Konferenz der Versicherungsaufsicht: Grund und Kukies wollen den Provisionsdeckel mit aller Macht

Frank Grund, Exekutivdirektor Bafin. Quelle: Bernd Roselieb / Bafin.

Der Provisionsdeckel ist weiter Thema; sowohl Jörg Kukies wie auch Frank Grund sehen weiter Handlungsbedarf, ihr Argument ist IDD. Derweil soll bis Juli die Solvency-II-Anpassung in Kraft gesetzt werden, obwohl Jörg Asmussen und die Branche weiter um Änderungen feilschen. Von der Neuausrichtung der Bafin im Zuge des Wirecard-Skandals erwartet der Exekutivdirektor Grund „Rückenwind“, wie er auf der „Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht 2021“ erklärt.

Gute fünf Stunden wurde unter Führung der Bafin mit Gästen über Solvency-II, Provisionsdeckel und Wettbewerb gesprochen und debattiert. Entscheidender und wichtiger als die später veröffentlichten Statements waren die Zwischentöne der Beteiligten.

Die von EIOPA  vorgeschlagenen Solvency-II-Änderungen würden für die deutschen Lebensversicherer höheren Kapitalbedarf bedeuten – VWheute berichtete und analysierte die Vorschläge. In Stein gemeißelt sind die Änderungen derweil nicht. Er und sein Team würden weiter allen Beteiligten „zuhören“, versicherte der bei der EU für Solvency verantwortliche Didier Millerot. Er erklärte allerdings auch, dass die Vorschläge von EIOPA  im Prozess „eine hohe Relevanz“ besitzen. Das ist wenig verwunderlich, schließlich ist die Behörde eine von der EU gegründete Institution, die die Finanzaufsicht im Verbund mit den Ländern gewährleistet und bei Problemen Lösungen erarbeitet.

Mit den angedachten Solvency-II-Änderungen ist GDV-Geschäftsführer Jörg Asmussen nicht glücklich. Die „Neujustierung des Zinsrisikos“ sei nötig, da es diese bei der Einführung von Solvency II nicht gab. Die angedachten Änderungen, u.a. Extrapolation, würden aber zu einer „unreflektierten  Erhöhung der Kapitalanforderungen“ führen, dadurch gehe die „Balance“ verloren. Die mittels Solvency gebundenen Mittel könnten nicht bei Infrastrukturinvestitionen oder der Entwicklung von Innovationen eingesetzt werden, zudem gehe Wettbewerbsfähigkeit verloren.

„Unreflektierte Erhöhung der Kapitalanforderungen.“

GDV-Geschäftsführer Jörg Asmussen zu Aspekten der Solvency II-Anpassungen.

Deutschland ist nicht gleichbedeutend mit der EU, lautet das Grundproblem. Frank Grund erklärte, dass es auf Europaebene gesehen keine oder kaum zusätzliche Kapitalanforderungen gäbe, anders bei den hiesigen Häusern. Insbesondere das hohe Garantiegeschäft der Vergangenheit belaste die Versicherer, erklärte er an einer anderen Stelle der Veranstaltung. Bei dem von Asmussen aufgebrachten Punkt der Wettbewerbsfähigkeit schritt Millerot ein. Ob Wettbewerbsfähigkeit durch eine Erleichterung der Regeln oder ein anspruchsvolles und qualitätsförderndes Regime wir Solvency entstehe, sei die Frage. An diesem Punkt werden die unterschiedlichen Ansichten von Aufsicht und Wirtschaft deutlich. Der Aufseher hat einen langfristig-qualitativen, die Wirtschaft einen (nicht ganz so) langfristig-wettbewerbsrechtlichen Blick auf die Solvency-Frage. Das gilt speziell gegenüber den Briten, die sich mit dem Brexit der Solvency-Regeln entledigt haben.

ZZR und das Scheinzinshoch

Eine finanzielle Entlastung der Versicherer wird es auch an anderer Stelle erst einmal nicht geben, erklärt BaFin-Abteilungsleiter Dr. Kay-Uwe Schaumlöffel in einem der guten Impulsvorträge. Der Aufwand für die Zinszusatzreserve bleibe „die nächsten Jahre“ hoch.

Quelle: Bafin

Die von einigen Versicherern erhoffte Zinswende ist ein Spiel um den Nullpunkt herum. Die Auswirkungen auf die Kapitalanforderungen der Versicherer seien „gering“. Die Corona-Pandemie hätten die Versicherer gut überstanden, die erhöhte Sterblichkeit wegen Corona wurde durch Faktoren wie geringe Grippetote „nahezu ausgeglichen“.

Quelle: Bafin

Einige Unternehmen haben zuletzt hohes Einmalbeitragsgeschäft gezeichnet – teilweise dreistellig. Frank Grund zog bei der Frage danach die Stirn kraus: „Das macht uns Sorgen, das lassen wir uns von den Unternehmen im Detail erklären.“ Er schränkt aber ein, dass es auf die Vertragsgestaltung ankomme. Nicht jedes Einmalgeschäft sei gleich ein Problem.

Heute wird das Bundesverwaltungsgericht darüber entscheiden, welche Befugnisse der BaFin bei der Aufsicht über Erstversicherungsunternehmen zustehen. Frank Grund zeigte sich optimistisch, dass das Gericht die Position der Behörde stärken wird. VWheute wird berichten.

Umbau der Bafin und Warnung

Kürzlich warnte Grund, dass die Versicherer hierzulande Probleme bekämen, wenn die Übergangsmaßnahmen von Solvency II auslaufen. Davon rückte er nicht ab. Die Aufsicht werde sehr genau schauen, „wer im Jahr 2032 noch zum Neugeschäft fähig sei“. Die gewährten Garantien gegenüber den Kunden mit klassischen Altverträgen wären aber sicher. Dass es für diese Kunden allerdings kaum darüber hinaus gehende Zuwendungen gebe, hatte zuvor Schaumlöffel ausgeführt.

Im Zuge des Wirecard-Skandals geriet die Bafin erheblich unter Druck. Sie sei zu nachsichtig und langsam vorgegangen, der Chef Felix Hufeld musste gehen, Mark Branson kommt. Die Behörde soll schlagkräftiger und technisch versierter werden. Die wirecardbedingten Änderungen werden die versicherungsrechtliche Arbeit „nicht beeinflussen“, stellt Grund klar. Von der neuen personellen Ausstattung der Bafin, 155 neue Stellen werden geschaffen, erhält der Bereich der Versicherungs- und Pensionskassen genau zwei. Sehr wohl erwartet Grund allerdings, dass die implementierten Mechanismen –  mehr datenbasierte Aufsicht, eigene Ermittlerteams, (daten-)forensische Ermittlungsmethoden – auch bei der Versicherungsaufsicht zu Verbesserungen führen.  Beim aufwendigen Reporting, über das sich viele Versicherer beschweren, erwartet der oberste Versicherungsaufseher Entlastung durch die Digitalisierung.

Beim Provisionsdeckel gibt es wenig Neues zu berichten. Sowohl Finanzministerium wie Bafin sind weiter dafür. Das Motiv für den Veränderungswillen an dieser Stelle sind hohe Kundenbelastungen, Beratungsfehlanreize und die Vorgabe durch IDD, erklärten Grund und Kukies unisono. Einen wichtigen und künftig zu beobachtenden Aspekt zum Thema brachte Axel Oster, Abteilungsleiter Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht Bafin, in die Diskussion ein. Im Produktfreigabeverfahren spiele die Frage der Provisierung ebenfalls eine Rolle, auch wenn beide Aspekte formal getrennt seien. Ein Eingriff der Aufsicht über diesen Weg scheint nicht ausgeschlossen. Osters Ausführungen zu einer entsprechenden Frage blieben uneindeutig. Grundsätzlich sind die Produktgeber bei der Provisionsfrage „in der Pflicht“, erklärt er. Die Appelle der Aufsicht nach einer geringeren Provisionierung seien verhallt, es wurde „nicht reagiert“. Ganz ähnlich äußerte sich später auch Grund.

Am Ende war die reibungslos verlaufende Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht ein Erfolg. Ein Erkenntnisgewinn auf allen Seiten und lebhafte Diskussionen prägten das Event. Alle Augen sind jetzt nach Brüssel und Berlin gerichtet. Im Juli fällt (voraussichtlich) die Solvency-II-Entscheidung und nach der Bundestagswahl im September wird der Provisionsdeckel wieder Thema – dafür sorgt alleine schon die momentane Stärke und Ausrichtung der Grünen und ihrer Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock.

Autor: Maximilian Volz