Branchenpuls: 2G oder 3G, Quartalszahlen, Lufthansa, Volkswagen
Die Zahl der Corona-Neuinfektionen erreicht dieser Tage neue Rekordhöhen. Die Politik diskutiert bereits über schärfere Maßnahmen. Und die Unternehmen? Manch Dax-Konzern plant bereits die Trennung von Geimpften und Ungeimpften in Kantinen und Cafeterias. Die Allianz hat bereits einen „2G-Bereich“ extra ausgewiesen. Andere Versicherer halten jedoch weiter an der 3G-Regelung fest.
Was bisher geschah …
Anders sieht es hingegen die Munich Re-Tochter Ergo. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Ergo die vor Ort in den Geschäftsgebäuden arbeiten, wie auch für die Kantinen gilt weiterhin der 3G-Status. Für die Versicherer wäre eine Separierung Dynamit für das Betriebsklima. Ähnlich sieht es auch die Zurich Deutschland: „Grundsätzlich ist es unser Anspruch zu integrieren, nicht zu separieren. Dieser Grundsatz soll auch in Corona-Zeiten so gut es geht und so weit medizinisch vertretbar Berücksichtigung finden“, erklärt ein Unternehmenssprecher. Bei der Gruppe gäbe es „keinerlei Bestrebungen“, Kantinenflächen in Bereiche für Geimpfte und Nicht-Geimpfte aufzuteilen. Die Symbolik und Wirksamkeit einer solchen Maßnahme „wirft in vielerlei Hinsicht Fragen auf“. Statt zu etikettieren, wolle das Unternehmen von der Sinnhaftigkeit einer Impfung überzeugen. Mit mehr als 7.000 Klicks war die Frage nach 2G oder 3G in den Unternehmen in der vergangenen Woche das Topthema der Woche.
„Einzelbüros als Statussymbol haben endgültig ausgedient. Niemand hat mehr einen festen Schreibtisch – weder Mitarbeitende noch Führungskräfte oder Vorstandsmitglieder.“
Sirka Laudon, Axa-Vorständin für das Ressort People Experience
Ebenfalls ein Dauerthema dieser Tage ist weiterhin die Frage, wie die künftigen Arbeitswelten der Versicherer nach Corona aussehen wird. Doch ein komplettes zurück ins Büro wird es wohl nicht geben, zumal zahlreiche Versicherer schon vor Corona das Arbeiten zu Hause angeboten haben. Viele Mitarbeiter freuen sich auf ihre Kollegen, wollen dennoch die Möglichkeit zur Heimarbeit weiter nutzen. Ein Blick in die Bürowelten der Axa, Huk-Coburg, Debeka, R+V und VKB zeigte unlängst, wie sich die Versicherer die neue Zukunft des mobilen Arbeitens vorstellen.
„Der Alltag lehrt uns, neue Arten des Zusammenarbeitens auszuprobieren und unter neuen Führungsmodellen zu agieren.“
Frank Walthes, Vorstandsvorsitzender des Konzerns Versicherungskammer
Was diese Woche jeder wissen muss …
Ungeachtet aller Überlegungen über die Zukunft des mobilen Arbeitens gehen die Versicherer nun in den Jahresendspurt. Dabei geben viele Konzerne dieser Tage mit der Veröffentlichung der jüngsten Quartalszahlen wieder einen Einblick in ihre Geschäftsbücher. Am Dienstag präsentiert die Munich Re ihre Q3-Zahlen für das laufende Geschäftsjahr. Dabei hält der Rückversicherer trotz einer hohen Schadenbelastung im dritten Quartal 2021 an seiner bisherigen Gewinnprognose für 2021 von 2,8 Mrd. Euro fest. In den ersten neun Monaten hat der Konzern ein Ergebnis von rund 2,1 Mrd. Euro erzielt.
Einen Tag später veröffentlicht die Allianz ihre neuesten Geschäftszahlen. Dabei herrscht in den Vorstandsetagen jüngst eher gedrückte Stimmung angesichts der juristischen Auseinandersetzungen um die massiven Verluste des US-Hedgefonds. Innerbetrieblich hatte die Affäre bereits massive personelle Konsequenzen: So verlor Jacqueline Hunt ihr Vorstandsmandat und wurde zur strategischen Beraterin von CEO Oliver Bäte ernannt. Andreas Wimmer stieg im Oktober zum Vorstandsmitglied der Allianz SE auf und gibt seinen Posten als Vorstandsvorsitzender der Allianz Leben zum nächsten Januarbeginn an Katja de la Viña ab.
„Wir hören als Allianz zu. Kritik und Feedback werden nicht weggewischt. Wir werden nicht weiter machen wie bisher. Wir prüfen genau, was wir besser machen können.“
Oliver Bäte, Vorstandsvorsitzender der Allianz SE
Laura Gersch wechselt zum 1. Januar 2022 zur Allianz Versicherungs-AG und übernimmt dort das Ressort Finanzen. Sie folgt de la Viña nach, die wie zuvor erwähnt zum 1. Januar 2022 Vorstandsvorsitzende der Allianz Leben wird. Um die Angelegenheit weiter zu verkomplizieren, übernimmt de la Viña von Gersch das „Ressort Personal“ bei Allianz Leben. Neuer Finanzvorstand der Allianz Lebensversicherungs-AG wird zum 1. Januar 2022 Martin Riesner. Zudem übernimmt Heinke Conrads Gerschs bisherige Position als Vorständin von Allianz Leben und für das Ressort Firmenkunden.
Dennoch dürften die Marktbeobachter die neuesten Zahlen mit besonderer Spannung beobachten. Eine Frage wird auch sein, welche Auswirkungen die jüngsten Naturkatastrophen auf die Schadenbilanz haben werden. Jüngsten Berechnungen zufolge rechnen die Münchener nach Sturm „Bernd“ mit einer Schadenbelastung von rund 1,1 Mrd. Euro.
Besondere Gedenk- und Aktionstage in dieser Woche
09.11.2021: Der 9. November gilt heute als „Schicksalstag“ der deutschen Geschichte. Er markiert das Ende des Kaiserreiches mit der Ausrufung der Republik 1918 durch den SPD-Politiker Philipp Scheidemann, den Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung 1938 („Reichskristallnacht“) und den Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989, mit dem das Ende der DDR und die deutsche Wiedervereinigung eingeleitet wurde. Ebenfalls am 9. November 1923 plante Adolf Hitler als Parteiführer der NSDAP in München einen gewaltsamen Putsch gegen die deutsche Reichsregierung. Dieser wurde zwar niedergeschlagen – zehn Jahre später kam er aber schließlich legal an die Macht.
11.11.2021: Mit den Martinsumzügen wird an diesem Tag dem Heiligen Martin von Tours erinnert. Zu den bekanntesten Bräuchen zählen der Martinsumzug, das Martinssingen und die Martinsgans. Am gleichen Tag um 11.11 Uhr starten zudem die Fastnachter und Karnevalisten in den rheinischen Fastnachtshochburgen in die „fünfte Jahreszeit“.
14.11.2021: Am Volkstrauertag wird seit 1952 an die Kriegstoten und Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen gedacht.
Am Donnerstag veröffentlichen schließlich die Generali und der Finanzdienstleister MLP sowie die Deutsche Familienversicherung ihre Geschäftszahlen für das dritte Quartal 2021. Dabei dominieren auch bei den Triestern derzeit personelle Turbulenzen die medialen Schlagzeilen: Im Fokus steht dabei Konzernchef Philippe Donnet, der das Unternehmen zwar auf Wachstum trimmt und die Arbeitswelt revolutioniert. Dennoch hatten sich jüngst die Milliardäre Francesco Gaetano Caltagirone und Leonardo Del Vecchio mit der gemeinnützigen Organisation Fondazione CRT zusammengeschlossen mit dem Ziel, Donnet vom Thron zu stürzen – Ergebnis bislang noch offen.
„Wir sind mit dem ersten Halbjahr sehr zufrieden. Das breit angelegte Wachstum über sämtliche Beratungsfelder und Gesellschaften untermauert, wie wir innerhalb der MLP Gruppe durch unterschiedliche Perspektiven und Expertisen Mehrwerte für unsere Kunden und damit auch für das Unternehmen schaffen. Gleichzeitig investieren wir weiterhin umfangreich und stärken damit fortlaufend die Basis für unsere geplante Steigerung des Ergebnisniveaus im Jahr 2022.“
Uwe Schroeder-Wildberg, Vorstandsvorsitzender von MLP
Der Wieslocher Finanzdienstleister MLP hat seinen bisherigen Wachstumskurs im ersten Halbjahr 2021 weiter fortgesetzt. So liegt das EBIT mit 31,4 Mio. Euro zum Halbjahr deutlich über Vorjahreswert (H1 2020: 18,8 Mio. Euro, H1 2019: 12,2 Mio. Euro). Die Erlöse stiegen um 17 Prozent auf 421,8 Mio. Euro (H1 2020: 359,0 Mio. Euro).
Die DFV weist für das erste Halbjahr 2021ein Plus von 24,2 Prozent auf 66,7 Mio. Euro gebuchte Bruttobeiträge aus. Das Neugeschäft entwickelte sich nach Unternehmensangaben mit 13,7 Mio. Euro (HJ 2020: 15,4 Mio. Euro) plangemäß. Bei den Krankenzusatzversicherungen erhöhte sich der durchschnittliche Beitrag pro Neuvertrag auf 363 Euro (HJ 2020: 345 Euro). Die Combined Ratio hat sich auf 101,9 Prozent (HJ 2020: 104,3 Prozent) verbessert. Nach einem höheren Kapitalergebnis beträgt der Konzernverlust nach Steuern immer noch 0,7 Mio. Euro (HJ 2020: 4,1 Mio. Euro).
Die Ziele für 2021 wurden bestätigt. Unverändert ist geplant, 30 Mio. Euro in Vertriebsaktivitäten zu investieren und somit ein Neugeschäft von 30 Mio. Euro zu generieren bzw. die gebuchten Bruttobeiträge erneut um rund 25 Prozent zu steigern. Der Konzernverlust vor Steuern soll auf vier Mio. Euro sinken – nach einem Minus von 10,6 Mio. Euro im Vorjahr.
Was über Branchengrenzen hinaus wichtig ist
Deutliche Erholung verspürt dieser Tage auch die Lufthansa. Nach dem coronabedingten Einbruch 2020 hat Deutschlands größte Airline dank einer Erholung bei Passagierflügen und dem Boom erstmals in der Coronakrise wieder einen operativen Gewinn erzielt. Das bereinigte Betriebsergebnis belief sich im dritten Quartal auf 17 Mio. Euro – nach einem deutlichen Verlust von 1,26 Mrd. Euro im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Von Januar bis September 2021 erzielte die Lufthansa Group Umsatzerlöse in Höhe von rund elf Mrd. Euro (Vorjahr: elf Mrd. Euro).
„Mit der steigenden Nachfrage bei Geschäftsreisen und einem Rekordergebnis von Lufthansa Cargo konnten wir einen weiteren Meilenstein auf unserem Weg aus der Krise meistern: die Rückkehr in die schwarzen Zahlen. Wir bestätigen unsere führende Position unter den weltweit größten Airline-Gruppen. Jetzt geht es darum, den Weg der erfolgreichen Veränderungen weiterzugehen.“
Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa AG
Gleichzeitig kommt die Airline auch mit ihrem Personalabbauprogramm weiter voran: insgesamt haben sich über 3.000 Mitarbeitende in Deutschland für das freiwillige Ausscheiden aus der Lufthansa Group entschieden. Insbesondere durch Freiwilligenprogramme, Fluktuation und Sozialpläne haben in Deutschland allein im Jahr 2021 bislang 4.000 Mitarbeitende das Unternehmen verlassen. Mit 3.000 weiteren wurden darüber hinaus bereits diesbezüglich Vereinbarungen getroffen, heißt es bei der Lufthansa. Damit gebe es noch einen Personalüberhang von rechnerisch bis zu 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Deutschland.
Mittlerweile seien die jährlichen Kosten um dauerhaft 2,5 Mrd. Euro gesenkt, angepeilt werden 3,5 Mrd. Euro. Auch einen Teil der staatlichen Hilfen hat die Lufthansa bereits zurückgezahlt: Eine Stille Einlage über 1,5 Mrd. Euro sei vollständig abgelöst worden, teilte die Fluggesellschaft bereits Mitte Oktober 2021 mit.
Ebenfalls optimistisch zeigt sich derzeit die Commerzbank: So erwirtschaftete das Kreditinstitut in den ersten neun Monaten des Jahres einen operativen Gewinn von mehr als einer Milliarde Euro. Allein im dritten Quartal belief sich das operative Ergebnis auf 472 Mio. Euro und hat sich damit gegenüber dem Vorjahresquartal fast verdreifacht. Im zweiten Quartal hatte die Commerzbank noch einen Verlust von 527 Mio. Euro geschrieben – unter anderem wegen eines geplatzten IT-Projekts und hoher Restrukturierungskosten. Zudem hatte die Bank die Gesamtkosten im dritten Quartal um rund fünf Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesenkt. Bis 2024 will die Commerzbank weltweit rund 10.000 Stellen streichen und die Hälfte aller Filialen schließen.
„Die Umsetzung unserer Strategie geht planmäßig voran und auch das operative Geschäft entwickelt sich gut. Für das Gesamtjahr rechnen wir trotz der Umbaukosten daher mit einem positiven Konzernergebnis.“
Manfred Knof, Vorstandsvorsitzender der Commerzbank
Deutlich turbulenter geht es derzeit allerdings beim Wolfsburger Autobauer Volkswagen zu: Nach dem der Betriebsrat dem Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess das Misstrauen ausgesprochen hat, ist der Konzern dieser Tage praktisch entscheidungsunfähig. Kritik gibt es vor allem an seinem Umgang mit den Mitarbeitern: „Wie Sie in den letzten Monaten aufgetreten sind, da frage ich mich wirklich, ob Ihnen diese Lage hier an unserem Standort eigentlich bewusst ist. Und wie das in der Belegschaft ankommt. Wenn Sie beim Wandel immer an erster Stelle über einen Arbeitsplatzabbau sprechen, ist das ziemlich traurig“, warf Betriebsratschefin Daniela Cavallo jüngt dem Konzernchef vor.
Dabei hatte Volkswagen den Vertrag mit dem Vorstandschef erst im Sommer um vier Jahre bis 2025 verlängert. Kurz darauf sorgte er durch Äußerungen für Unruhe, wonach in Deutschland bei der Marke VW bis 30.000 Arbeitsplätze auf der Kippe stünden, sollte der von ihm vorangetriebene Umbau nicht gelingen. Allerdings scheinen sich auch im Aufsichtsrat angesichts des unerwartet schlechten Geschäfts in China sowie den Pannen und Verzögerungen bei der Entwicklung neuer Modelle die kritischen Stimmen zu mehren.
Anfang Dezember soll jedenfalls die nächste Sitzung des Kontrollgremiums stattfinden. Zwar will Familie Porsche/Piëch als Mehrheitsaktionär weiterhin an Diess festhalten. Der Rückhalt für den 62-Jährigen im Aufsichtsrat schwindet dennoch weiter. Es scheint also, dass dem VW-Konzern alles andere als besinnliche Adventstage bevorstehen.
Autor: Tobias Daniel