Branchenpuls: Industrieversicherung, Rückversicherer, Triell

Was lässt den Puls der Branche höher schlagen? Quelle: OpenClipart-Vectors auf Pixabay.

Die Welt wird zunehmend komplexer: Ob Industrie 4.0, der Klimawandel oder die Folgen der Corona-Pandemie – die Versicherer sind mittendrin. Während sich die Industrieversicherer neuen Schutzbedürfnissen anpassen müssen, suchen die Rückversicherer indes nach Lösungen für ein besseres Klima.

Was bisher geschah …

„Immer neue, immer komplexere Gefahren treten auf, die Häufigkeit und Schwere von Schadenereignissen nimmt stetig zu“, berichtete jüngst Chubb-Deutschlandchef Andreas Wania. Während die Anbieter ganz genau hinschauen, welche Leistungen sie aus wirtschaftlicher Sicht langfristig anbieten, wollen die Kunden im Optimalfall eine Police abschließen, die möglichst viele Bedrohungspotenziale maximal abdeckt. Dabei stellen die Märkte immer mehr Lösungen zur Verfügung, gleichzeitig wird der Risikoappetit von Versicherern im globalen Kontext angesichts hoher Kumulrisiken immer geringer. Mit mehr als 1.550 Klicks war der Kommentar von VWheute-Chefredakteur Michael Stanczyk zur Industrieversicherung das Topthema der letzten Woche.

„Umfangreicher Versicherungsschutz bedingt belastbare und präzise Daten, um das Risiko möglichst genau abschätzen zu können und im Anschluss einen möglichst fairen und nachhaltigen Preis zu ermitteln. Diese risikorelevanten Daten zu sammeln und die darauf basierende Risikoanalyse durchzuführen, ist ein sehr zeit- und arbeitsaufwendiger Prozess.“

Achim Hillgraf, Managing Director FM Global

Dabei haben die Versicherer spartenübergreifend zumindest ein gemeinsames Ziel: Den bestehenden Marktanteil zu halten und weiter auszubauen. Wie sich die Branche dabei schlägt, zeigt die jüngste Kivi-Statistik: Fünf der zehn größten Versicherer haben laut Kivi-Statistik Marktanteile eingebüßt. Die Allianz-Gruppe ist mit einer Quote von 19,75 Prozent zwar weiterhin mit großem Abstand die Nummer eins des deutschen Erstversicherungsmarktes, musste mit 67 Basispunkten aber auch den höchsten Marktanteilsverlust hinnehmen. Als wesentlichen Treiber für die Mehrzahl dieser Veränderungen hat das Kölner Institut für Versicherungsinformation und Wirtschaftsdienste die Zeichnungspolitik in der Lebensversicherung ausgemacht.

Was diese Woche jeder wissen muss

Für die Rückversicherer geht es in den kommenden Tagen wieder um die künftige Weichenstellung bei der Preisgestaltung. Da der diesjährige Rückversicherungskongress im September in Monte Carlo wegen Covid-19 erneut abgesagt wurde, treffen sich die führenden Branchenvertreter erneut in virtuellen Meetings, um die Preise und Konditionen für die Hauptrunde der Vertragserneuerungen zum Jahreswechsel besprechen zu können. Nachdem die Branche die Folgen der Corona-Pandemie halbwegs verdaut hat, müssen die Rückversicherer angesichts des Klimawandels ihr bisheriges Geschäftsmodell genauer hinterfragen.

Wie sich die Unternehmen dies genau vorstellen, erörtern die Munich Re am morgigen Dienstag sowie die Swiss Re am Donnerstag in virtuellen Mediengesprächen. Der französische Rückversicherer Scor folgt dann am kommenden Freitag. Die Münchener sehen sich trotz aller Widrigkeiten wie Corona und Klima derzeit im Aufwind: So rechnet die Munich Re derzeit mit einem mittleren dreistelligen Millionenschaden durch die Hochwasserkatastrophe in Deutschland. Die Belastungen durch die Corona-Pandemie fallen indes höher aus als erwartet.

Die Gesamtbelastung durch Großschäden ist demnach laut Rückversicherer im zweiten Quartal auf 432 Mio. Euro (Q2 2020: 799 Mio. Euro) gesunken. Die von Menschen verursachten Großschäden einschließlich Covid-19-bedingter Schäden von 101 Mio. Euro (Q2 2020: 595 Mio. Euro) sanken auf 229 Mio. Euro (Q2 2020: 632 Mio. Euro). Die Belastung durch Großschäden aus Naturkatastrophen stieg leicht auf 203 Mio. Euro (Q2 2020: 167 Mio. Euro). Laut einem aktuellen Ranking der Ratingagentur A.M. Best hat die Munich Re zudem mit Beitragseinnahmen von rund 45 Mrd. US-Dollar die Nase wieder deutlich vor der Konkurrenz.

Die Swiss Re hat sich nach dem Corona-bedingten Nettoverlust im Jahr 2020 zuletzt wieder überraschend stark gezeigt. Der Schweizer Rückversicherer erzielte im ersten Halbjahr 2021 einen Konzerngewinn von einer Mrd. US-Dollar und eine Eigenkapitalrendite von 8,2 Prozent. Gut liefen die Geschäfte im Bereich Sach- und Haftpflicht. Der Rückversicherer profitierte von einem deutlichen Rückgang der Belastungen durch COVID-19. Ohne Corona-Schäden lag der Gewinn von Swiss Re bei 1,7 Mrd. US-Dollar, verglichen mit 865 Mio. US-Dollar in der Vorjahresperiode.

„Die verheerenden Flutkatastrophen in Deutschland und anderen europäischen Regionen haben erneut gezeigt, dass die Veränderung des Klimas massiv voranschreitet. Wir werden unsere Maßnahmen im Bereich Nachhaltigkeit Schritt für Schritt weiter ausbauen und damit unseren Beitrag zur Bewältigung des Klimawandels und zur Begrenzung seiner Auswirkungen leisten.“

Jean-Jacques Henchoz, Vorstandsvorsitzender der Hannover Rück

Die Hannover Rück rechnet unterdessen auch für 2022 mit einem weiteren Prämienanstieg. „Die starke Erneuerung zum 1. Januar, die zwei Drittel des Geschäfts betrifft, hat sich sehr dynamisch und erfreulich zum 1. April und 1. Juni fortgesetzt“, prognostiziere jüngst Finanzvorstand Clemens Jungsthöfel bei der Präsentation der Halbjahreszahlen 2021. Für 2021 bestätigte der Versicherungsmanager zudem die Ergebnisziele. Erwartet wird ein Nettokonzerngewinn von 1,15 Mrd. Euro bis 1,25 Mrd. Euro, eine Kapitalanlagerendite von rund 2,4 Prozent und ein währungskursbereinigtes Wachstum der Konzernbruttoprämie im oberen einstelligen Prozentbereich. Ob dies am Ende für einen Aufstieg in den erweiterten Dax40 reichen wird, ist hingegen mehr als offen.

Weiterer relevanter Termin: Am Donnerstag veröffentlicht die R+V Versicherung die neueste Ausgabe ihrer Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen 2021“. Immerhin: Trotz Corona-Pandemie ängstigen sich die Deutschen im letzten Jahr so wenig wie lange nicht mehr. Und dennoch: Die andauernde Pandemie befeuert zunehmend die Furcht der Deutschen vor einer Rezession und immer wiederkehrenden Lockdowns bis zum Ende der Impfungen. Auch das Vertrauen in die Politik nimmt weiter ab, hieß es in einer Sonderbefragung zur R+V-Studie „Die Ängste der Deutschen“ Ende Januar 2021.

Was über die Branchengrenzen hinaus wichtig ist

Ob sich diese Furcht auch bei der anstehenden Bundestagswahl Ende September 2021 niederschlagen wird, ist hingegen so offen wie der Ausgang des politischen Dreikampfes um den Einzug in das Kanzleramt. Glaubt man jüngsten Meinungsumfragen, hat SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz derzeit die besten Chancen, das Erbe der scheidenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) anzutreten.

So glauben beispielsweise 43 Prozent der Deutschen, dass Scholz den meisten Sachverstand der drei Spitzenkandidaten besitzt – noch deutlich vor CDU-Kandidat Armin Laschet mit immerhin elf Prozent. In Sachen Glaubwürdigkeit und Sympathie kommt der CDU-Bundesvorsitzende und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen lediglich auf einstellige Werte. Immerhin 20 Prozent der Umfrageteilnehmer:innen sehen Annalena Baerbock als sympathisch an, während ihr nur fünf Prozent zusprechen, den meisten Sachverstand zu haben. Dies dürfte sich mit den bisherigen Ämtern ihrer Konkurrenten erklären lassen.

Quelle: Statista

Allerdings standen alle drei Kandidaten in diesem Jahr auch schon deutlich in der Kritik: Annalena Baerbock musste sich für angebliche Plagiate in ihrem Buch und Ungenauigkeiten in ihrem Lebenslauf verantworten, Armin Laschet erntete aufgrund seiner Handhabung der Corona-Krise und der Flutkatastrophe in NRW Kritik, und Olaf Scholz war als Finanzminister im Rahmen der Wirecard- und Cum-Ex-Skandale in ein negatives Licht gerückt.

„Frau Baerbock bewirbt sich ja um das Amt der Bundeskanzlerin, nicht um das Amt des Literaturnobelpreisträgers.“

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, zu den Plagiatsvorwürfen gegen Annalena Baerbock

Am kommenden Sonntag kommen die drei Bewerber jedenfalls zu ihrem zweiten Triell zusammen – diesmal bei den öffentlich-rechtlichen Sendern von ARD und ZDF. Beim ersten Duell ergab eine Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und NTV unter etwas mehr als 2.500 Zuschauern ein relativ klares Ergebnis: 36 Prozent gaben demnach an, dass Scholz die TV-Debatte „alles in allem gewonnen“ habe. 30 Prozent votierten dabei für die Grünen-Kandidatin Baerbock als Siegerin des Schlagabtauschs, Unionskandidat Laschet landete mit 25 Prozent der Stimmen auf Platz drei. Für keinen der Kandidaten entschieden sich neun Prozent. Es bleibt als spannend, wer dann am kommenden Sonntag in der Wählergunst die Nase vorn haben wird.

Autor: Tobias Daniel

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