Kukies: Kein Blankoscheck beim Solvency-II-Review

Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Quelle: Florian Gaertner / photothek.net

Der Vorschlag der EU-Kommission für die Überarbeitung des Aufsichtsregimes Solvency II ist nach den Worten von Jörg Kukies ein „konstruktiver Aufschlag“. Der Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen warnte beim „Handelsblatt Insurance Summit 2021 – Digital Edition“ aber vor Eile: „Die Detailregelungen erlauben keine Schnellschüsse.“ Wichtig für die deutsche Assekuranz sind im Wesentlichen die Änderungen bei der Extrapolationsmethode für die Zinsstrukturkurve, die Ultimate Forward Rate (UFR) und der Last Liquid Point.

Da das Gesetzgebungsverfahren (Level 1) Auswirkungen auf Level 2 (technische Ausführungen) habe, „muss vom Ende her gedacht werden“, sagte Kukies. „Es darf kein Blankoscheck für Level 1 ausgestellt werden, ohne dass wir wissen, wie Level 2 aussehen wird.“ Im Hinblick auf Sachlagen wie die Regierungsbildung in Deutschland und die Wahlen in Frankreich sei die Dauer der Trilog-Gespräche für das Review nicht abschätzbar: „Das können drei Monate sein oder sechs oder neun.“

Hinsichtlich des von der Branche vielfach beklagten Mangels an „grünen“ Kapitalanlagen verwies Kukies auf die Sondierungspapiere der Ampel-Koalitionäre. Der Ausbau der regenerativen Energien verspreche „enorme Möglichkeiten“ im Zusammenhang mit Public-Private-Partnerships.

Die „riesige“ Aufgabe der Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft ist nach den Ausführungen des Gothaer-Chefs Oliver Schoeller die Chance für den deutschen Mittelstand. Sein Haus wolle diesen unterstützen und „mit dem Mittelstand mitwachsen.“ Schoeller wandte sich gegen die Sanierung des weichen Sachversicherungsmarktes: „Ich glaube, dass wir uns in der Betreuung des Mittelstandes keinen Gefallen mit der Volatilität bei Produkten und Pricing tun.“

Alexander Vollert, Chef der deutschen Axa-Gruppe, berichtete, dass die Corona-Pandemie gezeigt habe, dass Produkte und Prozesse noch schneller und einfacher aus Sicht des Kunden werden müssten. Eine seiner Thesen zur Einfachheit lautet: „Wir entwickeln Angebote für den Kunden und nicht für den Vertrieb.“ In der Vergangenheit habe man Produkte für die Vertriebspartner differenziert, um mehr Verkaufskraft auf die Straße zu bekommen. „Das ändert sich. Corona hat gezeigt, dass immer mehr Menschen digital als Erstes zu uns kommen. Es gibt immer mehr hybride Kundenreisen. Wir hatten im letzten Monat den mobilen Moment, wo mehr Leute mobil mit uns agieren als über die klassische Website.“ Seit Beginn der Pandemie sei die Zahl der digitalen Anfragen um über 75 Prozent gestiegen. Den stationären Vertrieb macht dies den Ausführungen zufolge nicht überflüssig. Aber: Man müsse genau überlegen, wo personelle Interaktion mit Mehrwert für den Kunden verbunden sei. Einfachheit sei auch für den Vertrieb von Vorteil.

Ein „neuer Humanismus“ soll nach den Worten von Giovanni Liverani „für nachhaltigen Erfolg in der Versicherungswirtschaft“ sorgen. Der Chef der deutschen Generali-Gruppe sprach sich für ein intelligentes Zusammenspiel von Technik und persönlicher Kundenbetreuung aus. Die Pandemie habe gerade zu einer völlig neuen Wahrnehmung des Begriffes Risiko geführt. „Human touch“ sei zum wichtigsten Wort geworden. Die Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen solle Zeit für Beratung schaffen. Diese „Quality Time“ sei ein Wettbewerbsvorteil. Zu den Paradigmenwechseln gehöre auch, dass man sich vom Schadenregulierer zum Partner in Sachen Prävention wandle. Dies bedürfe innovativer Versicherungslösungen, wie man sie beispielsweise mit „Vitality“ oder der „We-Care-App“ schon in der Krankenversicherung anbiete. Es gehe darum, die Lebensqualität der Kunden zu verbessern. „Der Markt für solche Produkte wächst“, ist sich Liverani sicher.

Autor: VW-Redaktion

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