Kfz-Versicherung: Was läuft schief im Geschäft mit den Werkstätten?

Sind KFZ-Versicherer und Werkstätten Gegenspieler? Bild von Ryan McGuire auf Pixabay.

Schwere und zahlreiche Vorwürfe gegen die Autoversicherer. Die Werkstattbindung der Huk-Coburg sei für die angeschlossenen Werkstätten ein „mieses Geschäft“, bescheinigt eine große Zeitung. Der Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) kritisiert „zerstörerische Stundensätze“ und „Ausnutzung“, nicht nur der HUK, sondern auch durch andere Versicherer wie VHV und Allianz. Die Unternehmen wehren sich, fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt.

Ein Karosseriebaumeister mit dem Synonym Schneider klagt gegenüber dem Tagesspiegel, dass die HUK den Partnerwerkstätten „keine Luft zum Atmen“ lasse. Der Grund sind laut Vorwurf zu geringe Stundensätze bei. Diese variieren je nach Stadt, für eine Karosseriearbeit werden in Münster rund 111 Euro in München 153 Euro fällig. Um in die Werkstattbindung aufgenommen zu werden, und dadurch Aufträge zu erhalten, gewähren die Werkstätten einen reduzierten Satz. „Auf diesen (Anmerkung der Redaktion: festen Preis) haben wir mit der HUK einen Nachlass von 46,50 Prozent vereinbart“, erklärt Schneider. Im Endeffekt wäre das Partnermodell dadurch ein Draufzahlgeschäft. „Ich muss für 150.000 Euro Leistung bringen, um 100.000 Euro von der Versicherung zu bekommen. Das System ist professionell in der Umsetzung, aber barbarisch in der Abrechnung. Bis die Kollegen das erkennen, sind sie im Netz gefangen.“

Die Vorwürfe des Meisters bekräftigt Thomas Aukamm, Hauptgeschäftsführer des Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF). „Die Versicherer vereinbaren mit den Werkstätten bewusst zerstörerische Stundensätze. Sie nutzen die Unwissenheit der Betriebe über ihre tatsächliche Kostensituation aus, um die Preise zu drücken“, erklärt er.

Hauptsache es geht in die Partnerwerkstatt

Ein weiteres Problem ist laut Schneider und Aukamm, dass die Versicherer versuchen, immer mehr Autos in die Partnerwerkstätten zu lotsen, auch die Haftpflichtschäden. „Versicherer wie die Huk-Coburg, VHV oder Allianz versuchen nach einem Unfall beabsichtigt, alle beteiligten Autos, also auch die Haftpflichtschäden des Geschädigten, in ihre Partnerwerkstätten zu steuern. Das Ziel ist es, dass diese dort zu den mit den Partnerwerkstätten vereinbarten niedrigen Stundensätzen repariert werden und dadurch weitere Kosten eingespart werden können.“ Dadurch entgehe den Werkstätten wertvolles Geschäft zu regulären Stundensätzen. Die Situation der Betriebe werde dadurch weiter erschwert und führe zu einer „Subvention der gesteuerten Schäden durch das Eigenkapital der Betriebe“.

Das dritte große Problem ist die Ersatzteilbeschaffung. Im System mit der Werkstattbindung müsse die der KFZ-Betrieb die „Ersatzteile über fünf Distributionszentren im Auftrag der HUK zentral bestellen“, was den Gewinn am Ersatzteilgeschäft schmälere. Zudem würde das System noch weitere Probleme mit sich bringen. „Die Lieferung kommt über Nacht, wenn wir nicht bis neun Uhr Fehlmengen oder falsch gelieferte Teile reklamiert haben, bleiben wir ebenfalls auf den Kosten sitzen“, klagt Schneider.

Viele KFZ-Versicherer arbeiten mit Rechnungsdienstleistern wie Control-Expert zusammen, mittlerweile von der Allianz gekauft, um die Rechnungen der Werkstätten prüfen zu lassen. Das gehe zu Lasten der KFZ-Betriebe, erklärt Aukamm. „Die Versicherer kürzen über Rechnungsdienstleister, beispielsweise Control-Expert, im großen Stil Rechnungen der Werkstätten. Dies geschieht bewusst so, dass die Beträge im Einzelnen für viele Werkstätten zu klein für Klagen sind, im Großen über mehrere Millionen Schäden insgesamt allerdings einen stattlichen Betrag ergeben“. Wenn die Werkstätten juristisch dagegen vorgehen würden, der ZKF hat dafür eine eigene Plattform gegründet, liege die Erfolgsquote „fast bei hundert Prozent“. Dies unterstreiche die „Unrechtmäßigkeit der Kürzungen“.

Die Allianz stellt sich den Vorwürfen

Das ist ein ganzes Bündel an Beschuldigungen gegenüber den KFZ-Versicherern, doch sie bleiben nicht unwidersprochen. „Die Allianz steuert Fahrzeug-Schäden in die Partnerwerkstätten der Service-Partner-Netzwerk GmbH (SPN). Die SPN verhandelt dabei die Konditionen partnerschaftlich und auf Augenhöhe. Die vertraglichen Parameter orientieren sich an den regionalen Preisen, wie auch der konkreten Situation der Betriebe. Wichtig ist uns dabei nicht nur der partnerschaftliche Umgang, sondern eine stabile Basis auch für eine zukünftige Zusammenarbeit“, schreibt die Allianz.  Das große Interesse vieler freier und auch markengebundener Werkstätten an einer Aufnahme in das SPN-Netzwerk zeige, dass die Bedingungen „fair und angemessen“ sind.

„Wir setzen bei dem Prüfprozess des Kostenvoranschlages bei den SPN-Partnerwerkstäten auf Vertrauen statt Kontrolle“, heißt es weiter. Bei etwaigen Korrekturen trete der technische Innendienst der Versicherer direkt mit der Partnerwerkstatt in Verbindung und klärt einvernehmlich mögliche Veränderungen in der Kalkulation. Was genau korrigiert wurde, kann der Betrieb im SPN-Portal Kalkulationssystem  nachvollziehen. Nach der Abstimmung zwischen Versicherer und Partnerwerkstatt wird der freigegebene Kostenvoranschlag im Kalkulationssystem vom Partnerbetrieb angenommen. Erst dann erfolge die technische Freigabe über das SPN-Portal. „Bei Reparaturerweiterung oder Nachkalkulation stimmt sich die Partnerwerkstatt erneut mit dem Versicherer ab. Aufgrund der Prüfung, Abstimmung und Freigabe des Kostenvoranschlags im Vorfeld durch den technischen Innendienst entfällt eine Kürzung der Werkstattrechnung“, schreiben die Münchener.

Das sagt die Huk-Coburg

Der Branchenprimus argumentiert ähnlich wie der Münchener Konkurrent. „Die Huk-Coburg betreibt seit knapp 20 Jahren das Geschäftsmodell der Partnerwerkstätten. Aktuell besteht unser Netz aus über 1600 Betrieben, die sich entschieden haben, mit uns zu arbeiten.“  Die meisten davon seien mit den Leistungen der HUK zufrieden. „Den Vorwurf, dass wir Preise drücken bzw. barbarisch abrechnen, sodass unsere Partner in Existenzprobleme kommen, weisen wir von uns. Schon allein deshalb, weil wir genauso wie die Betreiber der Werkstätten an zufriedenen Kunden interessiert sind.“

Warum sollten wir die Partnerwerkstätten finanziell an ein Existenzminimum bringen, wenn wir unsere HUK-Kunden in den Werkstätten gut behandelt wissen wollen, um sie zu halten, fragen die Coburger. „Aus diesem Grund bieten wir feste Umsatzversprechen, garantieren kurze Zahlungsziele sowie extra vergütete Nebenleistungen für unsere Partner an.“ Das ist unser Verständnis einer fairen Preisgestaltung, erklärt der Versicherer. „Die Konditionen sind von Anfang an transparent und von jedem einsehbar. Zur Fairness gehört auch, dass wir während des Lockdown unsere Partnerwerkstätten mit drei Hilfspaketen unterstützten. „

Dass es zwischen den Partnern auch mal knirscht, verhüllt der Versicherer nicht. „Natürlich ist es – wie überall – möglich, dass es vereinzelt Unzufriedenheiten gibt, die auch mal zur Kündigungen führen können. Zwar zeigt uns unsere Statistik in der Kundenzufriedenheit auch hier ein anderes Bild, denn unsere Beschwerdequoten bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sind ebenso unterdurchschnittlich wie unsere Prozessquoten.“  Bei Problemen bitte die HUK an, „mit uns Kontakt aufzunehmen“. Denn nur dann könne man in „diesen Einzelfällen besser werden“.

Der dritte angesprochene Versicherer schreibt: „Die VHV hat kein eigenes Partnerwerkstattnetz. Wir kooperieren mit einem Fremdnetz und schließen selbst keine Verträge mit den Werkstätten. Wer sich einem Werkstattnetz anschließt, hat eine gewisse Auslastung zu bestimmten Konditionen garantiert. Da dort die Konditionen festgelegt worden sind, schalten wir hier keine externen Prüfdienstleister ein.“

Umkämpfter Markt fordert Opfer

Die Preispolitik der Versicherer ist eine Folge des härter werdenden KFZ-Wettbewerbs in der Branche, bei dem auch Vergleichsportale wie Check 24 oder Verivox kräftig mitmischen und ihren Prämienanteil fordern. Zudem sollte berücksichtigt werden, dass die KFZ- und Ersatzteilhersteller ihre angespannte Marktsituation mit Preissteigerungen zu lindern suchen. Ersatzteile wie Scheinwerfer, Windschutzscheiben und Kotflügel sind in den letzten zwölf Monaten „erneut deutlich teurer geworden“, meldet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) aktuell. Zwischen August 2019 und August 2020 haben die Autohersteller die Preise im Schnitt um fast fünf Prozent erhöht. Sowohl teurere Ersatzteile wie Stundensätze für Autoreparaturen beeinflussen die Beiträge der Kunden, die in der Anbieterwahl nach wie vor entscheidend ist.

Natürlich ist ein harter Wettbewerb keine Entschuldigung dafür, einen Dritten auszupressen wie eine Orange, wie die Vorwürfe suggerieren. Ob das tatsächlich geschieht oder  es die berühmten Einzelfälle sind, ist von außen nicht zu entscheiden und variiert wohl von Fall zu Fall. Es ist auf jeden Fall einfach, als Dritter mit den Parteien ins Gespräch zu kommen, vielleicht braucht es einen Mediator, um die Probleme zu lösen.

Anmerkung der Redaktion: Die Antworten der VHV wurden am 30.09 zum Text hinzugefügt.

Autor: Maximilian Volz