Zukunftstechnologien der Versicherer: Was ist Hype, was macht Hoffnung?
Künstliche Intelligenz, Cloud, Blockchain und viele andere Technologien werden in der Branche heiß diskutiert. Man suggeriert, dass sie essenziell für den zukünftigen Erfolg von Versicherern sind. Welche Technologien sind tatsächlich zukunftsweisend und welchen Trends droht ein Nischendasein? Die IT-Experten Thorsten Vogel und Giso Hutschenreiter geben exklusive Einblicke.
In einer kürzlich durchgeführten Umfrage im Rahmen des BearingPoint-Versicherungsdialogs (154 Branchenteilnehmer, September 2021) zeigt sich ein sehr klares Meinungsbild. 72 Prozent der Teilnehmer sehen Zukunftstechnologien als Wachstumstreiber für Versicherungen. Technologien werden offensichtlich nicht nur als „Erfüllungsgehilfe“ gesehen, sondern es kommt ihnen eine zentrale Rolle in der Zukunftsgestaltung der Branche zu. Die Relevanz des Themas ist gegeben. Was gibt es für konkrete Ansätze und was ist seitens der Versicherungen zu tun, damit neue und innovative Technologien erfolgreich zum Einsatz kommen können und den Mehrwert liefern, der von ihnen erwartet wird? Welche Technologien werden auf dieser Basis die Branche maßgeblich beeinflussen?
Zukunftstechnologien im Überblick
Von der Idee zum Ansatz zur etablierten Technologie – Ein Ansatz zur Bewertung
Unterschiedliche Rankings zu Technologietrends bei Versicherungen weisen in der Regel dieselben Technologien aus, mit Abweichungen im Detail. Es wäre auch merkwürdig, wenn es hier zu komplett unterschiedlichen Ergebnissen kommen würde. Grundlage für unseren Ansatz sind insbesondere vier Bezugsquellen:
- Die Studie Vision Insurance 2030 BearingPoints Versicherungsdatenbank mit Informationen zu etwa 150 Versicherungskunden
- Kooperation mit InsurTech-Hubs und Innovations-Inkubatoren
- Allgemeine Marktrecherche, auch außerhalb der Versicherungsbranche
- Auf dieser Basis werden fortlaufend mögliche Technologien analysiert, die sich zu einem Technologietrend für Versicherungen entwickeln können, sogenannte „Ideen“.
Werden diese Ideen konkreter und entwickeln eine übergreifende Relevanz für die Branche, werden sie zu „Technologie
Trends“ im Rahmen unseres Ansatzes. Die ermittelten Trends bewerten wir hinsichtlich zweier Faktoren:
Foundation: Wie ist der Stand der Grundlagen bei den Versicherungen. Bei allen Technologien müssen entsprechende Grundlagen im Unternehmen in den Bereichen Technologien, Mitarbeitern/Skills und Organisation geschaffen sein. Ein weiterer Faktor sind die Marktgrundlagen. In vielen Diskussionen mit Kunden und Technologieanbietern zeigt sich, dass die Einführung und Nutzung von Technologien konkrete Use-Cases benötigt, die einen Mehrwert erzielen. Mehrwert kann dabei unterschiedlich gemessen werden. Er kann sich z.B. ausdrücken in Effizienz- oder Effektivitätssteigerungen höherer Qualität oder Kundennutzen, sollte aber klar messbar sein. Die Fragestellung, ob es für eine Technologie schon konkrete Use-Cases gibt, ist entsprechend wichtig für die zukünftige Bedeutung der Technologie.
- Building Blocks: Wir haben bei Versicherungen drei zentrale „Building Blocks“ identifiziert. Damit beschreiben wir übergreifende Faktoren, die wir als zentrale Leitplanken für Technologien identifiziert haben.
- „Compliance Check“: Die Anforderungen an die IT-Compliance steigen stetig. VAIT ist ein Beispiel hierfür. Sind neue Technologien compliant, gibt es Klärungsbedarf oder sie orientieren sich konkret an der Erfüllung von Compliance-Vorgaben. Die Dichte der Compliance-Vorgaben steigt zudem stetig.
- „Digitales Ökosystem“: Die Vernetzung in Digitalen Ökosystemen sehen wir als eine zentrale Grundbedingung für den zukünftigen Erfolg von Versicherungen. Neben den „klassischen“ Teilnehmern wie Kunden, Maklern, Dienstleistern und Vergleichsportalen, rücken hier zunehmend auch Lösungsanbieter aus anderen Branchen und Insurtechs in den Fokus. Die Unterstützung von digitalen Ökosystemen und idealerweise die Schaffung von Mehrwert für die beteiligten Parteien sind ein weiterer Building Block, gegen den wir Technologien evaluieren.
Die Trends – Welche Technologien werden die Versicherungswelt beeinflussen?
Eine Verallgemeinerung des zu erwartenden Nutzens der jeweiligen Technologie für das Unternehmen ist schwierig. Wichtig ist es aber, sich mit den Trends auseinanderzusetzen, diese zu analysieren und die Brauchbarkeit für das eigene Unternehmen zu bewerten. An Themen wie „Cloud“ und „AI/KI“ kommt man dabei vermutlich nicht vorbei, andere Technologietrends sind differenzierter zu bewerten, basierend auf der Ausgangssituation. Es gibt aber drei zentrale „Leitplanken“, die für den erfolgreichen Umgang mit Technologietrends für alle Versicherungen relevant sein sollten:
- Ohne Strategie wird es schwierig: Eine klar definierte und mit konkreten Umsetzungs-Roadmaps hinterlegte IT-Strategie ist notwendig. Wichtig ist hierbei aber eine permanente Überprüfung und bei Bedarf Aktualisierung der Strategie, damit aktuelle Technologietrends berücksichtigt werden.
- Ein klares IT-Zielbild ist wichtig: Technologien haben Abhängigkeiten. Wollen Sie zum Beispiel AI/KI erfolgreich nutzen, benötigen Sie genügend Daten von ausreichender Qualität. Dafür brauchen Sie weitere Technologien. Diese Abhängigkeiten zu erkennen und in entsprechende Zielbilder und Vorgehen zu transferieren ist eine komplexe Aufgabe. Eine gut aufgestellte Enterprise-Architektur ist hierfür eine Grundbedingung.
- Haben Sie Mut zur Veränderung: Technologien zu adaptieren, in das Zielbild zu integrieren und zu einem festen Bestandteil der IT-Landschaft zu machen, ist essenziell. Nur wenn probiert wird, neue Skills aufgebaut werden und auch mit der notwendigen Management-Unterstützung Dinge konkret angegangen werden, werden die Technologien wirklich Mehrwert stiften und sich etablieren. Häufig werden hier auch organisatorische Veränderungen notwendig sein, um mit der eingesetzten Technologie Schritt zu halten. Dass Fehler passieren, liegt auf der Hand.
Wir blicken auf die Trends, die Leitplanken und die Chancen, die sich für Versicherungen daraus ergeben, sehr positiv. Versicherer sind in Bewegung und wie kaum eine andere Branche aktiv in der Auseinandersetzung mit neuen Technologien und deren Umsetzung. An vielen Stellen gibt es Schwierigkeiten, oft sind die technologischen Altlasten sehr groß. In Summe sehen wir eine klare Bewegung der Branche. Würde es diese nicht geben, so gäbe es auch nicht so viele neue Technologien, etablierte Anbieter, Insurtechs und Diskussionen rund um das Thema.
Autoren: Thorsten Vogel und Giso Hutschenreiter, beide Partner bei BearingPoint
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der aktuellen November-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.