Branchenpuls: Impfhelfer, Talanx, R+V, Landtagswahlen
Die öffentliche Debatte um das „Impfdesaster“ der Bundesregierung hat nun auch die Versicherungsbranche erreicht. Einige Branchenplayer wollen den Schutz ihrer Mitarbeiter nun in die eigene Hand nehmen. Wie sich die politische Stimmungslage derzeit an der Urne widerspiegelt, zeigt heute der Ausgang der Landtagswahlen im Südwesten der Republik.
Was bisher geschah …
„Impfdesaster“, „-dilemma“ oder gar „Staatsversagen“: Der mediale Widerhall zur aktuellen Impflage in Deutschland ist in deutschen Medien eindeutig. Auch bei den Versicherern scheint das aktuelle Debakel zunehmend zum Ärgernis zu werden: So hätten die aktuellen Verspätungen beim Impfen bereits jetzt „erhebliche ökonomische Auswirkungen“, konstatierte Allianz-Chef Oliver Bäte jüngst im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).
So verwundert es nicht, dass die Versicherer dieses Spiel zu ihren Ungunsten nicht mehr mitspielen wollen und ihre eigenen Initiativen starten. Die Branche ist bereits sehr weit, scheinbar traf die Impfzeitlupe die Häuser weder unvermittelt noch unvorbereitet. Den Häusern kommt zugute, dass sie bereits in der Vergangenheit Impferfahrungen sammelte. In den Genuss der Hilfe kommen sowohl Außen- wie auch Innendienst, wie auch (teilweise) die Familien. Eine entsprechende Umfrage von VWheute bei den Branchengiganten Zurich, Generali, Allianz, R+V sowie der DVAG war daher mit mehr als 32.000 Klicks auch das Topthema der Woche.
Bei Lesern stößt deren Engagement jedenfalls auf ein geteiltes Echo: „Ausgerechnet die ‚Industrie‘, die in Anbetracht der nahezu 90-prozentigen Home-Office-Möglichkeiten am wenigsten gefährdet ist, will offenbar nach dem Motto ‚America – sorry Insurance first‘ verfahren“, glaubt Leser Erich Hartmann. „Es geht darum, dass alle so schnell wie möglich geimpft werden, die es möchten. Wenn Kapazitäten vorhanden sind, die über Impfzentren oder Hausärzte nicht mehr verimpft werden können, dann sollte man so viel zusätzlich verimpfen, wie es geht. Und dass die Versicherer dann auch die Kosten für die MA-Impfung übernehmen, entlastet die Gemeinschaftskassen zusätzlich. Es geht nicht ums vordrängeln. Je schneller die Bevölkerung geimpft wird, desto eher läuft es für uns alle wieder normaler“, meint hingegen Leserin Tina. Bislang wurden in Deutschland jedenfalls rund 8,9 Millionen Menschen gegen das Coronavirus geimpft (Stand 14. März 2021).
Keinen Impfstoff dürfte es hingegen für die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie geben, die sich weiterhin wie ein roter Faden durch die Bilanzen der Versicherer zieht. So brach allein bei der Generali der Gewinn im Corona-Jahr 2020 um gut ein Drittel ein. Ähnlich deutlich fielen auch die Zahlen bei der Hannover Rück aus: So brach der Konzerngewinn beim Rückversicherer gegenüber dem Vorjahr zwar um 31,2 Prozent auf 883,1 Mio. Euro (2019: 1.284,2 Mio. Euro) ein. Dennoch wurden die eigenen Gewinnerwartungen von 800 Mio. Euro damit noch deutlich übertroffen. Die Anteilseigner sollen eine höhere Basisdividende von 4,50 Euro je Aktie bekommen.
Was diese Woche jeder wissen muss
Auch bei der Konzernmutter Talanx dürften die Folgen der Pandemie deutliche Spuren hinterlassen. So schließt der niedersächsische Versicherer das letzte Jahr mit einem Gewinn von 673 Mio. Euro (2019: 923 Mio. Euro) ab. Damit übertraf der Konzern immerhin seine eigene Gewinnprognose von 600 Mio. Euro. Ohne Corona hätte der Versicherer sein Rekordergebnis von 2019 aber noch übertroffen.
„Noch mal deutlich gesagt: Auch Pandemiefolgen sind über die BSV versicherbar, nicht aber flächendeckende Betriebsschließungen auf der Grundlage von Allgemeinverfügungen. Hier versagt das Produktionsgesetz der Assekuranz, nämlich der statische Ausgleich im Kollektiv.“
Immo Querner, ehemaliger Finanzvorstand der Talanx im August 2020
Allein die Schäden infolge der Corona-Pandemie summierten sich Unternehmensangaben zufolge insbesondere in den Geschäftsbereichen Industrie- und Rückversicherung sowie Privat- und Firmenversicherung Deutschland auf 1,5 Mrd. Euro. Die größten Naturkatastrophen-Schäden verursachten der Hurrikan „Laura“ (103 Mio. Euro), der Hagelsturm „Derecho“ (84 Mio. Euro) und der Tornado „Nashville“ (47 Mio. Euro) in den USA. Die Schäden für die Brandkatastrophe von Beirut bezifferte die Talanx bereits im August 2020 auf einen niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Konkrete Zahlen legt der Versicherungskonzern in der heutigen Bilanzpressekonferenz vor.
Am kommenden Donnerstag gibt die Deutsche Familienversicherung (DFV) im Rahmen ihrer virtuellen Bilanzpressekonferenz weitere Details zu ihrer Geschäftsbilanz für 2020 vor. So lag das Prämienvolumen 2020 bei 29,3 Mio. Euro (2019: 29,9 Mio.). Wegen des pandemiebedingten Rückgangs in der Auslandskrankenversicherung fiel die Anzahl der bis Ende des Jahres akquirierten Verträge mit 90.389 Policen geringer aus als geplant.
Der Gesamtvertragsbestand stieg Unternehmensangaben zufolge auf rund 553.000 Verträge (2019: 514.000 Verträge). Darin enthalten sind rund 35.988 Verträge aus dem nicht mehr zum Kerngeschäft der DFV gehörenden Elektronikversicherungsgeschäft, die sich derzeit im Run-off befinden.
Deutlich besser dürfte an diesem Freitag jedoch die Bilanz der R+V Versicherung ausfallen. Das Beitragsvolumen stieg demnach 2020 um 8,3 Prozent auf 19,9 Mrd. Euro. Die Versichertengemeinschaft des Wiesbadener Versicherers ist zudem um 105.000 auf 8,9 Millionen gewachsen.
„Insgesamt würde ich von einem ordentlichen Geschäftsjahr sprechen. Wir haben einige Schäden, weil wir in den Sparten engagiert sind, die von der Pandemie betroffen sind. Wir haben Schäden durch Betriebsschließungen, sind einer der führenden Kreditversicherer und sichern Veranstaltungen, die Reisebranche und auch Kurzarbeit in unseren Restschuldversicherungen ab.“
Norbert Rollinger, Vorstandsvorsitzender der R+V Versicherung
Im Streit um die Betriebsschließungsversicherung sind laut R+V-Vorstandschef Norbert Rollinger „aktuell 26 Klagen anhängig. Vier Klagen sind inzwischen entschieden – drei sind abgewiesen worden und eine hat
der Kläger zurückgezogen.“ Seine Position ist indes klar: „Wir haben sehr klare Bedingungen. Wir haben die Viren enumerativ aufgezählt und nicht pauschal auf das Infektionsschutzgesetz verwiesen. Wir sind sehr zuversichtlich, dass die anderen Klagen auch so entschieden werden“.
Über Folgen und Ausschlüsse geht es heute und morgen bei der virtuellen GVNW Fachtagung über die Zukunftsperspektiven der Cyberversicherung. Dabei gehören die entsprechenden Policen noch immer zu den Nischenprodukten der Versicherungsbranche. Gerade kleine und mittlere Unternehmen scheinen sich mit diesen Policen wohl noch schwer zu tun – vor allem, da das Cyberrisiko sehr von dem Grad der Digitalisierung und dem Reifegrad der Cyber-Schutz Maßnahmen abhängt.
„Daher treffen die Anbieter von Cyberversicherungen bei kleinen und mittelständischen Unternehmen häufig auf eine Reihe von Vorbehalten“, glaubt Michael Teschner von Veronym. Dabei sind entsprechende Schutzvorkehrungen gegen die Gefahren aus der virtuellen Welt wichtiger denn je. Laut jüngstem Axa Future Risks Report steht die Furcht vor Pandemien nicht ganz oben auf der Liste der größten Risiken. Vielmehr sind der Klimawandel, Cyberrisiken und geopolitische Instabilität die drei meistgenannten Zukunftsrisiken in Deutschland.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen übrigens auch der jüngste Risiko-Report des Weltwirtschaftsforums (WEF). Mit Blick auf das nächste Jahrzehnt dominieren auch hier Umweltrisiken, bezogen auf Auswirkungen und Eintrittswahrscheinlichkeit, so die Studienautoren von Marsh und der Zurich. Gesellschaftliche Brüche, Unsicherheiten und Ängste werden es demnach schwieriger machen, das Maß an Koordination zu erreichen, das notwendig ist, um die fortschreitende Schädigung des Planeten anzugehen.
Glaubt man dem jüngsten Risiko-Barometer des Industrieversicherers AGCS, fürchten die befragten Unternehmen vor allem die Betriebsunterbrechung und investieren mehr in Sicherheit. Die befragten nationalen und internationalen Unternehmen bewerten die Gefahren für ihre Unternehmen sehr ähnlich. In der Reihenfolge der drei Hauptgefahren gibt es lediglich bei der Cybergefahr eine minimale Verschiebung.
Was über die Branchengrenzen hinaus wichtig ist
Wie derzeit die politische Stimmungslage in der Bevölkerung aussieht, dürften die Landtagswahlen am Wochenende in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zeigen. Politische Beobachter sehen darin einen ersten Stresstest im Superwahljahr 2021, welches im September in die Bundestagswahlen mündet.
Laut jüngstem ZDF-Politbarometer hatten die Amtsinhaber – Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) in Baden-Württemberg und Malu Dreyer (SPD) in Rheinland-Pfalz – vor dem Urnengang die Nase deutlich vorn. Nach jetzigem Stand dürfte das grün-schwarze Regierungsbündnis im Ländle auch in der kommenden Legislaturperiode eine klare Mehrheit für eine Fortsetzung der gemeinsamen Regierungsarbeit haben. Auch die aktuell regierende Ampelkoalition (SPD, FDP, B’90/Grüne) in Rheinland-Pfalz hatte vor dem Urnengang eine Mehrheit – nicht zuletzt auch dank Ministerpräsidentin Dreyer, die selbst in der Bundes-SPD als Zugpferd gilt.
Offen war im Vorfeld hingegen die Frage, inwieweit sich die „Maskenaffäre“ für die CDU auf dem Stimmzettel auswirken wird. Sicher ist bislang nur, dass es wegen Corona in Rheinland-Pfalz und voraussichtlich auch in Baden-Württemberg erstmals mehr Briefwähler als klassische Urnenwähler geben wird.
Am Ende wurden die Demoskopen weitgehend in ihren Prognosen bestätigt: In Baden-Württemberg kann Amtsinhaber Kretschmann als strahlender Wahlsieger mit einem neuen Rekordergebnis weiter regieren. Rein rechnerisch sind dabei sowohl eine Fortsetzung des Bündnisses mit der CDU als auch eine Ampelkoalition mit der SPD und FDP möglich. In Rheinland-Pfalz dürfte die Ampel von Regierungschefin Dreyer aller Voraussetzung nach fortgesetzt werden. Die CDU schnitt in beiden Bundesländern mit historisch schlechten Ergebnissen ab.
Politische Wunden lecken dürften die Parteien in den kommenden Tagen auch nach den Kommunalwahlen in Hessen: Während die CDU und die SPD vor allem die Folgen der Masken- oder AWO-Affäre aufarbeiten müssen, haben sich die Grünen gleich in fünf Großstädten als stärkste Kraft etabliert – darunter erstmals auch in Frankfurt am Main und Kassel. In der Landeshauptstadt Wiesbaden landeten die Grünen nur knapp hinter der CDU auf Platz zwei.
Besondere Aktions- und Gedenktage in dieser Woche
15.03.2021: Der Internationale Weltverbrauchertag wird seit 1983 begangen und geht auf den ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy zurück. Die Verbraucherschutzorganisationen nutzen diesen Tag, um auf der Rechte der Verbraucher aufmerksam zu machen.
16.03.2021: Am Tag der Informationsfreiheit geht auf den US-Präsidenten John Madison zurück. Er soll daran erinnern, dass Informationsfreiheit ein Bürgerrecht zur öffentlichen Einsicht in Dokumente und Akten der öffentlichen Verwaltung ist.
17.03.2021: Am St. Patrick’s Day (irisch Lá Fhéile Pádraig) wird an den irischen Bischof und katholischen Heiligen Patrick erinnert. Der Gedenkdank wird weltweit vor allem von den Iren und irischen Emigranten gefeiert. Die größten Paraden finden normalerweise in Dublin, München, New York, Boston, New Orleans, Chicago, Manchester und Savannah statt. Auch in der britischen Hauptstadt London gibt es jährlich eine Parade und ein Festival.
19.03.2021: Der Weltschlaftag wurde 2008 ins Leben gerufen. Damit will der Weltverband für Schlafmedizin (WASM) an die Vorteile eines guten und gesunden Schlafes erinnern. Zudem erinnert die DRF Stiftung Luftrettung am gleichen Tag an die Arbeit der Luftretter in Deutschland.
Autor: Tobias Daniel