Hybride Arbeit und wankende Büromärkte zwingen Axa, Zurich und Allianz zum Handeln

Zentrale der Zurich in Köln. Bildquelle: Zurich/Jörg_Seiler

Das Wort Krise setzt sich im Chinesischen aus zwei Schriftzeichen zusammen; Gefahr und Gelegenheit. Corona birgt definitiv Fährnis, doch der Branche bietet sich ebenfalls die Chance, die eigenen Arbeitsprozesse inhaltlich und räumlich an die Zukunft anzupassen. Das alles geschieht vor dem Hintergrund eines Immobilienmarktes, der zwischen Home-Office-Regression und jahrelangem Wachstum pendelt und somit eine Gefahr für die eigenen Investments birgt.

Unterschiedlicher könnten die Voraussetzungen nicht sein. Die Zurich Deutschland ist kürzlich im großen Stil umgezogen, der Allianz-Leben steht das bevor, während sich die Axa-Deutschland (weitgehend) in bekannten Flächen wandelt. Die Schwierigkeiten sind dieselben. Alle Unternehmen müssen sich mit den neuen Arbeitsrealitäten arrangieren. Das beinhaltet mehr Homeoffice und Eigenverantwortung für den Einzelnen und im Gegenzug weniger Platzbedarf und Kontrolle für die Unternehmen. Praktisch vorausgesetzt wird eine lückenlose Technisierung im Home- und Festoffice.

„Eine Bürolandschaft muss heute gut geplant sein, auch wenn vielleicht in Zukunft coronabedingt Plätze leer bleiben. Die Wohlfühlatmosphäre im Betrieb muss gegeben sein, dafür ist eine ansprechende Architektur und Platz wichtig“, erklärt Helge Scheunemann, Head of Research Germany beim Immobilienunternehmen Jones Lang LaSalle (JLL). Eine gute Planung ist nie verkehrt, doch was macht ein Unternehmen wie die Zurich Deutschland, die kurz vor der Krise in großem Umfang neue Flächen bezog und jetzt vor die neuen Gegebenheiten gestellt worden ist. Das Unternehmen hat 2018 ein neues Bürogebäude Namens Pollux in Frankfurt und 2019 den neuen Zurich Campus in Köln bezogen.

Zentrale der Zurich (Innenansicht). Copyright: Jörg Seiler

Beides sind Mietobjekte, in Summe rund 70.000 qm Bürofläche. Ob dieser große Platzbedarf in Home-Office-Zeiten noch angemessen ist, fragen sich viele große Unternehmen. „Die Zukunft der Arbeit ist hybrid“, bestätigt Scheunemann. Analysen zeigen, dass Arbeitnehmer „zwei von fünf Tagen“ von zuhause aus arbeiten wollen. Die Branche hat den Trend angenommen, auch beim GDV ist Homeoffice schon „Corona-Standard“, wie deren Geschäftsführer Jörg Asmussen erklärt. Die mit neuen Räumen ausgestattete Zurich will da nicht hintenanstehen.

„Die Büroflächen in den neuen Gebäuden wurden bereits weit vor Corona unter dem Aspekt der fortschreitenden Digitalisierung und flexibler Arbeitsweisen konzipiert und eingerichtet.“ Es wurde auf „modernste IT und „flexible Arbeitsmodelle“ gesetzt. Die Neu-Kölner waren überrascht, dass sich einige Unternehmen „erst mit und wegen Corona“ mit FlexWork oder Heimarbeit beschäftigt haben. Die Zahl der Arbeitsplätze wurde „der tatsächlichen Auslastung angepasst“. Im Unternehmen stehen für zehn Mitarbeitende rechnerisch rund acht Arbeitsplätze zur Verfügung. Ergänzt wird das Angebot mit „zahlreichen“ Rückzugs-, Meetings- und Kollaborationsflächen, die mit der Auslastung des Gebäudes „mitatmen“.

Sehr ähnlich hat sich auch die Axa Deutschland aufgestellt – analog zur französischen Konzernmutter. Flexibilität, Hierarchieauflösung und Lustbarkeit sind die Schlagworte. „Wer sich wohlfühlt und Freude an der Arbeit hat, ist produktiv, hat viele Ideen und schafft Innovation. Deshalb setzen wir auf offene Raumkonzepte, das Durchbrechen von Arbeitsroutinen und auf Kreativflächen. „Einzelbüros hätten „ausgedient“.

Axa-Zentrale (Innenansicht). Quelle: Axa

Auch bei der Zurich ist der Vorstandsvorsitzende nun einer von vielen und für jeden in den Arbeitswelten „direkt ansprechbar“, eine Vorstandsetage gibt es nicht mehr. Eine Nichtnutzung müssen die Unternehmen nicht befürchten. „Es gibt einen Trend zum Homeoffice, gleichzeitig versuchen die Unternehmen jedoch dem Fachkräftemangel zu begegnen. Der IFO-Beschäftigungsbarometer, der eine enge Korrelation zum Büroflächenbedarf hat, zeigt einen künftigen Bedarfsanstieg“, erklärt Scheunemann.

Die Zurich hat sich den Gegebenheiten in neuer Lokalität angepasst, die Axa sich im Bestehenden gewandelt – auch wenn der Standort Düsseldorf geschlossen worden ist. Damit liegt die Axa im Trend. „Die Unternehmen sind wegen Corona verunsichert. In solchen Zeiten neigen sie dazu, in ihren eigenen Flächen ‚zu bleiben‘ und Umzugspläne zu verschieben“, erklärt der Immobilienexperte Scheunemann. Statt dem Abbau von Flächen setzen 17 Prozent der Unternehmen lieber „auf den Umbau der Büros“, stimmt der IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer zu.

Vielleicht Stagnation, kein Kollaps

Das es nicht zu einem massiven Abbau von Büroflächen kommt, wie es zu Beginn der Krise beispielsweise in New York den Anschein hatte, ist für die Versicherer wichtig. In Nullzinszeiten haben sich viele Versicherer auf dem Immobilienmarkt eingekauft – prominent ist beispielsweise die Ideal. Ein Fehler waren die Immobilien-Investitionen nicht, denn die Mietpreise für Büros sind im Jahr 2020 entgegen vieler Erwartungen nicht gefallen, sondern „leicht gestiegen“, erklärt Voigtländer.Dennoch werden zukünftige Anlageentscheidungen vom „neuen Umfeld“ der Märkte bestimmt. Die Anleger „müssten akzeptieren“, dass die „große Unsicherheit“ noch „einige Zeit“ anhalten wird, analysiert M&G Global Real Estate. Der JLL-Experte Scheunemann beruhigt die Investoren. „Alleine in diesem Jahr laufen in den sieben größten Büromärkten Mietverträge mit 3,2 Mio. Quadratmetern aus, gleichzeitig beträgt der Leerstand dort lediglich 3,7 Prozent“, analysiert er.

Das geringe Angebot dürfte den coronabedingten Nachfragerückgang kompensieren, lautet seine Einschätzung. Alles in allem sehe sein Unternehmen „keinen Mietpreisverfall in den nächsten zwei bis drei Jahren.“ Etwas kritischer beurteilt Voigtländer den Markt, eine Stagnation „könne bevorstehen“, allerdings „kein Kollaps“.

Das wird die Allianz freuen, deren LV-Tochter hat in Stuttgart bereits in großem Stil die Bagger aus der Garage gefahren. Die vorbereitenden Arbeiten für den Neubau in der baden-württembergischen Landeshauptstadt laufen an, Corona hat den Zeitplan jedoch verzögert.

Künftiger Standort der Allianz in Stuttgart. Quelle: Allianz

„Unser Ziel ist es, spätestens ab 2025 mit Mitarbeitern von mehr als 20 Allianz Gesellschaften im Allianz Park in Stuttgart in Stuttgart-Vaihingen zu arbeiten“, schreibt das Unternehmen. Ob tatsächlich nur Corona die Bauarbeiten verzögerten, muss offen bleiben. Vielleicht haben auch die Opposition einer Bürgerinitiative und Verdi ihren Anteil daran.

Doch die Probleme sind offenbar Schnee von gestern. Aktuell hat die Stadt bekanntgegeben, dass die LBBW Immobilien‐Gruppe, eingebunden in den Verbund der Landesbank BaWü, in erste Gespräche zum Erwerb eines Teilgrundstückes des Allianz‐Geländes an der Heßbrühlstraße getreten ist. Die Landeshauptstadt will die Entwicklung des Innovationsparks „KI Baden‐Württemberg“ mit bis zu fünf Millionen Euro zu unterstützen. Die Allianz wird „wie geplant“ mit den Mitarbeitern einziehen, die aktuell an den verschiedenen Stuttgarter Betriebsstätten arbeiten. In den vergangenen Monaten hätten sich bei der Allianz allerdings „Homeoffice und virtuelle Austauschformate etabliert“, das auch nach Corona „nicht „mehr wegzudenken ist. Das wirke sich auf den Flächenbedarf am Allianz Park Stuttgart aus.

Die Allianz gibt also Fläche ab, auf die neuen Arbeitsrealitäten sei man vorbereitet. „Für die Allianz Deutschland haben wir uns mit dem Projekt zum „Neuen Arbeiten“ bereits in den vergangenen Jahren auf die flexible Arbeitswelt der Zukunft vorbereitet“. Bereits vor Corona gab es eine Betriebsvereinbarung, die jedem Mitarbeiter 40 Prozent Homeoffice-Arbeitszeit erlaube. Gleichwohl halte der Veränderungsprozess der Arbeitswelt auch bei der Allianz an.

Trotz des momentanen Home-Office-Booms wollen „nur 6,4 Prozent der deutschen Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten ihre Büroflächen“ reduzieren, analysiert Scheunemann. Das sind doppelt gute Nachrichten für die Versicherer, die sich offenbar nicht unter den Reduktionswilligen befinden. Weder sind die umgebauten, neuen oder künftigen Zentralen überdimensioniert, noch befinden sich die Immobilieninvestments in unmittelbarer Gefahr.

Autor: Maximilian Volz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

acht − sieben =