Buberl und Greco im Vergleich: Kommt das Beste noch?

Mario Greco und Thomas Buberl haben ihr Unternehmen auf Erfolg getrimmt. Quelle: Zurich und Axa - von Redaktion bearbeitet.

Während europäische Banken immer noch mit den Folgen ihrer mehr als eine Dekade zurückliegenden Sünden ringen,  scheint es der europäischen Assekuranz derzeit prächtig zu gehen. Gute Beispiele von vorausschauendem Management sind die CEOs Mario Greco (Zurich)  und Thomas Buberl von der Axa. Möglicherweise haben die beiden Größen ihre Karten noch gar nicht alle auf den Tisch gelegt.

 Die Versicherer weisen verschlankte Strukturen auf, optimieren ihre Solvabilität und vergaloppieren sich nur selten in gefährliche Bereiche wie Cyber und D&O. Selbst der Black Swan COVID und die daraus resultierend staatlichen Zwangsmaßnahmen vermögen sie nicht in die Knie zu zwingen. Im Gegenteil: aufgrund drastischer Ratenerhöhungen werden nun Combined ratios und Eigenkapitalrenditen präsentiert, welche Börsianerherzen höher schlagen lassen. Die CEOs Buberl und Greco sind bereits seit Jahren dabei und können sich den derzeitigen Erfolg daher auf die eigenen Fahnen schreiben.

Axa und Zurich sind die weltweit operierenden Assekuranz-Champions ihrer jeweiligen Heimatländer. Ihre nun publizierten Kernzahlen zum ersten HJ 2021 präsentieren sich recht vergleichbar was Combined ratio nicht-Leben, Rendite auf die eingesetzten Kapitalien und Solvabilität angeht. Dies ist nicht zuletzt der Verdienst der jeweiligen CEOs.

Konsolidierte Zahlen 1. HJ 2021AXA EUR Mrd.Zurich US$ Mrd.
Bruttoprämie53,865 Mrd + 7%36,637, ohne Farmer +12%
Normalisierter Gewinn, underlying earnings3,643 +93%2,193             +86%
Bilanzgewinn3,996 +180%2,714 +60%
Solva-Quote212% +12%Punkte206% + 5% Punkte +24% Punkte gegenüber 1.HJ 2020 Swiss Solvency Test
Bruttoprämie P&C28,100 +4%22,034 + 16%
Combined ratio P&C93,3% –8,3% Punkte93,9% –6% Punkte
Bruttoprämie Leben16,900 +12%14,603 +12%
Ergebnis Leben1,2400,802 +44%
Rendite16,6%, davon 2,2% Besserabwicklung Vorjahre + 8,3% Punkte                                                                14,0% +5,9%Punkte
Investmentrendite2,8% Minus 0 4% Punkte2,5% Unverändert
Effektive SteuerquoteCa. 25%25%
Nettowert68,400 u.a. durch Zahlung der Vorjahresdividende reduziert36,448 +10%
Flutschäden 2. HJ Fluten China0,400 netto Rückversicherung ?Insgesamt Großschadeneffekt 5% auf combined ratio erwartet

Die ausgewiesenen Originalzahlen betreffen bisweilen normalisierte Gewinne bei Plan-catnat-Belastungen, unter Herausrechnung von Wechselkursschwankungen und im Fall von Zürich unter Ausklammerung von Lebens-Volumina ohne große Risikotransfer. Sie sind daher nicht so einfach vergleichbar.

Präsentable P&C Combined ratio

Als Faustregel gilt, dass in Zeiten staatlicherseits manipulierter Marktzinsen, und daher zu vernachlässigender nicht-technischer Ergebnisse, eine P&C Combined ratio von maximal 95 Prozent erforderlich ist, um den cost of capital von knapp 8 Prozent auf das eingesetzte Eigen- und nachrangige Fremdkapital zu erwirtschaften. Jeder Prozentpunkt Combined ratio unterhalb dieser Marke bedeutet Übergewinne. Zurich erklärt, man habe im ersten Halbjahr 15 Prozent Rendite erwirtschaftet, allerdings auch aufgrund einer relativ geringen Naturkatastropheninzidenz, und damit das eigene Ziel von 14 Prozent  übertroffen. Vielleicht hat ja auch die Abriegelung des EU-Marktes von der lästigen Londoner Konkurrenz geholfen. Die Schweizer berichten von erheblichen Ratenanpassungen über alle Geschäftssegmente, 7,4 Prozent seien es gewesen. Dies habe die niedrigste Combined ratio der letzten zwanzig Jahre zur Folge gehabt.

Im Fall  der Axa hatte es Zweifel hinsichtlich der Weisheit der XL-Akquisition gegeben – zu teuer, zu schwer integrierbar. Jedoch haben sich die Ergebnisse der „XL“ nun wesentlich verbessert. Bei beiden Häusern sanken die COVID-19-Schäden im Bereich P&C, doch klagen sie über eine festgestellte Übersterblichkeit im Lebensbereich, vermutlich bei älteren Versicherungsnehmern in Nordamerika und generell in Südamerika und Südostasien.

Bei der Betrachtung der publizierten Ergebnisse sollte man sich an die Schwammfunktion der Schadenrückstellungen erinnern. In Zeiten knapper Raten tendieren diese zwecks Ergebnisglättung knapper denn üblich dotiert zu werden. Brechen wieder bessere Zeiten an, so werden sie zunächst einmal zulasten des Geschäftsjahresergebnisses aufgefüllt und anschließend auch noch für die sicher kommenden mageren Zeiten abgespeckt. Es würde nicht wundern, wenn weder die Axa- noch die Zurich-Zahlen das volle Ausmaß des derzeitigen Turnarounds zeigten.

Bereits deutlich überkapitalisiert

Die jeweilige Solvabilität wird durch vorsichtigen Umgang mit der knappen Ressource Kapital charakterisiert. Hierzu gehören die Abkehr von kapitalintensiven Renditegarantien und die Solvamittel einsparende regionale Diversifikation der Exposures. Zusätzlich können der Einsatz unternehmenseigener Solva-Modelle sowie die Begebung lächerlich günstiger nachrangiger Anleihen angewandt werden. Hinzu kommt im Fall der Zurich , dass sie das Farmers-Exchanges-Geschäft in den USA, immerhin 10,8 Mrd. Dollar Bruttoprämie, nur als Zeichnungsagent für Gegenseitigkeitsvereine betreibt, mithin nicht einmal selbst das Risikokapital stellen muss.  In diesem Bereich erwirtschaftet Zurich eine 6,8-prozentige Rendite auf die verwaltete Prämie. Die Axa erwartet aus der Rückversicherung eines geschlossenen Lebensbestands in Hongkong eine Verbesserung der eigenen Solva-Marge um zwei Prozentpunkte, freilich bei Rückversicherungskosten von 0,1 Mrd. Euro.

Die derzeitigen Solva-Ratios liegen erheblich über den Zielgrößen. Dies sollte Raum schaffen für erhöhte Dividenden, Zukäufe weiterer Konzerngesellschaften oder Reduzierung des extern gekauften Rückversicherungsschutzes. Das gilt besonders in einem derzeit als vielleicht allzu teuer empfundenen Markt für passive Rückversicherung. Die Rückversicherungspartner ihrerseits könnten befürchten, dass ihre überkapitalisierten Zedenten lediglich opportunistisch im gegenwärtigen Umfang Schutz einkaufen. Umgekehrt kann ein großer überkapitalisierter Erstversicherer auch selber auf den Gedanken kommen, sich ähnlich wie Covéa ein Standbein in der aktiven Rückversicherung zuzulegen.

Derzeit beschreitet die britische Aviva angesichts fehlender Investitionsmöglichkeiten den Weg einer 4 Mrd. Pfund betragenden Kapitalrückzahlung. Das schadet dem Rating nicht.  

Im modisch grünen Gewande daherkommend

Nicht fehlen durfte bei beiden Versicherungsgruppen ein Bekenntnis zu ESG-Zielen, insbesondere die selbstauferlegte Verpflichtung bis 2050 Net-Zero in den eigenen Bereichen Investments und Operations zu erreichen. Man möchte schließlich nicht von grünlichen Investment-Managern auf die Ausschlussliste gesetzt und von jüngeren Kunden boykottiert werden. Dies dürfte die Anschaffung einiger Hundert Quadratkilometer an Alibi-Wäldern erfordern. Überdies heftet sich Axa einen von Bloomberg kreierten Gender Equality Index an die (m/w/d)-Brust.

Die Axa implementiert derzeit das Mehrjahresprojekt „Driving Progress 2023“. Die Kooperation sieht u.a. eine digital-health-Plattform mit Microsoft vor, wohl eine Weiterentwicklung des alten französischen Assistance-Gedanken. Im ersten Halbjahr veräußerte Axa zudem  geografische Konzentration in Form von  Beteiligungsunternehmen in Griechenland und Malaysia für insgesamt 0,3 Mrd. Euro.

Triple A im Visier?

Es scheint eine Liga der einander ebenbürtigen, weltweit operierenden und in Europa ansässigen Kompositversicherer der ersten Liga zu geben, der auch noch Generali, HDI und Mapfre angehören. Sie alle verzeichnen drastisch verbesserte Ergebnisse, im Fall von Zurich jedoch durch potenzielle Haftungen aus dem US-Investment-Management-Geschäft getrübt. Daneben existieren auch noch sehr erfolgreiche Versicherer der zweiten Liga, deren Ambitionen sich auf wenige nahe gelegene Märkte beschränken, etwa die Baloise.

Auch wenn die derzeitigen Ergebnisse insbesondere im Bereich P&C beeindrucken und verführen, hätten neue Wettbewerber erhebliche Marktzutrittshürden zu überwinden, was Vertriebssystem und Rating angeht. Einzige Ausnahme ist wohl Berkshire Hathaway.

Sollte die derzeitige Glückssträhne der beiden Co-Market-Leader Zurich und Axa noch eine Weile anhalten, so wäre wohl an Rating-Heraufstufungen um jeweils einen Notch zu denken:  dann jeweils auf „AA“. Sollte die gegenwärtige Entwicklung noch einige Jahre währen so könnten am Ende der Entwicklung ein mit „Triple A“ geschmückter, weltweit agierende Erstversicherer stehen.

Neuer Schlag von CEOs

Gemein ist den CEOs großer Versicherer vom Schlag Buberl und Greco, dass sie ihre Unternehmen nüchtern auf die Zielgrössen Return on Capital und Solvabilität ausrichten. Das allerdings bei gleichzeitigem Hoffieren grüner Lobby und Optimieren der eigenen Stock-options. Bei früheren CEO-Generationen standen stattdessen Wachstum um jeden Preis, Vereinsmitgliedschaften mit Kartellcharakter sowie die Verdrahtung zur nationalen Politik im Vordergrund.

Die Nationalität spielt bei intern auf Englisch kommunizierenden Unternehmen keinerlei Rolle mehr. Im Sinne nationaler Diversität leitet ein Deutscher Axa und ein Italiener Zurich. Greco hat seit seinem Amtsantritt im März 2016, nach einem vierjährigen Intermezzo als Generali-CEO, den Turnaround seines Unternehmens fürwahr nicht ‚ad calendas graecas‘ verschoben.

Andererseits arbeitet Axa wohl noch an der vollen Verdauung, Pardon: Integration der 2018 für 15,3 Mrd. Dollar dazu erworbenen XL. Zum Zeitpunkt jenes strategischen Schritts war Buberl bereits Deputy CEO, trägt also Mitverantwortung für den hoffentlich nicht an Pyrrhus erinnernden Sieg. Trösten kann er sich damit, dass der Konkurrent Allianz im Bereich der Kapitalanlage für Dritte vielleicht in Höhe von 5 Mrd. Euro wird haften müssen. Auch professionelle Versicherungsgruppen sind gegen derartige gelegentliche Betriebsunfälle nicht gefeit.

Autor: Philipp Thomas

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