Der Tag, an dem die Riesterrente starb

Bildquelle: congerdesign auf Pixabay.

Mit der CDU/CSU hat sich die nächste Partei von der Riester-Rente verabschiedet. Außer dem Votum-Verband  und dem BVK hat es niemand zur Kenntnis genommen, doch mit der CDU sind praktisch alle maßgeblichen Parteien vom millionenfach verkauften Produkt abgerückt. Eine Reform ist vom Tisch. Die Alternative soll ein „digitales Standardprodukt“ sein, doch was dahintersteckt, bleibt nebulös.

Mit der CDU ist die letzte Partei von der Riester-Rente abgefallen, lediglich die FDP scheint noch (halbherzig) an eine Reform zu glauben. Bei der privaten, staatlich geförderten Altersvorsorge („Riester-Rente“) sei ein Neustart nötig. Man wolle Kriterien für ein „Standardvorsorgeprodukt“ festlegen, das ohne Abschluss- und mit möglichst niedrigen Verwaltungskosten auskommen solle, erklärt die CDU in ihrem kürzlich vorgestellten Wahlprogramm. Damit werden zu den rund 16 Millionen Verträgen, von denen viele brach liegen, keine neuen hinzukommen. Die Alternative in Form eines digitalen Standardproduktes ist nicht neu, sie kam zuletzt auf, als sich mehrere Verbraucherschutzverbände gegen die Riester-Rente aussprachen. Der GDV in Form von Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen zeigte sich gegenüber der Idee eines Standardproduktes aufgeschlossen. Diese Offenheit  brachte den Bundesverband der Versicherungskaufleute (BVK) in Rage, der darin einen „inakzeptablen Dammbruch“ erblickte und auf die Wichtigkeit einer persönlichen Beratung hinwies.

Verbände akzeptieren das Ende zähneknirschend  

Bereits im Mai prognostizierte der Votum-Verband, dass die Bundestagswahl richtungsweisend für die private Altersvorsorge der Zukunft sein wird. Jetzt gibt es Gewissheit, wie die Verbände bekennen. „Das Ziel von CDU und CSU, die Riester-Rente durch ein obligatorisches Standardprodukt für alle Arbeitnehmer ohne Abschlusskosten zu ersetzen, zeigt einen realitätsfernen Irrglauben“, erklärt Votum-Vorstand Martin Klein. Es sei nicht im Sinne der Erwerbstätigen, wenn sie zukünftig nicht mehr die Wahl haben. Der Gedanke, dass eine finanzielle Absicherung im Alter ohne professionelle Beratung möglich sein soll, sei ein „weiterer Irrglaube“.

Ein wenig Hoffnung hat BVK-Präsident Michael H. Heinz. Er setzt auf die Behäbigkeit der Politiker. „In der Tat sieht die Unterstützung im politischen Umfeld für die Riester-Rente nicht gut aus, wenn selbst das CDU/CSU-Wahlprogramm die Riester-Rente durch ein Standardprodukt ersetzen will“, erklärt er. Ob die Riester-Rente deshalb Geschichte sein wird, sei aber nicht ausgemacht, „weil nicht alle in einem Wahlprogramm gesetzten Ziele in einer Legislaturperiode umgesetzt werden“. Heinz verweist damit auf die politisch vorgesehene, aber letztlich nicht umgesetzte Rentenreform.

Für die Zielgruppe der Mittel- bis Geringverdiener habe die Abkehr „sehr nachteilige Folgen“, denn diese profitieren von den hohen staatlichen Kinderzulagen und Förderungen bei relativ geringen Eigenbeiträgen. Für die Vermittler malt Heinz ein düsteres Bild. „Wird das von der Union anvisierte verpflichtende Standardprodukt mit Opt-Out-Option und ohne Abschlusskosten umgesetzt, würde unsere Expertise auf diesem Gebiet obsolet.“ Deshalb werde der Verband weiter für eine bürokratische Entschlackung des Riester-Systems kämpfen.

Norman Wirth, Rechtsanwalt und Vorstand des AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V, sieht das Riester-Ende gekommen. „Wenn sich hier nicht noch Vernunft durchsetzt, dann wäre Riester wohl Geschichte.“ Der Gesetzgeber müsse dafür „gar nicht mehr viel machen“, denn weder wurde das Zulagenverfahren entbürokratisiert noch das Produkt für weitere Berufsgruppen geöffnet. „Bekommen haben wir so ein Beibehalten der vollständigen Beitragsgarantie der Riester-Produkte, was sich im Umfeld anhaltender Niedrigzinsen auf Dauer nicht mehr darstellen lässt“, erklärt Wirth.  Das „Totalversagen“ insbesondere von Bundesfinanzminister Olaf Scholz beim Thema Reform der Riesterrente  – „und überhaupt der Altersvorsorge“ – werde „hier offensichtlich“. Es sei eine Entwicklung zulasten all derer, die gerade auf solche Produkte für die ergänzende Altersvorsorge angewiesen sind. In die Diskussion um ein Standardprodukt wollen sich die Verbände einbringen.

Und die Versicherer?

Weniger emotional, fast stoisch, kommentieren die Versicherer das Geschehen. „Die Riester-Rente ist aus unserer Sicht reformbedürftig, aber sie ist reformierbar. Dazu haben wir konkrete Vorschläge gemacht […]“, erklärt GDV-Hauptgeschäftsführer Asmussen. „Die Riester-Rente ist und bleibe ein attraktives Produkt der privaten Altersvorsorge – besonders für Familien mit Kindern und Menschen mit niedrigen Einkommen.“

„Vor diesem Hintergrund sind und bleiben wir gesprächsbereit mit Blick auf ein einfaches und kostengünstiges Standardprodukt“, erklärt Asmussen. Beim Vertrieb ist an ein Nebeneinander gedacht: Es soll sowohl der „rein digitale Zugang“ zum Produkt als auch der Zugang zu einer „persönlichen Beratung und Betreuung“ im Sinne einer ganzheitlichen Altersvorsorge „möglich sein“. Damit entscheidet der Kundenwunsch, „was nachgefragt wird, und die Versicherungsunternehmen entscheiden, was sie anbieten“.

Die Allianz wollte sich bei der Debatte, „die wegen des Wahlkampfs Fahrt aufnimmt“, politisch „nicht einbringen“ und verweist auf den GDV. Sie steht aber unverändert zu der Forderung, bei den Diskussionen um Veränderungen der Riesterrente und um Verbesserungen in der bAV „bald konkrete Maßnahmen zu entscheiden und umzusetzen“. Dazu gehört bei Riester-Verträgen unter anderem ein insgesamt vereinfachtes Zulageverfahren und eine Anpassung des Garantieniveaus, um Renditechancen zu erhöhen.

Die Zurich sieht im (wahrscheinlichen) Ende der Riester-Rente den Wegfall eines „attraktiven Einstiegs“ in die Altersvorsorge, „sofern der Gesetzgeber nicht eine Alternative schafft“. In Anbetracht der Fördervielfalt in Deutschland, brauche es „eine passende, individuelle Beratung“ und somit muss auch eine „Vertriebsvergütung für diese Leistung möglich sein“. Gegenüber einem neuen Produkt ist die Zurich skeptisch: „Eine komplett neue Förderung erhöht im Zweifel die Komplexität des Gesamtsystems und macht es für die Kunden vermutlich noch schwieriger, die passende Vorsorge zu identifizieren.“ Der Versicherer werde den eigenen Riester-Tarif „auf jeden Fall bis Jahresende aufrechterhalten“ und sich „bemühen“, auch im nächsten Jahr eine „kostenmäßig modifizierte Lösung“ zu bieten. Ohne eine Reform habe das Fördermodell allerdings „keine nennenswerte Zukunft“.

Die Debeka will die Entscheidung pro oder contra Riester dem Interessenten überlassen. „Letztlich muss der Kunde entscheiden, welcher Durchführungsweg in seiner individuellen Situation der richtige ist. Das macht eine persönliche Beratung ‚unbedingt erforderlich'“. Eine Abschlussvergütung für die Vermittler müsse daher „weiterhin möglich sein“.

Wir befürworten weiterhin Riester-Produkte und sehen sie als wichtigen Baustein der Altersvorsorge an. Damit diese von den Kunden auch zukünftig gewinnbringend genutzt werden können, sind aus unserer Sicht reformierende Schritte zwingend erforderlich, schreibt die R+V. Die Diskussionen um die künftige Ausgestaltung der Altersvorsorge werden wir weiterhin aktiv und intensiv begleiten, schreiben die Wiesbadener. Das werden auch die zuvor genannten Versicherer tun, wie sie in ähnlichen Worten betonen.

Nur Hype?

Bisher ist die Diskussion um die Riester-Alternative nur eine Worthülse. Ein „digitales Standardprodukt“ kann alles und nichts bedeuten. „Die Unionspläne sind ‚äußerst fragwürdig‘ und ‚völlig unklar'“, kritisiert Heinz. Wie das von der CDU/CSU gewünschte Standardprodukt konzipiert werden und wie seine Anlagestrategie aussehen soll, ist unklar.

Andere Parteien wie die SPD, Grüne und FDP – liegen aktuell bei mehreren Umfragen im zweistelligen Bereich – haben noch keine konkreten Pläne vorgelegt, wie die Riester-Rente ersetzt werden kann. Das gilt auch für die AfD und die Linke. Letztgenannte Partei sieht die Riester-Rente als „krachend gescheitert“ an.

Bei dieser politischen Mengenlage ist klar, die Riester-Rente hat keine Zukunft, alle Augen sind auf das Fabelwesen „digitales Standardprodukt“ gerichtet, das bisher nur schemenhaft am Rand des Altersvorsorgedickichts erahnt werden kann.

Autor: Maximilian Volz

2 Kommentare

  • Dr. Andreas Billmeyer

    Dass Riester natürlich nicht gescheitert ist, sieht man an 16 Mio. Verträgen. Viele sind in Phasen höherer Garantiezinsen abgeschlossen worden und bieten den Kunden teilweise noch auf Jahrzehnte sichere Renditen deutlich über den heutigen Nullzinsen.
    Für die Zukunft braucht es aber natürlich ein Produkt mit weniger Garantien!

    Und Altersvorsorge muss natürlich weiterhin beraten werden, da wirkt es völlig lächerlich, realitätsfern und blauäugig von einem Produkt „ohne Abschlusskosten“ zu träumen…die Finanzkompetenz steigt nicht von heute auf morgen und auch der Arbeitgeber wird weder fähig noch willens zu sein, Altersvorsorgeberatung zu betreiben, braucht im Gegensatz dazu aber fachkundige Hilfe bei der Auswahl eines guten Anbieters!

  • …von 16 Mio. Verträgen liegen ca. 6 Mio. Verträge beitragsfrei und ungenutzt in den Büchern der Anbieter.Sie mag vielleicht für kinderreiche Familien interessant sein, aber wieviele Riestersparer können denn die 4 % Eigenleistung überhaupt aufbringen?? Davon kein Wort von den „Verfechtern“ dieses reformbedürftigen Produktes. Und dann die teils exorbitant hohe Gebühren. Diesem üblen Treiben muss dringend Einhalt geboten werden.

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