GDV hat Hoffnung bei Solvency-II-Review nicht aufgegeben

Willi Heidelbach auf Pixabay

Die europäische Aufsichtsbehörde EIOPA will das Regelwerk Solvency II anpassen. Den Versicherern läuft es bei den Vorschlägen kalt den Rücken herunter, doch der GDV hat die Hoffnung auf branchenfreundliche Lösungen noch nicht aufgegeben. „Hinter den GDV-Vorschlägen stehe „die  ganze europäische Versicherungswirtschaft“.

Bereits als EIOPA die ersten Überarbeitungsvorschläge vorlegte, waren die Versicherer in ganz Europa nahe der Schnappatmung. Einzelne Vorstände wie Guido Bader, Stuttgarter, mahnten Mäßigung und Verschnaufpausen an, doch es half nichts, die Aufsicht ist fest entschlossen und hat ihre Wünsche an die Europäische Kommission weitergeleitet. Die Aufseher sprechen bei den angedachten Änderungen von „Evolution nicht Revolution“. Diese wird ihren Vorschlag zur Änderung von Solvency II „voraussichtlich im 3. Quartal 2021“ vorlegen, der GDV sprach von „Anfang Juli“. Anschließend startet der Gesetzgebungsprozess unter Beteiligung von EU-Parlament und EU-Rat. Die veränderten Regeln „könnten ab 2024/2025 greifen“. Es ist anzunehmen, dass die Politiker den Vorschlägen ihrer eigenen Behörde weitestgehend folgen. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen.

Der GDV mahnte bei einem Solvency II-Workshop Änderungen an. Diese Punkte sollen reformiert werden. Insbesondere die farblich markierten sind „besonders bedeutend“.

Diese Punkte will EIOPA bei Solvency II anpassen. Quelle: GDV

Ein wesentlicher Punkt im umfangreichen Review-Katalog ist die vorgeschlagene Änderung der Zinsextrapolation. Mit einem Extrapolationsverfahren werden Vergangenheitswerte mithilfe einer mathematischen Funktion in die Zukunft projiziert. Angewandt auf die Versicherungswirtschaft bedeutet das, dass der Kapitalbedarf für die bereits bestehenden Verpflichtungen gegenüber den Kunden im Jahr X berechnet wird. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, welcher Zinssatz zur Berechnung verwendet wird. Wird beispielsweise der aktuelle Zinssatz von praktisch null verwendet, steigt der Kapitalbedarf.

Der GDV ist mit dem momentanen Vorschlag von EIOPA nicht einverstanden. Im Ergebnis würden die diskutierten Ideen zu einem zusätzlichen Eigenmittelbedarf der europäischen Lebensversicherer von gut 60 Milliarden Euro führen, erklärt der Verband. Diese Eigenmittel würden dann fehlen, um „langfristige Investitionen mit höheren Renditeperspektiven“ zu bewältigen.

Reporting und Proportionalität

Die EIOPA-Vorschläge für eine stärkere Anwendung des Proportionalitätsprinzips gehen laut GDV in die „richtige Richtung“, aber „nicht weit genug“. Das Prinzip sagt im Wesentlichen aus, dass die Anforderungen unter Solvency II in Bezug auf bestimmte Bezugsgrößen stehen, es wird also eine verursachungsgerechte Kostenverteilung angestrebt. Von der Anhebung der Anwendungsgrenze für Solvency II auf 25 Millionen Euro Bruttobeitragseinnahmen würden in Deutschland nur wenige Versicherer profitieren. Der Gesamtanteil am Schaden-/Unfallmarkt würde unter einem Prozent betragen. Der GDV plädiert dafür, Erleichterungen nicht von quantitativen Grenzwerten, sondern vom „tatsächlichen Risikoprofil“ der Unternehmen abhängig zu machen.

Weiterhin wird kritisiert, dass das Reporting zu ausufernd sei.  Positiv wertet der GDV den EIOPA-Vorschlag, die für die (Fach-)Öffentlichkeit bestimmten Solvenzberichte der Unternehmen (SFCR) in zwei Teile aufzuspalten: Einen Kurzbericht für Verbraucher und Kunden sowie einen ausführlichen Bericht für professionelle Akteure wie Journalisten oder Analysten. Die Aufteilung dürfe allerdings nicht zu „immer mehr Pflichtangaben“ führen. Die von der EIOPA geforderte externe Prüfung der Berichte sei nicht notwendig. Wer tiefer in den Maschinenraum von Solvency II und den angedachten Änderungen einsteigen will, dem sei die Analyse der KPMG-Law-Anwälte Ulrich Keunecke und Frank Püttgen empfohlen.

Wohin geht die Reise mit EIOPA?

Der GDV plädiert gegenüber den Aufsehern, dass bei den zugrunde gelegten Szenarien für Krisen „nicht immer“ der „schlechteste Fall“ unterstellt“ werden sollte. Ob dieser Wunsch in Erfüllung geht, wird auch davon abhängen, wer künftig EIOPA führen wird. Aktuell wurden die Vorschläge für den künftigen Chairman veröffentlicht – es ist auch ein amtierender Versicherungs-CEO unter den Kandidaten.

Autor: Maximilian Volz

Ein Kommentar

  • Dr. Andreas Billmeyer

    Eine politische Reise mit ungewissem Ausgang – allerdings ist wirklich sehr bedenklich, dass wesentliche relevante Punkte von der EIOPA weiterhin einfach zu Lasten der Branche ignoriert werden: Zinsfloor nach unten in Basiskurve und Stressen in Höhe der Kosten von Bargeldhaltung, Anerkennung der höheren Renditen von Aktien/Beteiligungen/Immobilien ggf. auch von illiquiden Anlageklassen, Entlastungen bei völlig überzogenen Immobilien- und Massenstornorisiken…

    Im Gegenzug wäre dann auch zu verschmerzen, wenn Staatsanleihen moderat mit Risikokapital zu hinterlegen wären, was ebenfalls ein offensichtlicher Modellierungsfehler derzeit ist.

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