Reinsurance Meeting 2021: „Anforderungen steigen analog zu Preisen“

Die Rückversicherer treffen sich zu Erneuerungsgesprächen in Baden-Baden. Quelle: MV

Weniger Besucher als erwartet, soviel Prämie wie erhofft. Offiziell waren 1.500 Besucher beim „Reinsurance Meeting 2021 in Baden-Baden“; doch nicht nur ein Top-Manager fragte: „Wo die denn alle sein sollen“. Zufrieden waren die Teilnehmer trotzdem. Die Rückversicherer wegen steigender Preise und die Broker, dass diese moderat ausfielen. Ob genügend Marktkapazitäten in den einzelnen Sparten vorhanden sind, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Die E+S Rück sieht in ihrem Pressegespräch „reduzierte Kapazitäten und Konditionsanpassungen im Cyber-Originalmarkt“. Darauf basierend auch Anpassungsbedarf in den Rückversicherungsverträgen. Auch bei der Naturkatastrophendeckung sorgen die „historischen Flut- und Hagelschäden des Sommers“ für „Druck auf Kapazitäten im Naturkatastrophengeschäft“, erklärt die Tochtergesellschaft der Hannover Rück, die innerhalb des Konzerns für das Deutschlandgeschäft zuständig ist.

Dagegen steht die Meinung der Vorstände Frank Reichelt und Doris Höpke von Swiss Re und Munich Re, die in ihren Pressekonferenzen von ausreichenden Kapazitäten sprachen. „Das ist unsere Sicht auf den Markt erklärte“, Hannover Rück-Vorstand Michael Pickel darauf angesprochen.

Sein Unternehmen sei im Bereich Cyber seit längerem stark investiert, im Bereich der Naturkatastrophen wären allerdings noch Kapazitäten vorhanden. In den letzten Jahren war die E+S Rück in diesem Bereich mit den Preisen „nicht vollständig zufrieden“ gewesen. Alleine ist er damit offenbar nicht. „Wir wollen, müssen aber nicht wachsen“, erklärte Höpke. Es werde nur gezeichnet, wenn ein Geschäft „Sinn mache“.

Sowohl Jan-Oliver Thofern, CEO von Aon Reinsurance Solutions Deutschland, wie auch Pickel erklärten, dass die Preisanpassung im Bereich Wohn- und Elementarversicherung nötig sei. Die Kosten für Baumaterial, Löhne und Immobilienpreise seien spürbar gestiegen. Aus diesem und weiteren Gründen sei es wichtig, das Geschäft „global zu diversifizieren“, erklärt Thofern   

Das Bild täuscht, es war in Baden-Baden deutlich weniger Betrieb als die Jahre zuvor. Quelle: MV.

Modell- oder Eigenfehler?

Selbstkritisch bemerkte Hannover Re Managing Director Jonas Krotzek im Pressegespräch des Unternehmens, dass die Branche das Flutrisiko „unterschätzt habe“. Munich Re-Vorständin Höpke hatte in ihrem Pressegespräch gesagt, dass es keine „systematische Naturkatastrophenunterschätzung gäbe“. Krotzek nennt als einen Grund für die Flutfehler nicht optimale Risikomodelle. Ein führender Manager eines Risikomodellierers, mit dem VWheute zuvor sprach, hatte die Schuld bei den Versicherern gesehen. Darauf angesprochen erklärte Pickel: „Wir beteiligen uns nicht an Modelldiskussionen“; jede Seite sei bemüht, die Fehler „beim anderen zu suchen“.

Jonas Krotzek (links) und Michael Pickel (rechts), Hannover Rück, in Baden-Baden 2021, Quelle: mv

Die Wahrscheinlichkeit einer Bernd-ähnelnden Flut bezifferte Krotzek in Deutschland auf 50 bis 80 Jahre, die Kosten lägen aktuell zwischen fünf und acht Milliarden. Pickel ergänzte und sprach vom „teuersten Rückversicherungsjahr in Deutschland“.

Prämien und Lernerfolge?

Zufrieden mit den Preisen ist Thofern. „Die Erwartungen sind erfüllt worden, erklärte Thofern im Gespräch mit der Versicherungswirtschaft in Baden-Baden. Es wäre mit Augenmaß verhandelt worden. Auch Höpke und Pickel rechnen fest mit steigenden Prämien.

Jan-Oliver Thofern, CEO von AON Reinsurance Solutions Deutschland, Quelle: mv

Viele Rückversicherungsmanager stellen ein „zunehmendes Risikobewusstsein“ bei den Kunden fest. „Die Anforderungen sind gestiegen“, erklärt auch Thofern. Um damit Schritt zu halten, bedarf es „signifikante Investitionen in Technik und Fähigkeiten.“ Größe sei zwar kein Wert an sich, erklärt er vor dem Hintergrund des sich immer stärker konzentrierenden (globalen) Brokermarktes, sei aber in Bereichen wie „Scale“ und Know-how hilfreich. Ein kleines Unternehmen wird die Anforderungen künftig „kaum noch stemmen können“, glaubt er.

Kritik an der Branche

Während die Rückversicherer zufrieden mit den Entwicklungen des Marktes sind, schäumen die Umweltschützer. Zu Beginn des Rückversicherungstreffens in Baden-Baden zogen sie eine sehenswerte und nasse Demonstration auf.

Urgewald demonstriert in Baden-Baden 2021. Quelle: Urgewald

Die Rückversicherer würden nach wie vor fossile Energie versichern, was dem Klimawandel Vorschub leiste, lautet die Kritik. „Wir erwarten, dass noch mehr Rückversicherer Kohle aus der Rückversicherung ausschließen und bei denen, die das im Bereich Einzelrückversicherung (fakultativ) getan haben, dass sie den Ausschluss auf Sammelrückversicherungen (treaty) ausweiten“, erklärt Regine Richter, Kampagnenstrategin bei der NGO Urgewald. Swiss Re und Munich Re sowie Hannover Rück hätten das angekündigt, ohne jedoch Details zu veröffentlichen „wie sie das angehen“. Bisher rückversichern alle drei noch PZU, einen polnischen Erstversicherer, der eine der „letzten Bastionen“ für Kohle in Polen ist. Solche offensichtlichen Kohlekunden sollten Rückversicherer „direkt ausschließen“, fordert Richter. „Über die Kohle hinaus“ erwartet die NGO, dass die Rückversicherer „keine neuen fossilen Projekte mehr rückversichern“.

Es ist die alte Frage: Ist ein Ausschluss zielgerichteter als der Dialog mit dem (Fossil-)Unternehmen? Für Richter ist die Antwort klar. „Nach unserer Erkenntnis beginnen Unternehmen wie RWE sich erst zu bewegen, wenn sie wirklich unter ökonomischen Druck geraten, indem z.B. keine Investoren mehr zu finden sind.“ Wo genau der Druck bei PZU (polnischer Versicherer) „stattgefunden oder gar gewirkt haben soll, erschließt sich mir nicht.“

Da weder Klimawandel noch der Druck der NGOs verschwinden, wird auch das Reinsurance Meeting 2021 in Baden-Baden spannend werden.

Autor: Maximilian Volz

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