Steigende Prämien und BSV-Versäumnisse: E+S Rück blickt mit gemischten Gefühlen nach vorne

Quelle: Hannover Rück

Dieses Jahr entfällt das Baden-Baden-Rückversicherungstreffen coronabedingt. Die Meetings finden virtuell statt, sodass die E+S Rück, für Deutschland zuständige Tochter der Hannover Re, zum Online-Pressegespräch rief. Der Rückversicherer erwartet deutliche Prämiensteigerungen für die eigene Branche und daraus folgend Preiserhöhungen auf dem Erstmarkt sowie steigende Pandemiefolgekosten. Sehr offen bekennt Hannover Re-Vorstand Michael Pickel Versäumnisse bei der Betriebsschließungsversicherung (BSV).

Die E+S ist insbesondere im KFZ-Geschäft eine wichtige Stütze der Erstversicherer, doch das Unternehmen ist auch in anderen Bereichen stark.

Quelle: E+S

Auffällig ist die Entwicklung im KFZ-Bereich besonders in der Art des Schutzes und er Anbieteranzahl. Es gibt seit Jahren einen Trend zur Voll(kasko)versicherung, zu Lasten der Teilkasko, bestätigt Andreas Kelb, General Manager E+S Shareholder Business. Während des Lockdowns sanken die Unfallzahlen, die Schadenfrequenz liegt aber auch aktuell noch „deutlich unter Normalniveau „. Die Anzahl der Kraftfahrtversicherer sank innerhalb von 20 Jahren um 36 Einheiten auf aktuell 89 Anbieter, obgleich der Markt lukrativ ist. Seit über zwanzig Jahren, mit einer mehrjährigen Beitragsdelle, steigt die Fahrzeuganzahl ebenso wie die Summe der Bruttobeiträge.

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In Großbritannien wird aktuell ein Gesetz auf den Weg gebracht, dass Bestands- und Neukunden in der KFZ-Versicherung gleichstellt. Im Wesentlichen soll das Gesetz verhindern, dass Neukunden für das selbe Risiko einen günstigeren Schutz erhalten als die Stammkundschaft. Eine simultane Regelung hierzulande sehen weder Kalb noch Pickel. „Der Kunde kann bei Erhöhungen wechseln“, sodass keine Automatismen nötig sein, erklärt der Vorstand. Weiterhin wäre es nicht so, dass der Neu- automatisch besser als der Bestandskunde gestellt sei.

Michael Pickel. Quelle: Hannover Rück

Passend dazu prognostiziert der Rückversicherer im KFZ-Neugeschäft, „je nach Gesellschaft stabile bis leicht rückläufige Tarife“, dagegen im Bestandsgeschäft „im Mittel leicht steigende“ Stufen.

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Im Bereich Telematik will die E+S weiter aktiv sein und baut seine Bemühungen aus.Drei Kunden arbeiten zurzeit an der Einführung eines eigenen Telematiktarifs auf Basis von „es|Tmatik“, der Eigenlösung des Rückversicherers, erklärt Stefan Schmuttermair, General Manager – Germany and Technical Underwriting.

Covid-19 und BSV

KFZ-Geschäft hin, Wechselsaison her, derzeit ist Covid-19 und die Betriebsschließungsversicherung das heißeste Thema. Die Schäden durch die Epidemie betreffen mehrere Aspekte des Geschäfts, bestätigt Jonas Krotzek, Managing Director – Germany, Austria, Switzerland und Italy.

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„Da haben Sie einen Punkt“, war die ehrliche Antwort von Pickel auf die Frage, warum weder Erst- noch Rückversicherern vor Covid-19 auffiel, dass viele Betriebsschließungsbedingungswerke nicht eindeutig formuliert sind. Die E+S bekennt, dass sie auf diesen Bereich „nicht so draufgeschaut habe“, auch weil es kein „Großsummengeschäft war“. Einen fairen Einwand hatte Krotzek, der betonte, dass vor dem Lockdown niemand eine solche Wahrscheinlichkeit „auf dem Zettel“ hatte. Zudem sei der Rückversicherer „nicht an der Erstellung der Bedingungswerke der Erstversicherer beteiligt“, betont Pickel.

Der Rückversicherer bietet seinen Kunden allerdings seit März juristischen Beistand an. „Das kann auch bedeuten, dem Kunden zur Zahlung zu raten, betont der Vorstand. Wenn ein Erstversicherer Leistung ausbezahlt, sei es als gewöhnliche Schadenerstattung, im Zuge eines Vergleichs oder als Teil der bayrischen Lösung, erstatte die E+S als Rückversicherer wie bei einem „gewöhnlichen Schaden“ nach vereinbartem Satz.

Weniger oder mehr Schäden

Der Mitbewerber Aon sieht zu hohe Covid-19-Schadenzahlen kursieren. In der Branche werden Summen von weltweit rund 100 Milliarden Dollar herumgereicht, „das halte ich für zu hoch”, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters aktuell den Aon-Deutschland-Chef Jan-Oliver Thofern. Er gehe eher von 30 Milliarden Dollar oder etwas weniger aus. Die großen Rückversicherer hätten bisher 26 bis 27 Milliarden Dollar Schadenaufwand verbucht.

Dieser Einschätzung widerspricht Pickel. „Es ist noch nicht absehbar, welche Schäden noch kommen“, erklärt er und nennt insbesondere die Kredit- und D&O-Branche als mögliche Risiken. „Die tatsächlichen Auswirkungen der Krise könnten erst im nächsten Jahr sichtbar werden“, zudem sei noch kein Rückversicherer „an zu hohen Reserven gescheitert“.

Zweistellige Wachstumsraten in Aussicht

Der liebste Punkt jedes Rückversicherers ist die Frage nach der Prämienerhöhung. Für das Geschäft der Unternehmen ist sie essenziell. „Die Zinsen werden auf absehbare Zeit niedrig bleiben. Erträge für Versicherer müssen daher auch im Longtail-Geschäft aus der Risikoübernahme selbst kommen. Sich auf Zinserträge oder gar das Ausbleiben statistisch zu erwartender Schäden zu verlassen, ist keine geeignete Grundlage für eine nachhaltige Übernahme großer Risiken, erklärte Munich Re Vorständin Doris Höpke. Eine Steigerung der Prämien sieht Pickel für nahezu alle Bereiche.

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Hohe Anpassungen des Prämienniveaus sind für die Versicherer in bestimmten Bereichen notwendig. Im Bereich „Sturm für Europa“ spricht Pickel von einem „zweistelligen Prozentbereich“, dort nicht nur an dieser Stelle gäbe es Nachholbedarf.

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Alle zahlen mehr?

Wenn die Kosten für die Rückversicherung steigen, werden in Bälde die Preise für die Kunden folgen, denn die Erstversicherer werden die Mehrkosten schwerlich (alleine) tragen wollen. „Preiserhöhungen bei Erstversicherern sind unabdingbar und auch für Rückversicherer besteht Anpassungsbedarf“, sagt Pickel.

Es ist alles nicht so einfach auf dem Rückversicherungsmarkt.

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Dennoch bleibt Pickel optimistisch. Er und seine Kollegen seien erfahrene Experten und „würden das Kind schon schaukeln“.

Autor: Maximilian Volz

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