Prämienanpassungen in der PKV: Urteil des Landgerichts Bonn könnte Branchenbeben auslösen

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Das Landgericht Bonn hat eine Grundsatzfrage bei der Prämienanpassung der Privaten Krankenversicherung (vor-) entschieden, das Auswirkungen auf die Praxis haben wird. Eine Folge des noch nicht rechtskräftigen Urteils wären Rückforderungen in Millionenhöhe und Änderungen bei den Prämienerhöhungen. Die betroffene DKV kündigt Berufung an.
Die Beiträge in der PKV sind ein ewiger Zankapfel, allerdings oft besser als ihr Ruf. Nach dem Gesetz darf der Beitrag in einem Tarif erst dann erhöht werden, wenn die Versicherungsleistungen nachweislich um mehr als zehn Prozent höher liegen als ursprünglich kalkuliert. Die Steigerung darf zudem nicht vorübergehender Natur sein.
Diesen Faktor reduzieren allerdings „fast alle Versicherer“ in ihren Bedingungen auf fünf Prozent, was zur Folge hat, dass Prämie früher und öfter nach oben angepasst werden können, kritisiert der Berliner Rechtsanwalt Knut Pilz, dem Leser bereist aus aktuellen BSV-Fällen und dem Treuhänderprozess bekannt.
Wegen der Senkung des auslösenden Faktors würden die Versicherten im Ergebnis früher eine höhere Prämie und langfristig mehr als nach der gesetzlichen Regelung bezahlen. Die beschriebene Faktorsenkung in den Versicherungsbedingungen ist nach Auffassung vieler Gerichte, unter anderem OLG Köln und Celle unwirksam, sagt der Anwalt. Im vorliegenden Fall ist die DKV betroffen, doch nach Einschätzung des Juristen dürften am Markt circa 40 Prozent aller Prämienanpassungen unwirksam sein. Betroffen seien „nahezu alle Versicherer“, insbesondere „Allianz, DKV und Signal-Iduna“.
„Aufgrund dieses Urteils erweisen sich viele Prämienanpassungen als unwirksam und die Versicherungsnehmer können überzahlte Prämien für bis zu zehn Jahre zurückfordern. Außerdem müssen Sie künftig geringere Prämien zahlen. Das ist eine gute Nachricht für alle Privatversicherten beim „ewigen Streit“ um die Beitragserhöhungen“, erklärt Pilz exklusiv gegenüber VWheute.
Das sagen die Versicherer
Die Signal Iduna ist eines der Unternehmen, die die Faktorsenkung vornehmen. Der Versicherer erklärt: „Unsere Versicherungsbedingungen orientieren sich an den gesetzlichen Bestimmungen und den Musterbedingungen des PKV-Verbands. Der „auslösende Faktor“ wird entsprechend dieser Vorgaben in unseren Tarifbedingungen je Tarif festgelegt und bewegt sich bei unserer Tarifpalette zwischen 5 und 10 Prozent.“ Grundsätzlich fallen die Beitragserhöhungen niedriger aus, je geringer der auslösende Faktor gewählt wird, dafür wird regelmäßiger angepasst, schreibt die Signal Iduna. Die Beitragserhöhungen würden gemäß den gesetzlichen Vorgaben erfolgen, entsprechend eines „genau festgelegten Verfahrens und unterliegen den Prüfungen unserer Treuhänder“.
Das Urteil des LG Bonn sei „nicht rechtskräftig“, es existieren „unterschiedliche Auffassungen“. Der Bundesgerichtshof habe jedoch bereits 2004 in einem „gleichgelagerten Fall“ eine nahezu identische Anpassungsbestimmung bestätigt. Die Allianz wollte sich auf Anfrage „in der Sache“ nicht „gegen Urteile anderer Versicherer“ äußern. Den Münchenern liege das Urteil nicht vor. Der PKV-Verband wird eine Einschätzung nachreichen. Die im Urteil genannte DKV schreibt auf Anfrage: „Das Gesetz sieht vor, dass in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen auch ein geringerer Prozentsatz als zehn Prozent vorgesehen werden kann (§ 155 Absatz 3 Satz 2 VAG). Laut Gesetzgeber ist der Prozentsatz von 10 Prozent lediglich als Höchstsatz vorgeschrieben. Unsere Bedingungen sehen – dem Rahmen des Gesetzes folgend – in einigen Tarifen einen Prozentsatz von 5 Prozent vor.“ Daher sei es gerade nicht so, dass die Vereinbarung eines abweichenden Prozentsatzes „gegen das Gesetz verstoßen würde“.
Zu möglichen Folgen schreibt der Versicherer: „Aus den oben genannten Gründen halten wir das Urteil für nicht überzeugend. Wir haben Berufung eingelegt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Wir gehen davon aus, dass die Rechtsausführungen keinen Bestand haben werden.“
Alles nur Show?
Der Verbandsdirektor des PKV-Branchenverbandes, Florian Reuther, glaubt ebenfalls nicht an größere Verwerfungen: „Auch wenn das Urteil des LG Bonn noch nicht veröffentlicht ist und insofern nicht im Detail geprüft werden kann, darf auch hier wieder unterstellt werden, dass die rechnerische Richtigkeit der Kalkulation – wie auch schon in den ähnlichen Verfahren – nicht in Frage gestellt wird. Alle bislang vorliegenden Urteile sind übrigens Einzelfall-Entscheidungen – und keines davon ist rechtskräftig.“ Vor diesem Hintergrund erscheine es nicht angemessen, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wird, als seien Beitragsanpassungen in der Vergangenheit „stets unwirksam gewesen“ und als seien für viele Versicherte tausende Euro „schnell und einfach zurückzuholen“.
Ob das Urteil Bestand haben wird, entscheidet das zuständige OLG oder am Ende der BGH. Mediale Diskussionen über Beitragsanpassungen erschweren das Geschäft der Branche in der Vollversicherung, die in den letzten Jahren durch stetige Erhöhungen der Versicherungspflichtgrenze generell einen schweren Stand hat. Ab dem kommenden Jahreswechsel wird die Grenze erneut um 1.800 Euro angehoben.
Urteil: Landgericht Bonn (9 O 396/17)
Autor: Maximilian Volz
Eine Farce zu denken damit würden die Beiträge insgesamt geringer nur weil sie unregelmäßiger und dann dafür umso deutlicher steigen müssten! Wer provoziert dauernd solche unsinnigen Prozesse? Geschäftsmodell für Berufskläger??
Aber auch der Gesetzgeber wäre dringend gefordert den auslösenden Faktor weiter zu fassen und so mehr kleine Erhöhungen zuzulassen statt der dann selten, aber brutal mit 30%+ ausfallenden
Bin mal gespannt wie es weiter geht, wird noch spannend!
Selbstverständlich ist es laut Gesetz zulässig, statt der 10 Prozent-Grenze für die erforderliche Veränderung der Versicherungsleistungen eine solche von 5 Prozent in den Bedingungen festzulegen.
Das seit vielen Jahren bestehende bekannte Problem ist indes, dass manche Richter die hier meist vorgesehene Kann-Regelung für unwirksam halten, weil sie erlaubt, bei 5 Prozent Abweichung zu erhöhen, aber auch, darauf zu verzichten, wenn sich eine Senkung ergäbe. Also die Kann-Möglichkeit nur bei Erhöhungen auch zu nutzen, Senkungen aber in solchen Fällen nicht umzusetzen.
Zudem meinen manche Richter, dass bei einer Abweichung von 5 oder auch 10 Prozent nach unten keine Erhöhung, sondern nur eine Senkung der Beiträge zulässig wäre. So wäre die Klausel auszulegen – und manche Richter fügen noch hinzu, dass bei anderer Auslegung die „5 Prozent Klausel“ dann im Ganzen unwirksam wäre.
Mit solchen Rechtsansichten von einzelnen Gerichten, Kammern oder Richtern inklusive daraus ergangenen Urteilen in zahlreichen Einzelfällen lebt man nun doch schon viele Jahre, ohne dass dies insgesamt beachtliche Folgen hätte. Die meisten Gerichte haben an der Klausel gar nichts auszusetzen.
Bei den zahlreichen Gerichtsaufträgen, die ich im Bereich der Überprüfung von Beitragsanpassungen der PKV erhalte, muss halt das Gericht entscheiden, wie es dies sieht. Entweder vorher bereits im Beweisbeschluss bestimmt, oder nachdem ich frage, wie ich denn nun wegen der ggf. nur 5 Prozent Abweichung gutachterlich weitermachen soll, weil ich ja nicht beurteilen darf, ob die Anpassung schon deshalb unwirksam ist – was mir dann die weitere Überprüfung der Kalkulation erspart.
Um solche Verzögerungen zu vermeiden, legen die meisten Richter die 5 Prozent-Grenze als wirksam schon im Beweisbeschluss fest. Ganz wenige haben aber trotz in den Bedingungen vorgesehener „5 Prozent-Kann-Klausel“ auch 10 Prozent vorgegeben und dies auf Rückfrage, ob es ein Versehen sei und die 5 Prozent-Klausel übersehen wurde, nochmal die Vorgabe im Beweisbeschluss bestätigt.
Das ist also alles tatsächlich überhaupt nichts Neues. Vielleicht dass irgendwann mal der BGH darüber befindet, wie beim Treuhänderstreit.
Wie ich meinen mathematischen PKV-Mitarbeitern vor 20 Jahren auf die Frage geantwortet habe, was denn nun richtig sei: „Woher soll ich das wissen? Wir müssen uns jetzt für etwas entscheiden und in 20 Jahren wird uns ein oberstes Gericht sagen, was richtig gewesen wäre“.
Die Diskussionen und Gerichtsverfahren sind absolut überflüssig. Es ist an der Zeit, eine einheitliche Versicherung zu schaffen, in die jeder einzahlen muss, ohne Ausnahme, gemäß einem noch zu erstellenden Schlüssel. Wenn die weiter abfallenden Parteien dies endlich einsehen würden, würde viel Geld gespart.
Das ist ein Trugschluss. Ein einheitliches System hat sehr viel Nachteile wie man in Länder wie England oder den Niederlanden nachvollziehen kann.
Wir würden mit nur 1 System außerdem ein Monopol schaffen. Wieso stellt das nie jemand in Frage. In jedem anderen Bereich versuchen wir sowas zu vermeiden, aber in unserem (im Ländervergleich sehr gut funktionierendem) krankenversicherungssystem wollen wir das uneingeschränkt?
Nur 1 System und kein Wettbewerb?
Die Kosten werden explodieren und Leistungen gestrichen, den aktuell tragen die ca. 10% Privatversicherte ca. 20% der Kosten unseres Systems. Und über die Steuer tragen sie sogar indirekt auch noch unsere gesetzliche Krankenversicherung mit.
Wir brauchen eine Deregulierung. Wir werden immer mehr zu einem überreguliertem Sozialstaat und wundern uns dann, warum unser Wohlstand verschwindet.
Es ist wichtige das wir uns alle intensiver mit solchen Problemen beschäftigen, um ein vernünftiges Urteil zu fällen.
Nimmt der auch nur ein bisschen in der Materie steckt möchte diese Bürgerversicherung.
Der Autor mögen den Kommentar von Peter Schramm bitte aufmerksam lesen und Nachhilfe im Bereich PKV nehmen. Wenn dieses „Niveau“ das der „Fachpresse“ ist, muss sich niemand wundern, wenn Versicherungsvermittler das Berufs-Ranking von unten anführen…
Dass Rechtsanwälte auch die unsinnigsten Klagen vor Gericht bringen, kann man noch verstehen.
Der Drang nach lukrativen Honoraren ist menschlich.
Dass aber ideologisch eingeengte Richter alle Vernunftgründe ausser Acht lassen und mit ihren Urteilen Ziele von Traumtänzern wie Prof. Lauterbach unterstützen, die die PKV abschaffen wollen,
ist nicht tolerierbar.
Der Gesetzgeber sollte eigentlich eingreifen, ist aber aufgrund der verfassungsmäßigen Gewaltenteilung sehr zurückhaltend.
Leider trauen sich nur Politiker, die nicht mehr im Amt sind, die vielen Fehlurteile von Richtern anzuprangern, wie es Norbert Blüm in seinem Buch „Einspruch“ getan hat, der leider verstorben ist und sein zweites Buch zu diesem Thema nicht mehr fertigstellen konnte.
Ich kann das Betonen des Wettbewerbs im Gesundheitssystem nicht mehr hören. Wo ist denn der Wettbewerb? Ich hänge in der PKV in einer Versicherung fest da die Altersrückstellungen beim Wechsel nicht mitgenommen werden können. In die GKV kann ich auch nicht mehr zurück. Toller Wettbewerb!
Sorry, bin selbst seit Jahren PKV versichert, meine Frau nicht ! Somit kenne ich sehr genau die Vorteile eines PKV Versicherten. Leider aber auch die Nachteile eines GKV Versicherten, welcher sich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr Zusatzversichern kann! Allein aus diesem Grund der Ungleichbehandlung, wäre ich der Erste, welcher auf seine PKV verzichten würde. Auch wenn damit viele Arbeitsplätze bei der PKV gefährdet wären . Gerade in den derzeitigen Zeiten, wo jeder das Wort Solidarität wieder mal gehört hat , sollte die Politik reagieren und eine Kasse wo wirklich JEDER einzahlen muss mal WIEDER prüfen ! Dann müsste aber auch der Ein oder Andere Politiker auf sein Privilegien verzichten !!!
Sehr geehrter Herr Norman, Sie sollten Ihre Beurteilung doch noch einmal überdenken. Auch in der PKV werden alle Versicherten gleich behandelt. Aber genauso wie man ein brennendes Haus berechtigterweise nicht versichern kann, muss ein Versicherer mit Rücksicht auf die Gesamtheit der Versicherten den Eintritt von Personen mit überhöhten Risiken ablehnen können.
Wenn es nur eine Kasse gäbe, in der jeder einzahlen müßte, müßte diese Kasse auch alle Leistungen tragen. Sie können davon ausgehen, dass dann alle Versicherten gleich schlecht behandelt würden.
Heute profitieren auch die gesetzlich Versicherten davon, dass viele Arztpraxen ihre Ausstattung mit modernen Geräten nur mit den Einkünften von Privatpatienten finanzieren können.