Milliardenschaden: Versinken die Versicherer im Greensill-Strudel?

Versicherer im Strudel des neusten Bankenskandals. Bild von Gordon Johnson auf Pixabay.

Der Skandal um Greensill zieht nun auch die Versicherungsbranche in ihren Bann. Die Bafin hat die Greensill Bank AG in Bremen nach Turbulenzen bei der britisch-australischen Mutter-Gesellschaft geschlossen. Bei der Frage nach dem Ersatz der Schäden richten sich alle Augen auf die Versicherer, doch es gibt viele Fragen und noch mehr Probleme.

Ein Grund für die Schieflage der Greensill Bank in Deutschland sind neben den riskanten Finanzgeschäften die Probleme des Mutterkonzerns Greensill Capital Pty Ltd, ein britisch-australisches Fintech, das 2011 von dem australischen Banker Lex Greensill gegründet wurde. Die Holding hat ihren Sitz in Australien, das operative Geschäft ist in der britischen Tochter Greensill Capital gebündelt. Im Jahr 2014 wurde die in Bremen ansässige Nordfinanz Bank gekauft und in Greensill Bank umfirmiert.

Die deutsche Tochter sammelte Milliardengelder bei deutschen Privatanlegern und institutionellen Investoren ein, mit denen sie ihre komplexen Lieferkettenfinanzierungsgeschäfte betrieb. Das Business lief offenbar gut, die Bilanzsumme hatte sich allein zwischen 2017 und 2019 auf 3,8 Milliarden Euro verzehnfacht. Das Problem der Greensill Bank ist, dass die Kreditwürdigkeit, auf der das Geschäft fußt, eng mit dem Risikoprofil des Mutterkonzerns verzahnt ist. Genau dieser Mutterkonzern hat allerdings mittlerweile eine Insolvenz in Eigenregie beantragt. Bei dem angeschlagenen Haus haben inzwischen Insolvenzexperten der internationalen Unternehmensberatung Grant Thornton das Sagen, wie der Webseite zu entnehmen ist.

Die Folge ist, dass die Finanzaufsicht Bafin Mitte letzter Woche ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot wegen drohender Überschuldung bei der deutschen Greensill erlassen hat. Mit der Maßnahme sollten die Vermögenswerte gesichert werden, um den Anlegern eine Chance auf Kompensation zu ermöglichen. Nach Informationen aus Finanzkreisen stehen bei der Bremer Bank insgesamt 3,6 Milliarden Euro an Einlagen auf dem Spiel. Bereits Ende 2019 beliefen sich die Kundenverbindlichkeiten auf 3,3 Milliarden Euro.

Es ist unklar, wer für die bisher noch nicht bezifferbaren Schäden aufkommen muss. Anhand zweier Beispiele kann aufgezeigt werden, wie komplex der Fall ist.

Der Fall Credit Suisse

Die Schweizer Bank Credit Suisse (CS) hatte „Greensillfonds“ aufgelegt und dabei „stets den Versicherungsschutz hervorgehoben“, wie das Schweizer Medium Finews schreibt.  Die Bank habe bei den Produkten darauf hingewiesen, dass die Kreditrisiken „durch Versicherer mit hohen Ratings abgedeckt seien“. Im Sommer 2020 waren das laut einer CS-Produktbeschreibung noch Insurance Australia, Tokio Marine, Euler Hermes sowie mit Anteilen von unter einem Prozent die Schweizer Zurich sowie HCC International Insurance.

Im Factsheet gibt die Bank eine Versicherungsdeckung von 81,5 Prozent an, schreibe aber weiterhin „voll versichert“. Es bestehen also Zweifel, in welcher Höhe Schutz besteht. Das ist aber nicht das einzige Problem.

Wer bezahlt was und warum?

Es ist offenbar nicht klar, wer der Versicherer der Fonds ist. Das Unternehmen Insurance Australia Group Limited (IAG) erklärte, dass es den Schutz rückversichert und an Tokio Marine abgetreten hat. Ironischerweise war es laut Finews der japanische Versicherer, der das „Greensill-Gebäude zum Einsturz brachte“. Vergangenen Juli hätte Tokio Marine der Fondsfirma Greensill Capital den Versicherungsschutz gestrichen, nachdem ein „Underwriter bei BCC“ die „Risikolimiten massiv überschritten“ hatte. Das hatte zur Folge, dass die Credit Suisse nicht mehr in die von Greensill herausgegebenen Kreditpapiere investieren konnte und führte schlussendlich zur „Schließung der Fonds und der Greensill Bank in Deutschland“.

Jetzt ist der Fall wieder zur Tokio Marine zurückgekehrt. Das Unternehmen hat laut Financial Times bereits erklärt, dass es die „Validität der Greensill Versicherung anzweifelt„. Der japanische Versicherer Tokio Marine will die Gültigkeit der Versicherungspolicen untersuchen, die der Konzern Greensill zur Verfügung gestellt hatte. „Wir haben Bedenken hinsichtlich der Gültigkeit aller Greensill-Policen und führen eine Untersuchung durch“, erklärte Sprecher von Tokio Marine. Nach australischen Gerichtsunterlagen hatte eine Tokio Marine-Tochtergesellschaft 4,6 Milliarden Dollar an Deckung für Greensill-Kreditanleihen bereitgestellt. Inwieweit das Geschäft rückversichert ist und bei wem, ist derzeit noch nicht klar.

Falls die Kreditvergabepraktiken von Greensill nicht den „festgelegten Standards entsprachen“ oder „mit den üblichen Buchhaltungsregeln unvereinbar waren“, könnte der Versicherer den Schaden laut Experten erfolgreich anfechten. Im Zuge des Skandals ist auch die angedachte Übernahme von Greensill-Teilen durch Athene ins Stocken geraten – VWheute berichtete.

Es ist also nicht klar, wie hoch die Fonds versichert sind, welches Unternehmen welche Schadenhöhe abdeckt und ob überhaupt Schutz besteht. Die Folge werden langwierige Prozesse sein.

Für die Deckung der Kreditrisiken kommen laut Finews die Versicherer, die Investoren oder der deutsche Steuerzahler in Betracht.  Ein weiterer heißer Kandidat ist die Credit Suisse selbst, einige Marktbeobachter wie John Hempton, Mitinhaber und CIO der Hedgefonds-Verwaltungsgesellschaft Bronte Capital, sehen genau dieses Ende kommen.

Die Bank versucht offenbar den Schaden zu minimieren.  Sie hat in einer ersten Zahlung bisher fast 3,1 Milliarden Dollar der „Greensill“-Fonds zurückgezahlt. Neben diesen Fonds seien auch vier weitere CS-Anlagefonds vom Handel ausgesetzt worden, die in die Fonds investiert hatten, meldet moneycab. Zudem haben die Schweizer drei Manager suspendiert, darunter den für das Fondsgeschäft in der Schweiz und in Europa zuständige Michel Degen.

Der deutsche Steuerzahler?

Neben den Fonds ist es eine offene Frage, wer für die übrigen Einlagen aufkommen muss. Zu den Anlegern im Fall Greensill gehören auch deutsche Kommunen mit Millionenbeträgen. Dies dürfte die  wirecardbelastete Bafin unter zusätzlichen politischen Druck bringen.

Insgesamt belaufen sich die Anlagen der Gebietskörperschaften laut Insidern auf etwa 500 Millionen Euro. Da seit dem 1. Oktober 2017 unter anderem Kommunen nicht mehr der freiwilligen Einlagensicherung der privaten Banken unterliegen, könnte sich der Schaden im Geldbeutel der Bürger wiederfinden. Bundesweit sollen etwa 50 deutsche Kommunen Gelder investiert haben. Laut Tagesschau sollen Monheim am Rhein mit 38 Mio. Euro und der Freistaat Thüringen mit 50 Mio. Euro ganz vorne mit dabei sein.

Im Fall Greensill sind noch viele Rechts-, Haftungs- und Aufsichtsfragen zu klären. Die einzigen Profiteure werden die von allen Seiten eingesetzten Anwalts- und Rechnungsprüfungsteams sein, die den Fall in den nächsten Jahren aufdröseln werden.

Autor: VW-Redaktion

Ein Kommentar

  • Guten Tag,
    wenn man so eine Versichererliste sieht die nur 5 werthaltige Positionen enthält und der Rest der Versicherer ist nur namentlich erwähnt wird doch jedem sofort klar: Das ist Werbung und nichts anderes.
    Als Kenner der Versicherungsszene sieht man daraus auch: Hier hat jemand das Konsortium nicht voll bekommen!
    Also ist diese Liste eigentlich ein Warnhinweis, wenn man so etwas lesen kann.

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