Stiller Riese: So unaufgeregt managt Top-5-Versicherer R+V die Krise

Norbert Rollinger. Quelle: R+V

Wenn R+V-Chef Norbert Rollinger heute die Geschäftszahlen für 2020 präsentiert, dürfte er dies wohl mit weitgehender Zufriedenheit tun. Denn Corona scheint – bislang zumindest – nur geringe Spuren in der Bilanz des Wiesbadener Genossenschaftsversicherers hinterlassen zu haben.

So stiegen die Beitragseinnahmen im letzten Jahr um satte 8,3 Prozent auf 19,9 Mrd. Euro. Die Versichertengemeinschaft des Wiesbadener Versicherers ist zudem um 105.000 auf 8,9 Millionen gewachsen. Auch das Beitragsvolumen der R+V Versicherungsgruppe im deutschen Erstversicherungsgeschäft legte um 7,5 Prozent auf 16 Mrd. Euro zu.

„Insgesamt würde ich von einem ordentlichen Geschäftsjahr sprechen. Wir haben einige Schäden, weil wir in den Sparten engagiert sind, die von der Pandemie betroffen sind. Wir haben Schäden durch Betriebsschließungen, sind einer der führenden Kreditversicherer und sichern Veranstaltungen, die Reisebranche und auch Kurzarbeit in unseren Restschuldversicherungen ab.“

Norbert Rollinger, Vorstandsvorsitzender der R+V Versicherung

Offen ist hingegen noch, welche Spuren die juristischen Auseinandersetzungen auf die Bilanz haben werden: Laut R+V-Vorstandschef Norbert Rollinger seien „aktuell 26 Klagen anhängig. Vier Klagen sind inzwischen entschieden – drei sind abgewiesen worden und eine hat der Kläger zurückgezogen.“

Seine Position ist indes klar: „Wir haben sehr klare Bedingungen. Wir haben die Viren enumerativ aufgezählt und nicht pauschal auf das Infektionsschutzgesetz verwiesen. Wir sind sehr zuversichtlich, dass die anderen Klagen auch so entschieden werden“. Dabei hatte Rollinger bereits zu Beginn der Pandemie recht deutlich gemacht, dass die Branche die „gewaltigen wirtschaftlichen Schäden“ nicht schultern könne.

„Klar ist nur: Wir reden von Hunderten Milliarden Euro, einem nennenswerten Teil unseres Bruttoinlandsproduktes. Zum Vergleich: Die gesamte Versicherungsbranche nimmt jedes Jahr mittels Prämien rund 200 Milliarden Euro ein – und zwar für alle Versicherungen, die sie anbietet. Die Schäden, mit denen wir rechnen müssen, stellen also ein Vielfaches dieser Summe dar. Das können die Versicherer nicht alleine lösen. Die Prämien für die Kunden wären sonst unbezahlbar hoch oder die Branche würde bei der nächsten Pandemie selbst untergehen.“

Norbert Rollinger, Vorstandsvorsitzender der R+V Versicherung

Allerdings will der Genossenschaftsversicherer auch weiterhin Pauschalreisen absichern – obwohl die Tourismusbranche wegen Corona derzeit nahezu darnieder liegt. Nach den Plänen der Politik soll es zwei Wege der Absicherung von Pauschalreisen geben: Für Reiseveranstalter mit einem Jahresumsatz von mindestens drei Mio. Euro sieht das Gesetz einen millionenschweren Sicherungsfonds vor.

Unternehmen mit einem geringeren Umsatz sollen sich laut R+V aber weiterhin bei Versicherungen oder Banken absichern können. Bei beiden Varianten erhalten die Kunden wie bisher mit der Buchungsbestätigung einen Sicherungsschein. Diese Regelung gelte auch, wenn ein Urlauber beispielsweise ein Hotelzimmer und ein Wellness-Angebot im Paket bucht.

R+V Versicherung im Rückblick: Die Höhepunkte der vergangenen Monate

11.03.2021: R+V Versicherung zahlt zehn Mio. Euro an Kunden aus
Die R+V will ihren rund 273.000 Mitglieder-Plus-Kunden Beiträge von rund zehn Mio. Euro zurückerstatten. Geld zurück gebe es demnach für die fünf Bausteine der Mitglieder-Privatpolice: Hausrat, Wohngebäude, Haftpflicht, Rechtsschutz und Unfall, außerdem für die eigenständige Mitglieder-Risiko-Unfallpolice und die Mitglieder-Kfz-Police.

02.03.2021: Klaus Endres wechselt von der Axa Deutschland zur R+V
Der Aufsichtsrat der R+V hat Klaus Endres (44) in den Holding-Vorstand berufen. Er übernimmt spätestens zum 1. Januar 2022 die Verantwortung für das Ressort Komposit-Versicherungen/Passive Rück. Er folgt damit auf Edgar Martin (63), der Ende 2021 planmäßig in den Ruhestand geht.

05.02.2021: R+V-Umfrage: Mehrheit der Deutschen befürchtet Konjunktureinbruch durch Corona
Die andauernde Corona-Pandemie befeuert zunehmend die Furcht der Deutschen vor einer Rezession und immer wiederkehrenden Lockdowns bis zum Ende der Impfungen. Auch das Vertrauen in die Politik nimmt weiter ab, heißt es in einer Sonderbefragung zur R+V-Studie „Die Ängste der Deutschen“ Ende Januar 2021.

11.09.2020: R+V: Deutsche sorgen sich nur wenig
Trotz Corona-Pandemie ängstigen sich die Deutschen so wenig wie lange nicht mehr. Der Angst-Index der R+V-Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen“ erreicht mit 37 (39) Prozent den niedrigsten Stand seit seiner Erfassung 1992. „Die Deutschen reagieren auf die Pandemie keineswegs panisch. Das verdeutlicht der Angst-Index – der Durchschnitt aller abgefragten Ängste“, sagt Brigitte Römstedt, Leiterin des R+V-Infocenters, anlässlich der Vorstellung der Studie. „Sorge Nummer eins“ ist die Politik von Donald Trump.

01.09.2020: R+V schließt sich internationalem Investorennetzwerk von Asset Managern an
Die R+V Versicherung will künftig nachhaltiger investieren und hat dafür die von den Vereinten Nationen (UN) unterstützten Principles for Responsible Investment (PRI) unterzeichnet. Der Wiesbadener Genossenschaftsversicherer hat sich damit einem Rahmenwerk zur nachhaltigen Kapitalanlage angeschlossen. Sie folgt damit der Talanx, die bereits seit November 2019 dem Netzwerk angehört.

20.05.2020: R+V steigt beim 1. VC Wiesbaden als Sponsor ein
Die R+V Versicherung ist neuer Silber-Lilienpartner des Volleyball-Bundesligisten 1. VC Wiesbaden. Die Partnerschaft mit dem Volleyballverein startet zur Saison 2020/21 und ist für drei Spielzeiten angelegt.

Auch in der Lebensversicherung schließt sich die R+V offensichtlich dem allgemeinen Branchentrend an: So gab der Genossenschaftsversicherer im Dezember bekannt, sich aus dem Geschäft der klassischen Policen mit jährlicher Zinsgarantie zurückzuziehen. Seit Jahresbeginn bietet der Konzern nur noch Policen mit einer Beitragsgarantie von 90 Prozent an.

Damit passe der Versicherer seine Produktpalette an den niedrigen Zins und die Nachfrage nach Produkten mit höherem Kapitalanlagerisiko an. „Mit der überarbeiteten Produktpalette entsprechen wir passgenau den Wünschen unserer Kunden“, ließ sich Claudia Andersch, Vorstandsvorsitzende der R+V Lebensversicherung, zitieren.

„Ich glaube, dass wir durch den steigenden Druck in der Branche in den kommenden Jahren mehr sogenannte externe Run-offs bei Lebensversicherungen sehen werden. Zumal sich die schlimmsten Befürchtungen der Verbraucherschützer bisher nicht bewahrheitet haben. Es hat sich eher zu einem normalen Geschäft entwickelt. Wir als R+V Versicherung haben weiter nicht vor, diesen Weg zu gehen. Aber natürlich wäre es fahrlässig, einen solchen Schritt für alle Zeiten auszuschließen.“

Norbert Rollinger, Vorstandsvorsitzender der R+V Versicherung

Zudem plädierte Konzernchef Rollinger jüngst, dass die Branche den Garantiezins in der Lebensversicherung freiwillig weit unter einem Prozent senken solle. Als Konsequenz der Niedrigzinsphase kann Rollinger nachvollziehen, dass sich Versicherer immer mehr von Altbeständen trennen. Ob dies irgendwann einmal auch für die R+V infrage kommt, ließ der Konzernchef indes bislang unbeantwortet.

Autor: VW-Redaktion

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