Zurich, Generali, Allianz, R+V: Versicherer bügeln das deutsche Impfdesaster aus

Die Krankenkassen und privaten Krankenversicherer lehnen eine Impfkontrolle ab. Quelle: Bild von torstensimon auf Pixabay

Mit Ruhm bekleckert sich die Regierung bei der Impfung der Bevölkerung gegen Corona nicht. Den Versicherern reicht es jetzt, sie nehmen den Schutz ihrer Angestellten selbst in die Hand. Dabei sollen nicht nur die Mitarbeiter im Innen- und Außendienst bedacht werden, sondern auch die Familienangehörigen.

Deutschland erlebt ein Impfdebakel. Das sagt nicht die Opposition im Bundestag, sondern Medien wie Tagesschau, rbb oder Frankfurter Rundschau. „Impfdesaster, „-dilemma“ oder gar „Staatsversagen“, das Zeugnis für die Bemühungen des Staates ist eindeutig.

Der Gesundheitsminister Jens Spahn wollte Ende Februar die Zahl der täglichen Corona-Impfungen „auf 280.000 verdoppeln“, verheddert sich aber im Zuständigkeitsnetz zwischen Bund und Ländern. Derweil meldet die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC kürzlich, dass erstmals über zwei Millionen Menschen an einem Tag geimpft wurden. Das sind fast so viele wie bisher in ganz Deutschland. Laut Robert Koch-Institut wurden hierzulande bis zum Wochenende rund 2,4 Millionen Menschen geimpft, erhielten also sowohl die Erst- als auch die Zweitimpfung. Die Unterschiede in der Impfgeschwindigkeit hat Auswirkungen auf die Entwicklung, die US-Wirtschaft startet durch – Europas schlafwandelt.

Die Versicherer wollen dieses Spiel zu ihren Ungunsten nicht mehr mitspielen und starten ihre eigenen Initiativen. Die Branche ist bereits sehr weit, scheinbar traf die Impfzeitlupe die Häuser weder unvermittelt noch unvorbereitet. Den Häusern kommt zugute, dass sie bereits in der Vergangenheit Impferfahrungen sammelte. In den Genuss der Hilfe kommen sowohl Außen- wie auch Innendienst, wie auch (teilweise) die Familien.

Gemeinsam gegen Corona

„Die R+V befasst sich seit einiger Zeit mit der Vorplanung zu einer möglichen Covid-19-Schutzimpfung und könnte im April mit dem Impfen der Mitarbeiter gegen Covid-19 starten. Vorausgesetzt, es ist genügend Impfstoff für uns verfügbar.“ Die nötige Erfahrung ist vorhanden, denn „seit vielen Jahren“ werden die Mitarbeiter gegen Grippe geimpft, erklären die Wiesbadener.

Die Grippeschutzimpfung im vergangenen Jahr diente „als Testlauf“ für eine mögliche Corona-Impfung. Die R+V sei auch bei „hoher Nachfrage und Einhaltung der Schutzmaßnahmen“ leistungsfähig. Einige wesentliche Details seien derzeit noch in Klärung, beispielsweise die Impfstandorte. Eine Entscheidung werde hauptsächlich vom Impfstoff und dessen Lagerbedingungen sowie den bürokratischen Anforderungen zur Impfung abhängen. „Grundsätzlich können sich Innen- und Außendienst-Mitarbeiter impfen lassen. Wir rechnen mit etwa 8.000 Impfwilligen, denn viele werden sich vermutlich vorher schon woanders impfen lassen“, glauben die Wiesbadener.

Einen ähnlichen Weg will auch ein Mitbewerber gehen, wie deren Personalvorstand Uwe Schöpe erklärt. „Die Zurich Gruppe Deutschland wird ihren Mitarbeitenden sowie Besuchern unserer Direktionen kurzfristig Corona-Selbsttests anbieten. Eine entsprechend große Anzahl ist bereits bestellt.“ Darüber hinaus beabsichtigen die Neu-Kölner „Covid-19-Impfungen für alle Kolleginnen und Kollegen zu ermöglichen“, sobald das Unternehmen berechtigt ist, einen Impfstoff gemäß den nationalen Impfrichtlinien und -plänen zu erhalten. Die Zurich will aber noch einen Schritt weiter gehen und bezieht die Familien mit ein. „Sobald dieses Impfangebot möglich sein wird, soll es auch für die direkten Angehörigen gelten, mit denen unsere Mitarbeitenden im selben Haushalt leben“, erklärt Schöpe. Eventuell anfallende Kosten für die Impfungen wird die Zurich vollständig tragen – „so wie dies bereits konzernweit für die Grippeimpfungen gilt“. „Wir halten die Ausweitung der Impfkapazitäten auf Unternehmen für ein wirksames Mittel, um große Teile der Bevölkerung gegen das Virus zu schützen und die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu verringern“, erklärt das Unternehmen. Die Zurich Gruppe Deutschland, „und nach unserem Kenntnisstand viele weitere Unternehmen“, würden jetzt alle nötigen Vorkehrungen treffen, damit mit dem Impfen begonnen werden kann. Der Start soll sein, „sobald die Bundesregierung die entsprechenden Rahmenbedingungen geklärt und die Impfstoffversorgung sichergestellt hat“.

Die Generali Deutschland plant ebenso eine Impfaktion für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Wir stehen in den Startlöchern und haben bereits einen detaillierten Plan für alle unsere Standorte in Deutschland erstellt. Hierbei greifen wir auf die umfangreiche Expertise der Generali Deutschland Krankenversicherung AG und der Generali Health Solutions zurück.“ Nach Zustimmung der Behörden und abhängig von zu erwartenden Impfstoffmengen wäre das Unternehmen in „kurzer Zeit“ bereit, mit dem Impfen zu beginnen. „Wir sehen in diesem Angebot einen aktiven Beitrag zum Schutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie eine Initiative, die Impfaktion in Deutschland insgesamt zu unterstützen“, erklärt das Unternehmen.

Der größte Versicherer hierzulande wird ebenfalls nicht zurückstehen. „Die Allianz wird bei den Corona-Schutzimpfungen helfen. Die Vorbereitungen treffen wir jetzt, damit wir loslegen können, sobald es genügend Impfstoff gibt und Mitarbeiterimpfungen gemäß der nationalen Impfstrategie möglich sind.“ Zurückbleiben muss niemand. Die Münchener wollen allen Mitarbeitern des Allianzkonzerns in Deutschland die Möglichkeit zu einer Corona-Schutzimpfung anbieten. Dafür sollen bis zu 25 Impfstraßen auf den Betriebsgeländen an allen großen Standorten eingerichtet werden.  Weitergehende Unterstützungen wie zum Beispiel Impfungen von Familienangehörigen sind derzeit „in Diskussion“. Auch ein Einsatz der Betriebsärzte in öffentlichen Impfeinrichtungen ist denkbar. „Wie die Details der Umsetzung aussehen, ist derzeit noch in Klärung. Klar ist aber, dass wir mit unserem geplanten Angebot einen Beitrag leisten wollen, dass die Corona-Pandemie in Deutschland möglichst bald überwunden werden kann“, schreiben die Münchener.

Deutschlands größter Allfinanzdienstleister DVAG ist derzeit noch ein wenig zurückhaltend. Die derzeitige Situation werde „im Blick“ behalten und die Impfstrategie des Bundes abgewartet. Derweil würden aber schon Pilotprojekte und Konzepte für Tests der Außendienstmitarbeiter laufen. Bis Ende März sollen Schnelltests für alle Innendienstmitarbeiter vorliegen, damit jeder einmal die Woche getestet werden kann. Mehr konnte, oder wollte, der Konzern nicht sagen, doch zwischen den Zeilen klang mit, dass die genannten Maßnahmen nicht das Ende der Fahnenstange markieren und das Unternehmen handlungsbereit ist.

Die Unternehmen sind also seit einiger Zeit gewappnet, denn Vorbereitungen solchen Ausmaßes werden nicht aus dem Ärmel geschüttelt. Die Geschwindigkeit der Impfungen hierzulande ist nicht ausreichend, wie es die R+V auf den Punkt bringt. „Die Auswirkungen der langsamen Impfung in Deutschland auf unser Geschäft oder auf den Wirtschaftsstandort Deutschland sind bisher schwer einzuschätzen. Eine hohe Impfquote hilft aber natürlich, weiteren Schaden einzudämmen.“

Autor: Maximilian Volz

16 Kommentare

  • Erich Hartmann

    Ausgerechnet die „Industrie“, die in Anbetracht der nahezu 90% -igen Home-Office-Möglichkeiten am wenigsten gefährdet ist, will offenbar nach dem Motto „America – sorry Insurance first“ verfahren.
    Vermutlich liegt das Durchschnittsalter der Mitarbeiter/innen deutlich über 70 Jahre.

  • Vielleicht am wenigsten gefährdet durch home-office Regelung, aber auch wir Mitarbeiter*innen sind Menschen, die an einem gesellschaftlichen Leben außerhalb der Arbeit teilnehmen. Somit finde ich es richtig und bin sehr stolz, eine Allianz Mitarbeiterin zu sein. Die Allianz kommt mit der Unterstützung des Impfangebotes durch die bewährte interne Infrastruktur ihrer gesellschaftlichen Aufgabe nach. Zumal ja außerdem geprüft wird inwieweit auch Familienangehörige einbezogen werden können und Betriebsärzt*innen auch extern impfen können.

    Und Durchschnittsalter 70+ – mitnichten….

  • Es geht darum, dass alle so schnell wie möglich geimpft werden, die es möchten. Wenn Kapazitäten vorhanden sind, die über Impfzentren oder Hausärzte nicht mehr verimpft werden können, dann sollte man so viel zusätzlich verimpfen, wie es geht. Und dass die Versicherer dann auch die Kosten für die MA Impfung übernehmen, entlastet die Gemeinschaftskassen zusätzlich. Es geht nicht ums vordrängeln. Je schneller die Bevölkerung geimpft wird, desto eher läuft es für uns alle wieder normaler.

  • Hallo
    Alle wollen sich jetzt eine Impfung abholen. Meine Eltern beide Ü 84 haben jetzt noch keinen Termin. Reicht schon jetzt nicht dieses Durcheinander? Müßen sich auch noch die Versicherungen einmischen und noch Öl ins Feuer schütten.

  • Pleiten, Pech & Pannen. Der Begriff „Staatsversagen“ ist hart, will ich nicht so unterschreiben. Aber es läuft leider viel zu wenig falsch. Was der Artikel nicht erwähnt. Woher kommt der Impfstoff. Beziehen die VR diesen selbst gegen Cash? Dann wäre es ein riesiger zusätzlicher Beitrag. Und es ist korrekt. Es gibt 12.000x Betriebsärzte in Deutschland, die sind alle top geschult was impfen anbelangt. Es wäre geradezu töricht, dies nicht zu nutzen. Leider wird auch hier der Impfstoff nicht erwähnt.

  • Ihre Eltern haben noch keinen Termin? Das Durcheinander ist jetzt schon groß genug? Warum ist das so? Weil Diletanten am Werk sind, die um Ihre Wiederwahl oder Provisionen bangen müssen. Wenn nun Deutschlands größte Arbeitgeber ins Spiel einsteigen und mit System MitarbeiterInnen direkt am Arbeitsplatz impfen, wo ist dann das Problem? Es ist keine Terminvergabe notwendig, was ja offensichtlich der Staat gar nicht hinbekommt. Ich habe selbst einmal bei einem Versicherer gearbeitet und dort wird schon seit Jahren die Grippeimpfung vor Ort angeboten, was viele gerne angenommen haben, denn man war ja schon vor Ort. Da hat sich niemand beschwert. Das Ziel der Versicherer heißt ja nicht nur die eigenen Mitarbeiter schützen sondern die Durchimpfung in Deutschland zu beschleunigen. Und es wird ja nicht dem Markt Impfstoff weggenommen sondern darauf gewartet, das ausreichend zur Verfügung steht. Ich finde hier sollte man nicht maulen, sondern anerkennen, dass diese Unternehmen Geld in die Hand nehmen und weiterkommen wollen.

  • Also es ist schon starker Tobak, was hier in den ablehnenden Kommentaren bisher geschrieben wurde.
    Niemand drängelt sich vor (Zitat 1: sobald das Unternehmen berechtigt ist, einen Impfstoff gemäß den nationalen Impfrichtlinien und -plänen zu erhalten / Zitat 2: damit wir loslegen können, sobald es genügend Impfstoff gibt und Mitarbeiterimpfungen gemäß der nationalen Impfstrategie möglich sind) und niemand gießt Öl ins Feuer (Zitat 3: Versicherer bügeln das deutsche Impfdesaster aus).
    Es geht um soziale Verantwortung die ein Unternehmen ggü. seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen hat.
    Da sollten sich ganz besonders mal die „Industrien“ eine Scheibe abschneiden, die tatsächlich ein höheres Risiko haben als die Versicherer, gerade weil sie eben weniger Home-Office Möglichkeiten haben. Dass die Versicherer es tun, obwohl sie gar nicht so sehr müssten, ist sehr lobenswert.

    Mit besten Grüßen
    Oliver

  • Länder und Kommunen haben die Hausaufgaben gemacht. Impfzentren, Impfbusse für ältere und gebrechliche Menschen, Hausärzte usw. stehen bereit. Ich finde die Initiative der Versicherer gut, weil dadurch zusätzliche Impfkapazitäten geschaffen werden. Nur kommen alle guten Vorbereitungen ohne den fehlenden Impfstoff nicht ins Laufen… Das ist tragisch und bremst alles aus. Hier ist die EU und Politik gefordert!

  • Hallo liebe Versicherungen, euer Vorhaben ist ja schön.
    Aber sagt mal, wer bügelt denn das Nichtzahlungsdesaster der Versicherungen aus. Wir schließen bei euch Betriebsschließungsversicherungen aufgrund einer Behördlichen Schließung ab, zahlen dafür Jahrzehnte, und wenn der Fall da ist, wollt Ihr nicht zahlen????

    Noch einmal:
    unsere Betriebe wurden geschlossen, wir dürfen nicht arbeiten!

  • Ich kann mich der Allianz-Kollegin nur anschließen. Impfschutz hat nichts mit Home-Office oder Alter zu tun. Um diese Pandemie zu überwinden, müssen so viele wie möglich geimpft werden, darüber sind wir uns alle einig. Und ich finde die Allianz und andere Unternehmen nehmen jetzt zu Recht ihr gesellschaftliche Verantwortung war. Im übrigen: Ja, es geht auch um wirtschaftliche Interessen dieses Landes und gerade Großunternehmen sind hierfür maßgeblich verantwortlich und vor allem die arbeitende Bevölkerung unter 70 !

  • Und wieder diese Aufregung, dass sich jemand nicht an die nicht funktionierenden Regeln halten könnte. In den Impfzentren, z.B. in Berlin, fehlen Impfstoffe, aber auf der anderen Seite verfallen Termine, weil die zu Impfenden nicht erscheinen. Gleichzeitig werden Menschen gebrandmarkt, die mit übrig gebliebenen Impfdosen versorgt werden, die sonst vernichtet würden. Vielleicht sollten wir alle mal wieder aufwachen! Das Ziel ist nicht die sklavische Einhaltung selbst gemachter Regeln! Das Ziel ist so schnell wie möglich eine Situation zu erreichen, die uns aus dem Lockdown holt und einen weiteren vermeidet. Insofern ist jede Person, die geimpft wird ein Erfolg. Und wenn die Versicherer ihre Infrastruktur zur Verfügung stellen, dann sage ich danke dafür! Viele Grüße Jens

  • Lutz Bittermann

    Die über große Arbeitgeber organisierte Impfungen würden zweifellos zu einer massiven Beschleunigung der Pandemiebekãmpfung führen. Es ist erschreckend, welche Mängel aus der staatlich organisierten Impfkampagne durchsickern.

  • Irreführender Bericht.
    Unser Problem ist aktuell for Verfügbarkeit von Impfstoff und nicht die Verfügbarkeit von Impfstationen. Ohne Impfstoff können auch Betriebsärzte nichts impfen.

    Generell aber natürlich zu begrüßen, dass sobald Impfstoff in ausreichender Menge verfügbar ist jeder impft der es kann. Das sehe ich mehr als gesellschaftliche Verantwortung als ausbügeln von Fehlern (oder warum sollte nicht auf alle vorhandenen Mittel und Wege zurückgegriffen werden?). Auch andere Firmen arbeiten an ähnlichen Konzepten.

  • Manfred Müller

    Alle reden von irgendwelchen Dingen, aber nicht davon, wo der Impfstoff herkommen soll.

  • Alexander Laux

    Wäre schön wenn es auch für die Agenturen und deren Mitarbeiter ausgeweitet wird. Wenn unsere Regierung aufgrund ihrer Unfähigkeit es nicht hinbekommt muss es die Wirtschaft selbst leisten. Ich wäre jedenfalls bereit.

  • Nur eine Anmerkung – ansonsten ist wohl schon alles gesagt. Ich arbeite bei einem der oben genannten Konzerne. „MG“ schrieb oben:
    „Es ist keine Terminvergabe notwendig, was ja offensichtlich der Staat gar nicht hinbekommt. Ich habe selbst einmal bei einem Versicherer gearbeitet und dort wird schon seit Jahren die Grippeimpfung vor Ort angeboten, was viele gerne angenommen haben, denn man war ja schon vor Ort.“
    Das ist natürlich insofern falsch, als dass ca. 90 % der Mitarbeitenden zur Zeit eben nicht „schon vor Ort“ sind. Ich müsste extra hinfahren (mein Hausarzt ist 30 km näher) und damit nicht alle auf einmal kommen, müssten natürlich auch Termine vereinbart werden.

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