„Jetzt erst recht“: Big Player der Branche sehen Corona als Nachhaltigkeitsbeschleuniger

Investitionen in Insurtechs schießen nach oben. Bildquelle: Bild von WikiImages auf Pixabay

Nachhaltigkeit war vor Corona das Branchenthema. Nicht verwunderlich, schließlich sind Versicherer von Klimakatastrophen direkt betroffen und positive Nachhaltigkeitsnachrichten PR-Gold. Doch nach dem Virus könnten erst einmal andere Ziele wie finanzielle Aufbauarbeit und Restrukturierung in den Fokus rücken. Die Branche hat andere Ideen.

Corona hat Wirtschafts- und Bilanzwunden geschlagen. Schon jetzt sei klar, „dass die Kultur und Werte von Unternehmensemittenten auf der ganzen Welt wie nie zuvor auf die Probe gestellt werden“, erklärt Donna Anderson, Head of Corporate Governance bei der Vermögensverwaltungsgesellschaft T. Rowe Price. Die bisherigen Unternehmensaussagen über ihr Management von Humankapital, Gesundheit und Sicherheit, das gesellschaftliche Engagement und die allgemeine Bedeutung der Stakeholder für ihr Unternehmen werden in einem völlig neuen Kontext bewertet werden, glaubt Anderson.

Céline Soubranne, Group Head of Corporate Responsibility bei Axa Group analysiert: „Many companies have reinforced their CSR commitments; while others’ rhetoric has not stood the test of time“. Dass sie den Test der Zeit beim Thema Nachhaltigkeit nicht bestanden haben, verneinen die großen Versicherer. Auf Anfrage erklärten sowohl die Generali Group wie auch die Munich Re, dass sie an ihren Zielen festhalten. Der Versicherer aus München rechnet damit, dass es beim Thema Nachhaltigkeit „keine wesentlichen Änderungen“ geben wird. Die Generali äußert sich ähnlich und verweist auf laufende Anstrengungen. Die Allianz schreibt: „Wir verfolgen unsere gesetzten Nachhaltigkeitsziele wie geplant. Wir haben ein sehr ambitioniertes und langfristiges Programm, was konsequent umgesetzt wird.“

Zurich, Talanx und Axa wollen Krise nutzen

Wegen Corona wird sich die Temperatur der Erde nicht abkühlen, dass ist den Versicherern bewusst. Die wollen allerdings mehr als ein zurück auf normal und dafür die Krise nutzen. „Wenn wir jetzt Klimaschutzmaßnahmen ergreifen, indem wir in neue Technologien, erneuerbare Energien und eine nachhaltigere Infrastruktur investieren, könnten wir die Erholung beschleunigen, neue Arbeitsplätze schaffen und die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit insgesamt erhöhen“, schreibt die Zurich. Darüber hinaus könnten kürzere Lieferketten und Verhaltensänderungen aufgrund der Pandemie-Erfahrung dazu führen, dass die Pendel- und Reiseemissionen reduziert werden, hofft der Versicherer.

Mit seinem Wunsch liegt das Unternehmen auf einer Wellenlänge mit der Talanx. „Vielleicht gelingt es der Politik, ihre Milliardenhilfen zur Stützung der Konjunktur mit einer Innovationsinitiative zu verknüpfen, die Nachhaltigkeit fördert“, hoffen die Hannoveraner. Das Unternehmen werde in seinem Nachhaltigkeitsbestreben jedenfalls „keinesfalls nachlassen“, stellt die Talanx klar. Die Axa Group will gemeinsam mit zahlreichen Business Groups, NGO, und öffentlichen Behörden eine “green recovery“ erreichen. Das Ziel sei nicht „back to normal“, sondern, wie bei der Zurich, „back to better“. Wie die Allianz, und Generali gehört auch die Axa zur Green Recovery Alliance, einem Bündnis von NGO, Unternehmen und Regierungen für eine nachhaltigere Welt(wirtschaft).

Die Zurich „konzentriert sich weiter darauf“, die Bemühungen im  Bereich Sustainability so fortzusetzen, wie wir es vor der „COVID-19-Krise getan haben“. Auch die Swiss Re ist „weiterhin entschlossen“, die Nachhaltigkeit „aus einer breiten Perspektive anzugehen“. Das beinhalte den Klimawandel, den Übergang zu einer treibhausgasarmen Energieproduktion und die Schaffung „gesellschaftlicher Widerstandsfähigkeit“.  

Interessant ist der Hinweis der Schweizer, dass das Thema für die Anteilseigner „weiterhin sehr wichtig bleiben“ wird. Auch die Munich Re sieht dieses Interesse seiner Aktionäre. Damit bestätigen die Unternehmen die These und Studie von T. Rowe Price, die besagt, dass der Klimawandel neben anderen ESG-Faktoren zunehmend in die Bewertung der Fundamentalunternehmensdaten einbezogen wird.

Kritik an der Branche

Bei allen Anstrengungen, einigen Kritikern gehen die Bemühungen der Versicherer nicht weit oder schnell genug. „Versicherer müssen Klimaschutz vorantreiben“ titelte Greenpeace kürzlich in seinem gleichnamigen Magazin. Insbesondere die Kohlegeschäfte der Versicherer sind den Umweltschützern aber häufig noch ein Dorn im Auge, auch wenn  mehr und mehr Unternehmen aussteigen. „Talanx bleibt Klima-Schlusslicht unter großen deutschen Versicherern“, schrieb kürzlich die Organisation Urgewald und kritisierte, dass Talanx und Hannover Re „bis heute wesentliche Lücken“ in den angekündigten Einschränkungen ihrer Kohle-Geschäfte hätten.

Die Talanx kontert den Vorwurf damit, dass das Unternehmen kürzlich die Principles for Sustainable Insurance (PSI) unterzeichnet hat, eine Vereinbarung für eine nachhaltigere Versicherungswirtschaft. Die Hannoveraner wissen aber auch, dass eine Unterzeichnung einer Vereinbarung nicht ausreicht: „Daran werden wir uns künftig messen lassen, indem wir eine jährliche Stellungnahme abgeben, wie wir die vier PSI-Prinzipien umsetzen.“ Ausreden gibt es nicht, das Thema verliere trotz Corona „weder an Bedeutung noch an Schwung“.

Nicht nur für die Talanx gilt, dass bloße Lippenbekenntnisse sich rächen, aktuell wird der Deutschen Bank vorgeworfen, große Umweltreden zu schwingen, dann aber doch dem fossilen Brennstoff zu huldigen. Das möchte die Talanx  nicht über sich lesen, sie will die 2019 erstmals im Betrieb für Deutschland erreichte Klimaneutralität „schrittweise international auszudehnen“.

Deren Vorstandschef Torsten Leue erklärt gegenüber VWheute: „Der Vorstand beschäftigt sich regelmäßig mit dem Thema Nachhaltigkeit. Unser Ziel ist es, alle Geschäftsbereiche und Regionen, in denen wir tätig sind, zukunftsfähig aufzustellen. Als traditionsreiches und zugleich modernes Unternehmen stellen wir uns dieser wichtigen Aufgabe und begleiten den Transformationsprozess hin zu einer emissionsarmen und sozialverträglichen Wirtschaft.“

So ist es auch bei der Axa, wie die bereits zitierte Soubranne erklärt „Unsere Überzeugungen sind unerschütterlich. […] Im letzten November haben wir einen neuen Schritt in unserer Entwicklung genommen und unser Portfolio auf eine Reduktion von 1,5 Grad der Temperatur bis zum Jahr 2050 abgestimmt, wie es im Paris Abkommen vereinbart worden ist.“ Zudem werde das Unternehmen seine Investments in grüne Anlagen bis zum Jahr 2023 auf 24 Mrd. Euro erhöhen. Auf diese  ambitionierten Ziele bleibe man fokussiert. Auch für die Zurich bleibt das Ziel unverändert: „Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Teil der Strategie von Zurich und eine treibende Kraft für unseren langfristigen Erfolg.“

Das Gute an den Bemühungen der Großen ist, dass sie dadurch, gewollt oder ungewollt, den Druck auf die aktuell noch nicht ganz so großen Unternehmen erhöhen, sich ebenfalls dem Thema Nachhaltigkeit zu verschrieben, wenn sie das noch nicht getan haben. Letztlich ist die ganze Branche davon betroffen, wenn es zu mehr oder stärkeren Unwettern kommt.

Die Versicherer sind jedenfalls willig, ihren Teil zum Thema Nachhaltigkeit der Wirtschaft beizutragen, Covid-19 hat daran nichts geändert.

Autor: Maximilian Volz

Ein Kommentar

  • Investitionen, insbesondere reine Käufe am Sekundärmarkt, haben keine Auswirkung auf reale Klimapolitik! Das muss schon die Politik durch gesetzliche Maßnahmen sicherstellen – wer jetzt auf vermeintlich „schmutzige“ Assets verzichtet, schafft nur neue Preisblasen und verschiebt diese an andere Investorengruppen! So leicht lässt sich ein effizienter Markt leider nicht aushebeln….

    Auch wie die aktuelle Corona-Krise jetzt ESG befördern sollte, ist absolut unverständlich: Man erhält eher einen Eindruck wie verheerend wirtschaftlich ein einfaches „Zusperren“ vermeintlich unmoralischer Branchen wirken kann. Es bleibt in wesentlichen Teilen reines Marketing.

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