Sturm voraus: Analyst sieht Gefahr für Allianz

Ziehen für die Allianz dunkle Wolken am Horizont auf? Bild von Free-Photos auf Pixabay

Der Münchener Versicherer erzielt 2019 ein operatives Ergebnis von 11,9 Mrd. Euro – der fünfte Anstieg in Folge. Kann so ein Unternehmen Zukunftsprobleme haben? Ja, sagt der Analyst Global Data, das Unternehmen sei zu abhängig von der Lebensversicherung und die Betriebsschließungsversicherung wäre eine stetige Gefahr.

Der Konzern wäre zu abhängig von „riskanten Produkten“, dem europäischen Markt und speziell der Lebensversicherung, was sich auf die kurzfristigen Wachstumsaussichten auswirken würde, schreibt Global Data. Dreiviertel des Geschäfts würden die Münchener in Europa verdienen, zu viel, glaubt der Analyst.

Speziell die LV-Abhängigkeit würde die Anfälligkeit für Marktschwankungen im laufenden Jahr erhöhen. Erschwert werde die Situation durch niedrige Investmentmargen und ansteigende, „verzögerte Abschlusskosten („deferred acquisition costs“).

Die Allianz, die den deutschen Lebensversicherungsmarkt dominiert, widerspricht der These des Analysten: Das Geschäft der Allianz Life zeige sich im derzeitigen schwierigen Umfeld“ weiterhin widerstandsfähig“. Der Geschäftsmix habe es dem Unternehmen ermöglicht, ein Rentabilitätsniveau zu halten, das den „offengelegten Ambitionen entspricht“ und seinen Kunden „höhere Renditen in Verbindung mit finanzieller Absicherung“ bietet, erklärt ein Sprecher

Auch für die Zukunft sieht sich das Unternehmen gut aufgestellt. „Während in der ersten Jahreshälfte 2020 einige kurzfristige Auswirkungen auf die Ergebnisse zu beobachten gewesen waren, […] ist die Gruppe durch die anhaltende Leistung der bestehenden Portfolios in entwickelten Märkten, die wachsende Präsenz in Asien und die Strategie der Geschäftsvereinfachung am besten […] positioniert, um auf das gestiegene Risikobewusstsein und die Gesundheitsvorsorge der Kunden zu reagieren“, schreibt das Unternehmen auf Anfrage.

Ganz von der Hand zu weisen ist die Analyse von Global Data nicht, es gab tatsächlich „einige kurzfristige Auswirkungen auf die Ergebnisse“. Das Operative Ergebnis im ersten und zweiten Quartal sank gegenüber dem Vorjahr, sodass beim Halbjahresvergleich ein Rückgang von 20,5 Prozent festzuhalten ist. Allerdings befindet sich die Welt in einer Pandemie, was ein global handelndes Unternehmen wie die Allianz hart trifft. Der Vorstand Thomas Wiesemann hatte das bereits im April eingeräumt. Es war ein Rückgang im ersten Halbjahr zu beobachten, doch das operatives Ergebnis betrug 4,9 Mrd. Euro.

Niedrige Zinsen, geschlossene Pensionskasse

Ein weiteres und anhaltendes Problem für die Allianz, und jedes andere Finanzunternehmen, sind die Niedrigzinsen. Die geringen Zinserträge sorgen dafür, dass die Allianz aktuell die Presse-Pensionskasse für das Neugeschäft geschlossen hat. Zwar soll sich für die rund 20.000 Bestandskunden nichts ändern, doch es zeigt die Probleme der Pensionskassen und der Altersvorsorge-Anbieter, der sich auch die Allianz nicht verschließen kann. Die berichtende SZ hatte nachgefragt, ob die Allianz die gesamte Pensionskasse schließen wird, ein Sprecher verneinte.

Die Schwierigkeiten der Pensionskassen sind wohl dokumentiert und bereiten Frank Grund, Exekutivdirektor der Bafin, die eine oder andere Sorgenfalte. Zuletzt hatte die Sparkasse ein großes Pensionskassen-Finanzierungsloch eingestanden und dreistellig Millionen bereitstellen müssen. Dass selbst die tieftaschige Allianz die Pensionskassenlage spürt, ist kein gutes Zeichen für die Branche und eine Bestätigung der Analyse von Global Data, dass Größe und Marktmacht helfen, aber keine Unverwundbarkeit verleihen.

Die BSV als Zeitbombe

Der Ausfall von Veranstaltungen und die Betriebsschließungsversicherung (BSV) sind weitere Felder, in der die Allianz Probleme bekommen wird, glaubt Deblina Mitra, Insurance Analyst bei Global Data. Offene BSV-Fälle in den USA und GB könnten einen Präzedenzfall schaffen und das Unternehmen langfristig belasten.

Die Allianz ist sich des Problems bewusst. „Es ist richtig, dass die AGCS eine große Anzahl von COVID-19-Schäden, hauptsächlich aus dem Entertainment-Bereich verzeichnet. Die meisten Ansprüche kommen aus den USA oder Großbritannien oder Deutschland. Im zweiten Quartal 2020 haben wir eine Schadenbelastung von 488 Mio. Euro vermeldet, mit Entertainment-Schäden als Haupttreiber.„Die genannten Belastungen im Entertainment-Bereich“ hat auch Hans-Jörg Mauthe, Verantwortlicher für das AGCS-Geschäft in Central & Eastern Europe, im Interview bestätigt.

Für Betriebsunterbrechungsdeckungen rechnet die AGCS „nicht mit hohen Schäden“, weil diese 2typischer Weise an einen Sachschäden-Auslöser gebunden sind“. Tatsächlich stellen sich die Gerichte in den USA tendenziell eher auf die Seite der Versicherer, eine Garantie ist das aber natürlich nicht.

Auf- oder Abbruch?

Was soll nun geschehen, business as usual bei der Allianz oder soll CEO Oliver Bäte noch einmal durchkehren und dann die Zentrale abschließen? Weder noch, die Allianz ist digital gut aufgestellt und kann mit den derzeitigen Begebenheiten am Markt umgehen, erklärt Frau Mitra am Ende ihrer Analyse. Das Unternehmen entwickle Plattformlösungen, um auch im Lockout Kunden und Verkauf aufrechtzuerhalten. Zudem investiere die Allianz in Insurtechs und mobile Apps, um auch künftig gut aufgestellt zu sein.

Die Münchener wissen selbst am besten, dass die Erfolge der Vergangenheit kein Versprechen für die Zukunft sind. Nimmermüde baut CEO Oliver Bäte an seiner Vorstellung der Allianz von morgen und sorgt für stetigen (personellen) Wandel, dem sich das Unternehmen stellen muss. In der kommenden Versicherungswirtschaft können Sie lesen, wie er die AGCS auf Erfolg trimmen will; soviel sei verraten, es wird nicht gekleckert.

Überhaupt scheut Bäte keine harten Entscheidungen, wenn nötig, dann wird gehandelt. So rückt beispielsweise Joachim Müller zum CEO der strauchelnden AGCS auf und ersetzt Chris Fischer Hirs, was umfangreiche Umbauten bei der Allianz Deutschland und der Gruppe zur Folge hatte. Diese betrafen unter anderem den Deutschland-Chef Klaus-Peter Röhler, der zusätzliche Aufgaben erhielt. Doch auch das ihn umgebende Group-Management schont und scheut Bäte nicht, wenn er Änderungsbedarf sieht. Das alles klingt nicht nach einem satten und faulen Konzern, der sich auf den Milliardengewinnen der Vergangenheit ausruht.

Auch stetige Investition in die Zukunft, Wandlungswille und die wohl tiefsten Taschen am Markt sind keine Garantie für eine florierende Zukunft, aber mindestens eine solide Basis.

Autor: Maximilian Volz

Ein Kommentar

  • Komisch, dass in dem Zusammenhang gar nicht die Entwicklung der Solvenzquote der Allianz Leben in D 2019 thematisiert wurde….

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