Branchenpuls: Impfpflicht, Allianz, Munich Re, Commerzbank

Was lässt den Puls der Branche höher schlagen? Quelle: OpenClipart-Vectors auf Pixabay.
Die Debatte um eine Impfpflicht in Deutschland geht mit unverminderter Härte weiter. Auch in der Versicherungsbranche ist das Thema längst angekommen. Unterdessen ziehen die Versicherer in diesen Tagen ihre Bilanz für das erste Halbjahr 2021.
Was bisher geschah …
Frankreich und die USA machen es vor: Während bei den Nachbarn eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen kommen soll, wollen die Vereinigten Staaten künftig einen Impfnachweis für Reisende aus dem Ausland verlangen. Ausnahmen soll es dabei nur noch wenige geben. In Deutschland soll es zwar (noch) keine Impfpflicht geben. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will den Druck auf Impfunwillige jedoch erhöhen.
„Impfen ist ein patriotischer Akt.“
Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister
In einem Bericht des Ministeriums könnten für Umgeimpfte – abhängig von der Impfquote, der Inzidenz und der Rate schwerer Klinikfälle – ab bestimmten Grenzwerten erneut weitergehende Einschränkungen notwendig werden. Kritik kam allerdings auch aus den eigenen Reihen. Mehrere SPD-Politiker lehnten Spahns Pläne bereits mit harschen Worten ab: „Drohungen bringen uns da nicht weiter. Wir müssen überzeugen“, betonte Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Und Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) betonte gegenüber der Augsburger Allgemeinen, Spahns Position sei nicht die der Bundesregierung: „Es liegen keine Pläne dieser Art auf dem Tisch“.
Die deutschen Versicherer haben die Impfpflichtfrage jedenfalls für sich entschieden. Alle Befragten sprechen sich gegen eine Obliegenheit aus und vertrauen auf die Mündigkeit und das Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeiter. Befragt wurden HUK, Signal-Iduna, Allianz, Ergo, Axa, Gothaer, Munich Re, Talanx/HDI, Zurich und Generali. Mit mehr als 8.000 Klicks war die VWheute-Umfrage in der Branche das Topthema der Woche.
Was diese Woche jeder wissen muss
Am Dienstag wird das Thema jedenfalls auch auf dem Corona-Gipfel von Bund und Ländern eine wesentliche Rolle spielen. Im Mittelpunkt der Beratungen dürfte dann auch der Umgang mit Ungeimpften stehen. Eine Impfpflicht soll es nach dem Willen der Bundesregierung zwar nicht geben. Dennoch wird wohl die Frage erörtert werden, ob Coronatests künftig selbst bezahlt werden müssen und ob Geimpfte andere Rechte erhalten. „Wer ein Impfangebot hatte und es bewusst ausschlägt, kann auf Dauer nicht mehr kostenlos getestet werden“, betonte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bereits Ende Juli 2021.
Die Versicherer ziehen unterdessen ungeachtet aller politischen Unwägbarkeiten ihre Bilanz für das erste Halbjahr 2021. Am Dienstag eröffnet die Munich Re den rituellen Zahlenreigen: So erzielte der Münchener Rückversicherer im zweiten Quartal des Jahres ein Ergebnis von ca. 1,1 Mrd. Euro. In der Schaden/Unfall-Rückversicherung verzeichnete das Unternehmen unterdurchschnittliche Belastungen durch Großschäden. Vor allem Schäden aus Naturkatastrophen fielen vergleichsweise niedrig aus. Im Bereich Leben/Gesundheit hingegen übertrafen die Schäden die Erwartung deutlich aufgrund der hohen Sterblichkeit in Indien und Südafrika. Insgesamt erzielte Munich Re im isolierten zweiten Quartal 2021 ein vorläufiges Nettoergebnis von ca. 1,1 Mrd. Euro (Konsens: 808 Mio. Euro). Das Halbjahresergebnis beträgt somit etwa 1,7 Mrd. Euro.
Mit der Talanx und der Zurich legen am Mittwoch und Donnerstag weitere Branchenriesen ihre Bilanz für die ersten sechs Monate des laufenden Jahres vor. Dabei ist die Talanx-Gruppe „gut ins neue Geschäftsjahr gestartet“. Zwar stieg die Combined Ratio, doch dem stehen Zuwächse bei Bruttobeiträgen, EBIT und Eigenkapitalrendite entgegen. Offenbar hat der Konzern die Pandemie gut überstanden und steuert auf die angestrebten Zielinseln zu. Die Halbjahreszahlen werden zeigen, ob Kapitän Torsten Leue weiter Kurs halten kann.
Auf Kurs befindet sich auch die Konzerntochter Hannover Rück: Dank einer starken Erneuerung zu Jahresbeginn, aber auch zum 1. April hat die Hannover Rück SE die gebuchte Konzernbruttoprämie um zehn Prozent auf 14,5 Mrd. Euro gesteigert. Für das zweite Halbjahr zeichnen sich nach Aussage von Finanzvorstand Clemens Jungsthöfel Schäden aus den Unruhen in Südafrika ab. Die Netto-Großschadenbelastung betrug im ersten Halbjahr 325,9 Mio. Euro (HJ 2020: 737,0 Mio. Euro) und lag damit unter dem Erwartungswert für die ersten sechs Monate von 476 Mio. Euro.
„Die Gruppe verzeichnete einen starken Start ins Jahr und blieb im ersten Quartal hinsichtlich ihrer Strategie und ihrer Finanzpläne auf Kurs. […] Diese Entwicklungen sowie unsere äußerst starke Bilanz erlauben es uns, dem Rest des Jahres mit großer Zuversicht entgegenzusehen.“
George Quinn, Finanzvorstand der Zurich
Auch der Schweizer Versicherer Zurich hat im ersten Quartal deutlich zugelegt. In der größten Sparte Schaden- und Unfallversicherung stiegen die Prämieneinnahmen nach eigenen Angaben um 14 Prozent auf 11,03 Mrd. US-Dollar. In der Lebensversicherung ging das Beitragsvolumen jedoch um vier Prozent auf 919 Mio. US-Dollar zurück.
Deutlich turbulenter geht es indes bei der Allianz zu: Die juristischen Auseinandersetzungen und behördlichen Untersuchungen in den USA um „Structured Alpha Funds“ werden nach den Worten von Allianz-Chef Oliver Bäte „ihre Spuren hinterlassen, den Konzern aber nicht von seinem Weg abbringen“. Der Konzern werde weiterhin wachsen, investieren und den versprochenen Aktienrückkauf über 750 Mio. Euro bis Ende Dezember umsetzen.
„Es war eine wirklich schreckliche Woche für uns. Dieses Event wird Spuren hinterlassen, aber die Allianz nicht von ihrem Weg abbringen.“
Oliver Bäte, Vorstandsvorsitzender der Allianz SE
Vorstandschef Bäte muss dennoch deutliche Kritik einstecken. Lange Zeit galt er als uneingeschränkter Macher an der Konzernspitze des deutschen Branchenprimus. „Ein-Milliarden-Euro-Mann“ oder „Der Performer“ titelte VWheute in den vergangenen Jahren. Für den Allianz-Chef ist die Situation daher neu: Bäte muss nun beweisen, dass er auch eine Krise meistern kann. Die Börse reagierte jedenfalls positiv: Allianz-Aktien legten bis Freitagmittag um knapp drei Prozent zu, nachdem sie am Montag eingebrochen waren.
Auch bei der Generali muss sich Konzernchef Philippe Donnet trotz guter Halbjahreszahlen mit gewichtigen internen Kritikern auseinandersetzen. Der „zweitgrößte Aktionär, Francesco Gaetano Caltagirone (5,6 Prozent), will Donnet loshaben; offenbar im Bündnis mit Leonardo Del Vecchio (fünf Prozent), der im ‚Hauptberuf‘ Großaktionär des Optik- und Brillenkonzerns EssilorLuxottica ist“, berichtet die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Potenzielle Nachfolger soll es ebenfalls schon geben: Carlo Cimbri von der Versicherungsgruppe Unipol, der Ex-Monte-dei-Paschi-Chef Marco Morelli, der Post-CEO Matteo Del Fante, der Allianz-Manager Sergio Balbinot und der Generali-Deutschland-Chef Giovanni Liverani.
Weitere relevante Termine in dieser Woche: Die Finanzdienstleister MLP und OVB legen ebenfalls ihre Halbjahresbilanz 2021 vor: Dabei geht die OVB Holding nun für das Gesamtjahr 2021 von einem EBIT zwischen 19 Mio. Euro und 22 Mio. Euro aus (Jahr 2020: 14,9 Mio. Euro). Die Erträge aus Vermittlungen dürften im Gesamtjahr 300 bis 310 Mio. Euro (Jahr 2020: 270,6 Mio. Euro) erreichen. Zudem wird der Vorstand der Deutschen Familienversicherung (DFV) im Rahmen des virtuellen Capital Markets Days die Ergebnisse des ersten Halbjahres 2021 präsentieren, einen Einblick in die diesjährige Geschäftsentwicklung geben und die strategische Ausrichtung sowie die nächsten Entwicklungsschritte vorstellen.
Was über die Branchengrenzen hinaus wichtig ist
Deutlich schlechter sieht derzeit die Bilanz bei der Commerzbank aus: Das zweitgrößte Kreditinstitut Deutschlands ist im ersten Halbjahr 2021 wieder tief in die roten Zahlen gerutscht. Unter dem Strich stand im zweiten Quartal ein Verlust von 527 Mio. Euro in den Büchern. Zum Vergleich: Im Vorjahreszeitraum erzielte die Bank noch einen Gewinn von 183 Mio. Euro. Die Commerzbank erklärte den Quartalsverlust unter anderem mit sogenannten „Restrukturierungsaufwendungen“ von 511 Mio. Euro. Zudem hatte der Bundesgerichtshof (BGH) Ende April entschieden, dass Banken bei Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) die Zustimmung ihrer Kunden einholen müssen (Az.: XI ZR 26/20). Viele Bankkunden können nun einen Teil zu viel gezahlter Gebühren zurückfordern. Das Bankhaus will bis Ende 2024 die Zahl der Vollzeitstellen konzernweit von etwa 39.500 auf 32.000 reduzieren und das Filialnetz in Deutschland von 790 auf 450 Standorte fast halbieren.
„Wir haben im ersten Halbjahr ein solides operatives Ergebnis erzielt. Die Umsetzung der Strategie ist voll auf Kurs. Wir treiben alle strategischen Initiativen entschlossen voran und sind bereit, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen.“
Manfred Knof, Vorstandsvorsitzender der Commerzbank
Die Lufthansa kann trotz eines neuerlichen Verlustes im ersten Halbjahr dennoch durchatmen: Unter dem Strich stand im zweiten Quartal 2021ein Verlust von 756 Mio. Euro – nach einem Minus von 1,5 Mrd. Euro im Vorjahreszeitraum. Der Umsatz kletterte um 70 Prozent auf 3,2 Mrd. Euro. Dabei habe die Airline nach eigenen Angaben von einer „deutlichen Markterholung mit steigenden Passagier- und Buchungszahlen“ profitiert. Der Grund dafür seien Lockerungen bei den Corona-Reisebeschränkungen sowie ein „großer Nachholbedarf bei Flugreisenden“ gewesen: „Der Wunsch nach Reisen ist bei den Menschen ungebrochen.“

Auch die Fraport, Betreiber des Frankfurter Flughafens, verbuchte im Juni 2021 ein Plus von fast 200 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat auf rund 1,8 Millionen Passagiere. Diese Entwicklung setzte sich nach vorläufigen Zahlen im Juli fort mit einem Zuwachs von rund 116 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat auf etwa 2,8 Millionen Passagiere. An Spitzentagen erreichen die Passagierzahlen aktuell bereits rund 50 Prozent des Aufkommens aus dem Rekordjahr 2019. Dennoch lag der Konzern-Umsatz im ersten Halbjahr mit 810,9 Mio. Euro um 10,9 Prozent unter dem Vorjahreswert.
Die klimatischen Unwägbarkeiten werden auch in dieser Woche wieder das Tagesgeschehen bestimmen. Während der Süden Europas – allen voran Griechenland – unter heftigen Waldbränden leidet, gehen die Aufräumarbeiten in den von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Gebiete unvermindert weiter. Dabei kann sich Munich Re-Vorstandschef Joachim Wenning im Interview mit der Süddeutschen Zeitung gar eine Pflichtversicherung bei Elementarschäden vorstellen.
„Wenn der Staat sagen würde, wie in der Kfz-Haftpflichtversicherung gibt es auch eine Elementarschaden-Pflichtversicherung, dann wäre das für uns als private Versicherungswirtschaft machbar. Ich persönlich zögere aber bei dem Gedanken, dass wir als Versicherer so etwas fordern oder dafür eintreten.“
Joachim Wenning, Vorstandsvorsitzender der Munich Re
Die Landwirte kommen die Hochwasser jedenfalls teuer zu stehen: Ersten Schätzungen der Länder zufolge belaufen sich die Schäden durch die Flutkatastrophe im Juli in Nordrhein-Westfalen auf 52 Mio. Euro und in Rheinland-Pfalz sogar auf 220 Mio. Euro. Besonders stark betroffen seien die Weinbaubetriebe mit 110 Mio. Euro und die Winzergenossenschaften an der Ahr mit weiteren 50 Mio. Euro. Dies teilte das Bundeslandwirtschaftsministerium letzte Woche mit.
Besondere Gedenk- und Feiertage in dieser Woche
13.08.2021: Am Freitag wird in Berlin der Opfer der Berliner Mauer gedacht. Vor genau 60 Jahren ließ DDR-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht den Grenzwall mitten durch Berlin errichten. Bis zum Fall der Mauer am 9. November 1989 kamen hier mindestens 140 Menschen ums Leben.
15.08.2021: Am Feiertag Mariä Himmelfahrt wird in der katholischen Kirche der Aufnahme der Jungfrau Maria in den Himmel gedacht. Dabei handelt es sich um ein Hochfest der römisch-katholischen Kirche, das 1950 von Papst Pius XII. zum Dogma erhoben wurde. Mariä Aufnahme in den Himmel, wie der Tag auch genannt wird, ist im Saarland sowie in einigen Gemeinden Bayerns mit überwiegend katholischer Bevölkerung ein gesetzlicher Feiertag und damit arbeitsfrei. Auch in Österreich und in einigen Kantonen der Schweiz ist der Tag ein gesetzlicher Feiertag.
15.08.2021: Am Unabhängigkeitstag wird in Indien am Sonntag das Ende der britischen Herrschaft auf dem Subkontinent gefeiert. Am 14. und 15. August 1947 wurde mit dem Indian Independence Act 1947 die Teilung der ehemaligen Kolonie Britisch-Indien festgelegt. Die heutigen Nachfolgestaaten sind Indien, Pakistan und Bangladesch (Unabhängigkeit 1971). Indien gilt heute als einer der wichtigsten Versicherungsmärkte der Zukunft.
Höhere Schäden verzeichneten die Versicherer übrigens auch bei den Blitzeinschlägen. Nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) stieg die Schadenssumme im Vergleich zu 2019 um zehn auf 260 Mio. Euro, obwohl es mit 200.000 Blitz- und Überspannungsschäden so wenige gab wie noch nie seit Einführung der Statistik 1998. „Der Schadendurchschnitt liegt mit 1.300 Euro so hoch wie nie“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Er führt die Entwicklung auf die immer umfangreichere Gebäudetechnik zurück: „Die Häuser und Haushalte sind technisch immer besser ausgestattet.“

Der Blitz-Informationsdienst von Siemens (BLIDS) hat dabei im Jahr 2020 über 399.000 Blitzeinschläge in Deutschland verzeichnet – rund 21 Prozent mehr als noch 2019. Durchschnittlich wurde jeder Quadratkilometer der Bundesrepublik von 1,1 Blitzen getroffen. Die meisten dieser Blitze gingen in Bayern nieder. Das Bundesland hat im vergangenen Jahr rund 114.000 Erdblitze registriert. Die Blitzdichte beträgt somit etwa 1,6. Übertroffen wird Bayern im Bundesländer-Ranking nur von Hamburg. 1,9 Blitzereignisse pro Quadratkilometer hat die Hansestadt 2020 erlebt und ist damit das blitzreichste Bundesland Deutschlands.

Der blitzreichste Tag war 2020 der 13. Juni. Insgesamt konnten an diesem Datum 89.517 Einschläge gemessen werden. Niedersachsen war am stärksten betroffen – über 27.000 Erdblitze sind dort eingeschlagen. Laut BLIDS ist die niedersächsische Stadt Wolfsburg mit rund 5,8 Blitzeinschlägen pro Quadratkilometer die Blitzhauptstadt Deutschlands 2020. Dahinter folgt Kempten im Allgäu mit 5,1 Erdblitzen pro Quadratkilometer und das oberbayerische Miesbach mit 4,7.

Die geringste Blitzdichte beobachtete BLIDS in Coburg und Bamberg mit jeweils deutlich unter 0,1 sowie in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz mit knapp 0,1 Blitzereignissen pro Quadratkilometer. München ist mit 2,3 Blitzereignissen pro Quadratkilometer die blitzreichste Landeshauptstadt vor Hamburg (1,9).
Autor: Tobias Daniel