Allianz: Schlechte Stimmung in der Königinnenstraße

Konzernchef Oliver Bäte. Quelle: Allianz SE

Wenn die Allianz heute ihre Halbjahresbilanz für 2021 vorlegt, herrscht im Vergleich zu vorherigen Jahren etwas Katerstimmung. Allein der Rechtsstreit um die massiven Verluste des US-Hedgefonds bereitet den Granden des Versicherers deutliche Sorgen. Auch Vorstandschef Oliver Bäte muss neuerdings Kritik einstecken.

Lange Zeit galt Oliver Bäte als uneingeschränkter Macher an der Konzernspitze des deutschen Branchenprimus. „Ein-Milliarden-Euro-Mann“ oder „Der Performer“ titelte VWheute in den vergangenen Jahren. Noch 2019 wählte das Handelsblatt den Konzernchef gar zum „Versicherungsmanager des Jahres“. So hat Bäte die Allianz in den vergangenen Jahren nicht nur spürbar umgekrempelt – auch der Markenkern des Konzerns „Kompetenz, Integrität und Stabilität“ wurde bislang gewahrt.

Dabei hat der Allianz-Chef in den vergangenen Jahren dazugelernt: Während er früher die eigene Belegschaft mit Sätzen wie „können keinen Job garantieren“ marterte, hat er beim jüngst verkündeten Totalumbau der Deutschland-Tochter das genaue Gegenteil getan. Nicht nur wurden den Mitarbeitern die Stellen zugesichert, auch die Standortzugehörigkeit ist sicher. Das kommt nicht von ungefähr, denn die Arbeitnehmervertretung ist noch nicht überzeugt und die letzte Hürde für den CEO.

Nun scheint dessen Bild in der öffentlichen Wahrnehmung zumindest erste Kratzer zu erhalten. Hintergrund sind die Verluste mehrerer Hedgefonds in den USA, die nun auch im Mittelpunkt juristischer Auseinandersetzungen stehen. Konkret geht es um Hedgefonds, die Allianz Global Investors unter dem Namen „Structured Alpha Fonds“ aufgelegt hatte. Die Papiere hatten in der Talfahrt an den Märkten zu Beginn der Corona-Krise im Jahr 2020 heftige Verluste erlitten. Zwei der Fonds wurden aufgelöst. Schon im Sommer 2020 hatte sich die US-Wertpapieraufsicht SEC eingeschaltet und von AllianzGI Auskünfte zu den Fonds gefordert. Die Investorenseite fordert einen Schadenersatz von sechs Mrd. Euro.

Zu den Klägern gehört neben dem Pensionsfonds für Lehrer im US-Bundesstaat Arkansas (ATRS) auch der Fonds für die 70.000 Mitarbeiter des Betreibers der New Yorker Verkehrsbetriebe, der Metropolitan Transport Authority (MTA). Der Allianz wird konkret vorgeworfen, bewusst von der Strategie abgewichen zu sein, die Fonds mit Optionen gegen einen kurzfristigen Absturz an den Finanzmärkten abzusichern. Dabei sollten die Fonds bis zu zehn Prozent höhere Renditen bringen als der S&P-500-Index. Mit einem der Fonds erlitten die Anleger laut den Klagen einen Verlust von 97 Prozent.

Wenig überraschend, dass die Kritik an Führungsstil öffentlich zunimmt: So entstehe in der Hedgefonds-Affäre „der Eindruck, als habe der Konzern die Sache herunterspielen wollen, um gegenüber der Börse das Bild eines Konzerns zu wahren, der robust und ohne Probleme durch die Coronapandemie steuert. Damit hat Bäte das Interesse der Aktionäre über das der Kunden gestellt. Weil die Taktik nicht aufging, schadete die Allianz damit allerdings letztlich auch ihren Anteilseignern“, kommentierte jüngst das Nachrichtenmagazin Spiegel.

„Wir haben es mit einer gewaltigen Pandemie zu tun und bedingt dadurch mit einem Systemausfall. Das ist vergleichbar mit Katastrophen wie Erdbeben oder der Explosion eines Atomkraftwerks.“

Allianz-Vorstandschef Oliver Bäte im April 2020

Hinzu komme Bätes zweiter Fehler in der Corona-Pandemie: „Als im ersten Lockdown nach Ausbruch der Seuche Hunderttausende Gastronomen ihre Betriebe schließen mussten, ließ die Allianz Kunden hängen, die glaubten, sich mit einer Betriebsschließungsversicherung gegen eine solche Katastrophe abgesichert zu haben“, so Kommentator Martin Hesse weiter. Mithilfe des „bayerischen Kompromisses“ habe die Allianz den Schaden zulasten der Kunden begrenzen wollen. Die Folge sind zahlreiche Gerichtsprozesse in ganz Deutschland – wobei die Richter bekanntlich sehr unterschiedlich urteilen. Eine klare Linie im Streit um die BSV dürfte wohl erst eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) bringen.

Glaubt man Analysten, befindet sich die Allianz dennoch auf einem guten Weg, ihr Gewinnziel für 2021 zu erreichen. Auch die Belastungen durch die Flutkatastrophe und andere Unwetter dürften nach Einschätzung von Marktbeobachtern nicht gravierend ins Gewicht fallen. Mit Blick auf die Turbulenzen in den USA warnte Bäte am letzten Sonntag zwar vor einem „relevanten Risiko“ und „erheblichen Auswirkungen“ auf künftige Ergebnisse. Konkret wurde er dabei aber nicht.

So rechnet die Allianz bislang mit einem operativen Gewinn von zwölf Mrd. Euro (2020: 11,86 Mrd. Euro), wobei Abweichungen um jeweils eine Milliarde Euro nach oben oder unten möglich sind. Zudem erwarten die Analysten laut Bloomberg einen operativen Gewinn von gut drei Mrd. Euro im zweiten Quartal 2021, was einem Plus von 19 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht.

Die Aktionäre quittierten die Ereignisse in den USA zu Beginn der Woche mit einem deutlichen Kursrutsch von 7,7 Prozent. Die Ratingagentur Standard & Poor’s geht davon aus, dass die Untersuchungen die Allianz dazu zwingen könnten, die eigenen Gewinnerwartungen noch einmal zu überdenken und nach unten zu schrauben. Ob die Aktionäre heute wieder in Käufer- oder Verkäuferlaune sind, werden die Halbjahreszahlen zeigen.

Autor: VW-Redaktion

Ein Kommentar

  • Nun, wenn man den Rückgang der Solvenzquote bei der Allianz Leben ansieht, ist die Entwicklung nicht ganz neu, dass die Stellung nicht mehr überdurchschnittlich solide ist

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