Verkauf von LV-Beständen in den USA und der Schweiz: Das plant die Allianz wirklich

Die Allianz-Gruppe sendet widersprüchliche Lebensversicherungssignale (LV). Während in Deutschland gebetsmühlenartig jegliche Art von Policenabgabe verneint wird, sind aus dem Ausland gegensätzliche Meldungen zu vernehmen. Nach Medienberichten sollen die Münchener den Verkauf von Policen in den USA und der Schweiz planen. Ist das die Vorbereitung zu einem globalen LV-Ausstieg oder sind das Einzelmaßnahmen? VWheute hat sich umgehört.

Die Allianz schmiedet milliardenschwere Verkaufspläne um ein großes US-Lebensversicherungsportfolio, wurde am Wochenende bekannt. Aktuell berichten Schweizer Medien, dass die Allianz Suisse vor dem Verkauf von Lebenspolicen steht. Verwundern können die Gedankenspiele nicht, das Branchenumfeld ist durch Niedrigzinsen und strengere Regulierung schwieriger geworden; Insider erwarten branchenweit Bestandsverkäufe.

Die Marktbedingungen betreffen auch die Allianz. Trotz Beherrschung des deutschen LV-Marktes hat das Unternehmen harte Einschnitte im Bereich Altersvorsorge vorgenommen. Die Pensionskasse wurde geschlossen und  die (LV)-Garantien massiv begrenzt. In der betrieblichen Altersversorgung  ist die volle Beitragsgarantie ganz gestrichen worden, die Garantien sanken auf bis zu 60 Prozent. Kritiklos war das nicht, doch diese und weitere Aktionen sollen auch in der Nullzinsphase eine “sichere und lukrative” Vorsorge für  “die nächsten 30 Jahre“ bieten, erklärte das Unternehmen. Die Allianz hat sich vorab den Bedingungen angepasst, das ist wohl auch der Gedanke bei den gemunkelten Deals in den USA und der Schweiz.

„Kapital aus Altbeständen freisetzen“

Die Allianz plant keinen LV-Ausstieg. „Die demografische Entwicklung macht die Lebensversicherung zu einem der strategischen Wachstumsfelder für jeden Versicherer. Dies gilt auch für die Allianz angesichts ihrer sehr starken Position im Lebens- und Vermögensmanagement.“ Doch die Kundenlösungen müssen sich mit den „veränderten Rahmenbedingungen weiterentwickeln“, wird auf Nachfrage erklärt. „Neben den Entwicklungen des Kapitalmarkts und des regulatorischen Umfelds spielt die Absicherung der erhöhten Lebenserwartung und des damit verbundenen Finanzbedarfs in unserer Lebensstrategie über zwei Dimensionen hinweg eine immer wichtigere Rolle“.  Einerseits wurde ein „Rahmen entwickelt“, um die finanzielle Nachhaltigkeit „unserer neuen Produktgeneration sicherzustellen“; auf der anderen Seite werde das Portfolio „kontinuierlich geprüft“, um nach Möglichkeiten zu suchen, „Kapital aus Altbeständen freizusetzen.“ Das ist der zentrale Satz.

Die Regulatorik zwingt Lebensversicherer wie die Allianz dazu, für Kundengarantien hohe Kapitalsicherheiten bereitzustellen. Weiterhin werden die Anlagemöglichkeiten dahingehend begrenzt, dass Renditebringer wie Aktien ebenfalls hohe Sicherheiten bedürfen. Das Sicherheitsgeld gehört zwar dem Versicherer, kann aber nicht beliebig eingesetzt werden. Um es Solvency-II-gerecht freizusetzen, nutzen immer mehr Lebensversicherer eine Backup-Lösung. Dafür wird ein Rückversicherer oder Investor als solventer und seriöser Partner gebraucht. „Wir wählen unsere Geschäftspartner sehr sorgfältig aus, um erstklassigen Service und Wert für den Kunden zu gewährleisten“, erklärt die Allianz.

Stark vereinfacht dargestellt bietet das Backup dem Lebensversicherer eine feste Verzinsung für seine Zinsversprechen gegenüber dem Kunden, sodass der Erstversicherer kapitalfrei wird.  Der Backup-Partner simuliert ein passgenaues Asset, das den garantierten Kapitalbedarf deckt. Die Bestände werden nicht verkauft, verantwortlich bleibt der Erstversicherer, in dem Beispiel die Allianz. Das übernehmende Backup ist an die Solvency-Regeln nicht oder nur teilweise gebunden, sodass er mit flexibleren Anlagemöglichkeiten eine Rendite erzielen kann, die über die Garantien an den Lebensversicherer hinausgehen. Der Erstversicherer wird bei den „abgegebenen“ LV-Verträgen praktisch kapital- und schwankungsfrei, das Risiko ist auf eine Pleite des Backup-Partners begrenzt. Für Erstversicherer, Partner und Aufsicht kann die Backup-Lösung eine Win-Win-Win-Situation sein.

Schweiz-Deal „sehr wahrscheinlich“

Ein LV-Verkauf ist „selten sinnvoll“, dringt es immer wieder aus dem Allianz-Lager. Das bedeutet aber nicht, dass die Backup-Lösung außen vor ist. In der Schweiz soll ein Portfolio von Lebensversicherungspolicen im Umfang von gut 5 Milliarden Euro an das Finanzunternehmen Resolution Life gehen, berichtet Finews. Zuvor hatte Bloomberg berichtet, dass die „Europa-Gesellschaft“ von Allianz  ein Bündel von Leben-Policen im Umfang von mehreren Milliarden Euro abstoßen will.

Ein Insider erklärt gegenüber VWheute, dass das Schweiz-Geschäft in den nächsten Tagen „mit sehr, sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ verkündet werden wird. Die Schweizer Allianz wie auch die Gruppe kommentieren die Marktgerüchte nicht. Nähere Einzelheiten zum Geschäft sind nicht bekannt, es ist aber wahrscheinlich, dass es in die Richtung der oben genannten Backup-Lösung gehen wird.

Und die USA?

Die Allianz hält sich auch zu den Verkaufsplänen in den USA bedeckt. Ein weiterer Insider erklärt, dass „Teile des US-Geschäfts“ sich für eine Backup-Lösung eignen würden. Neu ist die Idee nicht. AIG hatte im Juli Teile des LV-Geschäfts an Blackstone verkauft, Prudential Financial Inc. an die von Carlyle unterstützte Fortitude Group Holdings LLC.

Einen wirklichen Verkauf von LV-Policen mit der Abgabe aller Rechte muss sich ein Unternehmen gut überlegen. Den Reputationsverlust muss man sich leisten wollen und können, erklärt der Insider. Die Allianz wird diesen Weg wohl nicht gehen, sondern im Fall der Fälle dem Backup-Lösungspfad folgen. Ein LV-Ausstieg ist ausgeschlossen: „Die Allianz-Gruppe bleibt dem Lebensgeschäft voll und ganz verpflichtet und setzt beide strategischen Hebel weltweit erfolgreich um, um die Zukunft ihrer Kunden zu sichern.“

Autor: Maximilian Volz