Zurich zeigt sich bei BSV kulant und kommt trotzdem gut durch die Pandemie

Mario Greco, CEO Zurich, Quelle: Zurich

Die Corona-Pandemie geht auch an der Zurich nicht spurlos vorüber. Nach Aussage von Michel Liès, Verwaltungsratschef der Schweizer Versicherungsgruppe, haben die Eidgenossen den Härtetest bislang gut überstanden. Dabei sieht er weder die Dividenden noch die bisherigen Unternehmensziele bis 2022 gefährdet. Ob dies so bleibt, werden die Halbjahreszahlen belegen, die am morgigen Donnerstag veröffentlicht werden sollen.

Glaubt man den ersten Schätzungen der Analysten, dürfte der Umsatz allein im zweiten Quartal 2020 um 11,43 Prozent gegenüber dem im Vorjahresquartal auf 10,99 Mrd. US-Dollar steigen (Q2 2019: 9,87 Mrd. US-Dollar). Für das Gesamtjahr rechnen die Marktbeobachter im Durchschnitt mit einem Umsatz von 49,72 Mrd. US-Dollar (2019: 48,06 Mrd. US-Dollar). Zudem erwarten die Analysten für das laufende Fiskaljahr mit einem durchschnittlichen Gewinn von 22,43 US-Dollar je Aktie (2019: 27,69 US-Dollar je Aktie).

Dabei dürften die Schäden durch die Corona-Pandemie für die Zurich nach bisheriger Schätzung im Vergleich eher moderat ausfallen. So rechnen die Eidgenossen bislang mit einer Belastung von rund 750 Mio. US-Dollar. Davon entfallen bereits 280 Mio. auf die ersten drei Monate des laufenden Jahres.

„Die Schadenfälle in Zusammenhang mit dem Ausbruch von Covid-19 und die markanten Rückgänge an den Finanzmärkten gegen Ende des ersten Quartals werden wahrscheinlich die Gewinnzahlen des Jahres 2020 beeinflussen“, betonte Finanzvorstand George Quinn bei der Vorstellung der Bilanzzahlen für das erste Quartal 2020. Allerdings seien die Schadenersatzforderungen in der Schaden- und Unfallversicherung in Zusammenhang mit COVID-19 noch mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, so der Versicherer.

Müßig zu erwähnen, dass auch die Zurich einen nicht unerheblichen Teil der Corona-bedingten Schadensummen für die Betriebsschließungsversicherung aufbringt. Bei den Schweizer Nachbarn dreht sich die Diskussion um die BSV allerdings vor allem um juristische Feinheiten: So argumentieren einige Versicherer, unter anderem die Helvetia, gegen eine Zahlung, da die Versicherten eine Epidemie-Deckung hätten, es sich bei Corona aber um eine Pandemie handle.

Der Luzerner Rechtsprofessor Walter Fellmann kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass der Begriff Pandemie nicht klar definiert ist. Auf nationaler Ebene sei eine Pandemie immer auch eine Epidemie, der Bundesrat habe daher nach dem Epidemiengesetz (EpG) gehandelt. Entscheiden müssen nun ebenfalls die Gerichte.

Zurich zeigt Solidarität bei BSV

Die Zurich setzt indes ungeachtet aller juristischen Feinheiten auf Kulanz und will den betroffenen Unternehmen mit einer entsprechenden Police die volle Deckung zahlen. Bei der Prämienzahlung will der Versicherungsmanager den betroffenen Unternehmen entgegenkommen. „In der Schweiz erhalten über 90 Prozent der bei Zurich versicherten Gastrobetriebe mit einer Epidemie-Versicherung die volle Pandemie-Deckung. Die anderen Betriebe erhalten Kulanzzahlungen aus dem Zurich-Solidaritätsfonds“, ließ Konzernchef Mario Greco bereits vor einigen Monaten durchblicken.

„Falls nötig, geben wir unseren Kunden mehr Zeit. Es gibt Rabatte und andere Vergünstigungen. In der Schweiz gewähren wir meist einen Zahlungsaufschub, auch für Mieter von Immobilien, die der Zurich gehören. Zudem versenden wir keine Mahnungen und verzichten auf Betreibungen“, betont der Versicherungsmanager im Interview mit der Schweizer Zeitung Blick.

Damit unterscheiden sich die Eidgenossen jedenfalls von der deutschen und französischen Konkurrenz. So hatte die Axa bereits eine herbe juristische Niederlage erlitten. Ein Handelsgericht sprach dem Betreiber von vier Restaurants in Paris Entschädigungen für Umsatzausfälle für zwei Monate zu. Der Gastronom Stephane Manigold hatte den Versicherer verklagt, nachdem die französische Regierung Bars und Restaurants Mitte März geschlossen hatte, um die Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen. Infolgedessen hatte die Axa schließlich rund 500 Mio. Euro bereitgestellt, um die Ansprüche kleinerer Betriebe zu kompensieren.

Die Allianz zeigt sich bislang jedoch wesentlich kompromissloser. Allein vor dem Landgericht München I sind derzeit 39 Klagen im Zusammenhang mit der BSV anhängig. Vergangenen Freitag verhandelten die Richter die Klagen dreier prominenter Gastwirte und einer Münchner Kindertagesstätte.

Der Ausgang der Verhandlungen ist jedoch ungewiss: Ein Gericht in Mannheim entschied pro Geschädigte, ein Gericht in Hamm pro Versicherer. In Bayern wurde während der Pandemie eine Lösung zwischen Politik, Gastronomen und Versicherern geschlossen, der „bayerische Kompromiss“, der von vielen Versicherern deutschlandweit übernommen wurde. Im Wesentlichen besagt die Lösung, dass teilnehmende Versicherer den betreffenden Firmenkunden freiwillig zehn bis 15 Prozent der vereinbarten Tagessätze zahlen.

So beteilige sich die Allianz zwar ebenfalls an „freiwilligen“ Zahlungen für pleitebedrohte Gastwirte und Hoteliers. „Was wir allerdings nicht leisten können, ist Versicherungsschutz, für den keine Prämie bezahlt wurde“, betonte Vorstandschef Oliver Bäte. „Das würde der Versicherungsbranche den Boden unter den Füßen wegziehen“, warnte der Allianz-CEO.

USA und Großbritannien sind die Sorgen-Märkte

Glaubt man hingegen dem Datenanalyse- und Beratungsunternehmen Global Data, könnte die Zurich jedoch zu den großen Verlierern der Corona-Pandemie zählen. So würden die Auswirkungen von Covid-19 die Schweizer besonders empfindlich treffen, denn speziell in den besonders virusbetroffenen Ländern wäre der Versicherer präsent, erklärt der Datenanalyst. Das gelte vor allem für Europa, dass für „60 Prozent Prämieneinnahmen in 2018“ stehe. Erschwerend komme hinzu, dass die beiden stärksten Länder nach Prämienbeitrag, USA und Großbritannien, zu den am stärksten vom Virus betroffenen Gebieten zählen.

Ob sich die Befürchtungen tatsächlich bewahrheiten, ist zwar noch offen. Die morgige Zwischenbilanz für 2020 ist jedenfalls ein wichtiger Wasserstandsanzeiger dafür, in welche Richtung der weitere Geschäftsverlauf in diesem Jahr gehen wird.

„Die Pandemie kann einen Einfluss auf die langfristigen Versicherungsbedürfnisse der Kunden haben: ‚Pay-as-you-use'(‚usage based‘)-Versicherungsmodelle werden wahrscheinlich an Bedeutung gewinnen. Die Kunden werden ihre Erfahrungen während der Pandemie in Einschätzungen zur Werthaltigkeit einzelner Versicherungsprodukte ummünzen“, prognostizierte jüngst Katja Pluto, Head of Risk für Region Europa und Mittlerer Osten bei der Zurich Insurance Group, in einem Gastbeitrag für die Versicherungswirtschaft.

Allerdings sei es noch „zu früh, definitive Vorhersagen über den Grad und die Richtung dieser individuellen und gesellschaftlichen Änderungen zu machen. Dieser wird auch durch langfristige kulturelle Präferenzen geprägt, und ich gehe davon aus, dass sich die europäischen Länder in unterschiedlichen Geschwindigkeiten entwickeln“.

Autor: VW-Redaktion

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