Gründungsidee von Manfred Lautenschläger und seinem Partner Eicke Marschollek, die sich in unserer heutigen Aufstellung als Gesprächspartner in allen Finanzfragen widerspiegelt. MLP steht im Jubiläumsjahr auf einem breiten und gesunden wirtschaftlichen Fundament – dank unserer Leidenschaft für Finanzberatung, unseres hohen Anspruchs an Beratungsqualität, aber auch durch die systematische Stärkung des Konzerns“, betonte Vertriebsvorstand Oliver Liebermann jüngst im Exklusiv-Interview mit VWheute.
Was über die Branchengrenzen hinaus wichtig ist
Am Dienstag zieht die Bundesregierung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ihre Bilanz der Initiative „Wohnraumoffensive“. „Innerhalb von vier Jahren werden 1,5 Millionen neue Wohnungen im Bau oder fertiggestellt sein. Außerdem stehen Fördermittel für 100.000 neue Sozialwohnungen bereit“, hatte Seehofer jüngst gegenüber dpa betont.
Der Bundesvorsitzende der IG Bau, Robert Feiger, warnte: „Uns droht eine verschärfte soziale Wohnungsnot infolge dieser Pandemie.“ Zudem gebe es einen enormen Schwund an Sozialwohnungen: „43.000 Sozialwohnungen sind bundesweit in den vergangenen fünf Jahren vom Markt verschwunden – und zwar Jahr für Jahr.“
Allerdings könnten bis 2025 etwa 235.000 Wohnungen in innerstädtischen Bereichen aus bisherigen Büroflächen entstehen, wie das Kieler Bau-Beratungsinstitut Arge für das Bündnis „Soziales Wohnen“ errechnet hat – Homeoffice sei Dank. Die Versicherer dürften dabei ihren Teil dazu beitragen.
Die Zurich Deutschland ist kürzlich im großen Stil umgezogen, der Allianz-Leben steht das bevor, während sich die Axa Deutschland (weitgehend) in bekannten Flächen wandelt. Die Schwierigkeiten sind dieselben. Alle Unternehmen müssen sich mit den neuen Arbeitsrealitäten arrangieren.
Das beinhaltet mehr Homeoffice und Eigenverantwortung für den Einzelnen und im Gegenzug weniger Platzbedarf und Kontrolle für die Unternehmen. Praktisch vorausgesetzt wird eine lückenlose Technisierung im Home- und Festoffice.
Trotz des momentanen Homeoffice-Booms wollen „nur 6,4 Prozent der deutschen Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten ihre Büroflächen“ reduzieren, analysiert Helge Scheunemann, Head of Research Germany beim Immobilienunternehmen Jones Lang LaSalle (JLL).
Das sind doppelt gute Nachrichten für die Versicherer, die sich offenbar nicht unter den Reduktionswilligen befinden. Weder sind die umgebauten, neuen oder künftigen Zentralen überdimensioniert, noch befinden sich die Immobilieninvestments in unmittelbarer Gefahr.
Erfreulich dürfte aus Sicht der Versicherer auch der Umstand sein, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche 2020 gegenüber dem Vorjahr deutlich zurückgegangen ist. Nach 167.136 Wohnungseinbrüchen im Jahr 2015 war bereits ein jährlicher Rückgang bis auf 87.145 Fälle im Jahr 2019 registriert worden. Eine Umfrage in den Bundesländern bestätige den Trend, wonach sich ein historischer Tiefststand bei Wohnungseinbrüchen abzeichnet, hieß es jüngst in einem Bericht des Bundeskriminalamtes (BKA). Konkrete Fallzahlen für 2020 nannten die Kriminalisten hingegen noch nicht.
Autor: Tobias Daniel