„Die Ampel steht“ – Liberale bremsen das Übelste für Vermittler und PKV aus

Olaf Scholz (SPD) ist am Ziel. „Die Ampel steht“, verkündet der designierte neue Bundeskanzler zu Beginn der gemeinsamen Pressekonferenz mit den Spitzen der Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Unter der Überschrift „Mehr Fortschritt wagen“ präsentierte die Ampelkoalition ihre auf knapp 180 Seiten zusammengefassten Vorhaben. Ganz offensichtlich konnte die FDP Giftpillen für die Vermittler, die Versicherungswirtschaft und die private Krankenversicherung (PKV) verhindern. Über eine Ressortverteilung im Kabinett war viel spekuliert worden; der Koalitionsvertrag sorgte für Überraschungen – die namentliche Besetzung ist den drei Parteien vorbehalten. Zudem müssen noch Parteitage der SPD und FDP sowie die grüne Basis ihre Zustimmung geben.

Eines muss man den Ampelkoalitionären lassen: Im Gegensatz zu früheren Verhandlungen hielten sie dicht, obwohl bis zu 300 Politiker an den Verhandlungstischen saßen. Nur der Rahmen für die Koalitionsverhandlungen war in einem Sondierungspapier abgesteckt worden. Aber schon da reichte der schlichte Satz: Am dualen Gesundheitssystem von gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und PKV wird festgehalten. Jetzt will die Ampel im Bereich der Pflegeversicherungen (SPV und PPV) prüfen, wie eine „freiwillige, paritätisch finanzierte Vollversicherung“ in der Pflege geschaffen werden kann. Eine Expertenkommission soll bis 2023 konkrete Vorschläge erarbeiten. Angesichts der enormen Herausforderungen durch die Corona-Pandemie für die Pflegekräfte stellt der Bund eine Milliarde Euro bereit. Zugleich soll die Steuerfreiheit für den Pflegebonus auf 3.000 Euro angehoben werden.

Haltelinie in der Rente von 48 Prozent soll dauerhaft gelten

Die bis 2025 bereits bestehende Haltelinie beim Rentenniveau von 48 Prozent soll „dauerhaft“ gesichert werden. Bis dahin dürften auch die Rentenbeiträge nicht über 20 Prozent steigen, wie schon die letzte Bundesregierung festgelegt hatte. Die Ampelkoalition versichert zugleich, dass es weder Rentenkürzungen noch eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben wird. Allerdings soll der sogenannte Nachholfaktor im kommenden Jahr nach der Rentenerhöhung wieder in Kraft gesetzt werden.

Wie schon in den Sondierungsgesprächen vereinbart wird die FDP-Forderung nach einer teilweisen Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rentenversicherung umgesetzt. Im kommenden Jahr sollen aus Haushaltsmitteln zehn Milliarden Euro hierfür bereitgestellt werden. Auch die Deutsche Rentenversicherung soll ihre Reserven am Kapitalmarkt reguliert anlegen können, damit könnte sie verhindern Negativzinsen bezahlen zu müssen.

In der zusätzlichen Altersvorsorge soll das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) endlich Fahrt aufnehmen und in der privaten Altersvorsorge soll ein Angebot „eines öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit“ aufgelegt werden. Auch private Angebote, die höhere Renditen als Riester aufweisen, sollen möglich sein; für Riester-Sparer gilt Bestandsschutz. Schließlich soll der Sparerfreibetrag von 802 auf 1.000 Euro im Jahr angehoben werden, was allen Sparern zugutekäme.

BaFin soll weiter reformiert werden – Solvency II-Evaluierung aktiv begleiten

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) soll dem Koalitionsvertrag zufolge weiter reformiert werden. Von einer Verlagerung der Aufsicht von den IHKn und Gewerbeämtern über etwa Finanzanlagevermittler auf die BaFin ist keine Rede mehr – Staatssekretär Jörg Kukies hatte die Pläne im VersicherungswirtschaftClub angedeutet. Im knappen Vermerk zu den Versicherungen ist auch von einem möglichen Deckel der Provisionen beim Vertrieb von Lebensversicherungen keine Rede. Man will vielmehr den Evaluierungsprozess von Solvency II positiv begleiten. Die Versicherer sollten in Zukunft Klimarisiken angemessen berücksichtigen. Und für kleine Versicherungsunternehmen und Pensionskassen soll die Regulierung sich stärker an der Proportionalität ausrichten.

Neben Scholz als Bundeskanzler stellen die Grünen den Vizekanzler. Eher überraschend fällt das Gesundheitsministerium an die SPD. Hier war in Medien über eine Besetzung durch die FDP spekuliert worden. Das Außenministerium geht an die Grünen, FDP-Chef Christian Lindner bekommt das von ihm gewünschte Finanzministerium.

Stimmen aus der Branche

Überwiegend positiv wurde der Koalitionsvertrag aufgenommen. Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), freut sich besonders über die Vorhaben in der Altersvorsorge. „Der Koalitionsvertrag hebt zu Recht die Bedeutung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge für ein gutes Leben im Alter hervor. Auch wir unterstützen die Stärkung der betrieblichen Altersversorgung. Ansatzpunkte sind hier aus unserer Sicht beispielsweise die Flexibilisierung des Garantieniveaus und die Dynamisierung der Geringverdienerförderung.“ Auch aus Sicht der in Deutschland tätigen Versicherungen ist die geförderte private Altersvorsorge „reformbedürftig“, aber eben auch „reformfähig“. Die Aussagen des Koalitionsvertrages zur Versicherungsregulierung finden bei Asmussen Gefallen: „Ein klar risikobasierter Ansatz bei der Überprüfung der Aufsichts- und Eigenkapitalregeln Solvency II, bessere Bedingungen für langfristige Investitionen und vereinfachte Regelungen für kleinere Versicherungen.“

Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) begrüßt den Abschluss des Koalitionsvertrages der Ampel-Parteien ebenso wie die Beibehaltung des dualen Krankenversicherungssystems. „Positiv ist, dass die Einführung einer Bürgerversicherung, wie sie in den Wahlprogrammen von SPD und Grünen anvisiert wurde, keine Berücksichtigung gefunden hat“, sagt BVK-Präsident Michael H. Heinz. Der Verband ist zudem über das Bekenntnis zu den drei Säulen der Altersvorsorge und den Bestandsschutz für laufende Riester-Verträge erfreut. In die richtige Richtung gehe auch die Erhöhung des Sparerfreibetrages. Doch nicht alles ist positiv: „Wir sehen jedoch Pläne sehr kritisch, die mangelnde Finanzierung der gesetzlichen Rente mit zehn Milliarden Euro auszustatten, die über einen Staatsfonds am Kapitalmarkt angelegt werden sollen“, sagt Heinz. „Dies wird hier auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein und keine lebensstandardsichernde Rente für Millionen ermöglichen.“

„Der Koalitionsvertrag zeigt: Der politische Gestaltungswille der Regierungsparteien ist da! Der von vielen Seiten geforderte Pragmatismus hat gefruchtet. Die Herausforderungen der kommenden Legislatur – insbesondere im Bereich der Reform der Altersvorsorge – sollen ohne ideologische Scheuklappen angegangen werden“, sagt Martin Klein, Vorstand vom Verband unabhängiger Finanzdienstleister Votum.

Es sei zu begrüßen, dass sich Maximalforderungen wie ein generelles Provisionsverbot, eine Erweiterung der BaFin-Aufsicht auf 34f-Vermittler und „anderer Unsinn“ nicht durchsetzen konnten. Das lässt auf eine faktengetriebene Kompromissfindung im Laufe der vergangenen Wochen schließen. „Für diese Professionalität haben SPD, FDP und Grüne großen Respekt verdient“.

Wie der Koalitionsvertrag in Realität gesetzt wird und ob Aspekte wie der Provisionsdeckel tatsächlich vom Tisch sind, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Aktuell ist die Branche jedenfalls zufrieden.

Autor: Manfred Brüss, ergänzt von der Redaktion

Ein Kommentar

  • Brunhild Lohberger

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    das Wahlversprechen, es wird zu einer Bürgerversicherung kommen, ist auch ins Wasser gefallen. Ich wünsche mir in der PKV im Rentenalter geringere Beiträge, aber nein sie steigen und Wegfall mit der Klausel, 55 Jahre, weil dann so gut wie kein Ausstieg mehr möglich ist. Ich habe mich schon in der vorherigen Regierung dreimal beschwert, ohne Erfolg. Ich kann nicht meine Altersrente nur für die PKV ausgeben.
    Ich bitte endlich das Thema PKV anzupacken und normale Bedingungen im Rentenalter zu schaffen.
    Mit freundlichen Grüßen Brunhild Lohberger

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