Lebensversicherer im Visier der Bafin: Wird die Branche schlechter gemacht als sie ist?

Die Lebensversicherer stehen unter besonderer Beobachtung der Bafin. Quelle: Bild von Steve Buissinne auf Pixabay

Die Lage der Lebensversicherer ist angespannt. Wenig verwunderlich, dass auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin bei manch Anbietern etwas genauer hinschaut: Laut Exekutivdirektor Frank Grund sind es derzeit „rund 20 Lebensversicherer und rund 40 Pensionskassen“. Das sei jedoch nicht mit einer Aufforderung gleichzusetzen, dort keine Versicherung abzuschließen.

Laut Bafin könnten diese Unternehmen in gewissen Szenarien Schwierigkeiten bekommen. „Mit unserer Aufsicht wollen wir ja verhindern, dass ein solcher Fall eintritt“, betont Grund im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Bei den Lebensversicherern gehen wir – Stand jetzt – davon aus, dass alle Unternehmen ihre vertraglich versprochenen Leistungen erfüllen können. Bei den Pensionskassen würde ich das nicht so sagen. Es gibt Pensionskassen, bei denen man Leistungskürzungen – so wie wir sie bei drei Pensionskassen in den vergangenen Jahren schon erlebt haben – nicht ausschließen kann“, konstatiert der Finanzaufseher.

Wie „ernst“ die Situation der Lebensversicherer ist, zeigte jüngst auch eine Studie der Hochschule Ludwigshafen unter zwölf Anbietern: Dabei kommt die Allianz mit 800 von insgesamt 1.000 möglichen Punkten als einziger Lebensversicherer auf eine „betriebswirtschaftlich sehr starke“ Bewertung. Dennoch gebe es „Unterschiede, die in Teilbereichen erheblich sind. Man kann aber daran arbeiten, und zu beachten ist, dass die Analyseperiode nur ein Jahr ausmacht. Veränderungen und chronische Schwächen werden im mehrjährigen Vergleich sichtbar“, betonte Studienautor Weinmann gegenüber VWheute.

Dass die Verbraucherschützer vom Bund der Versicherten (BdV) die Lage der Branche deutlich schlechter bewerten, ist allerdings ebenso wenig verwunderlich. „Es ist flächendeckend dramatisch, wenn man sich anschaut, wie effizient die Altersvorsorge mit Lebensversicherungen ist.“ Vielmehr sei klar, „dass man es dabei schon mit dem Niedergang einer Branche zu tun hat“, betonte Vorstandssprecher Axel Kleinlein.

„Wenn man schaut, welches Unternehmen über die Wupper gehen könnte und welches nicht, ist es zwar nicht ganz so dramatisch“, betonte Kleinlein weiter. „Im Grunde sei es aber die Aufgabe der Unternehmen, einen Mehrwert zu bieten – und das tun die Lebensversicherer schon lange nicht mehr. Aus Verbrauchersicht ist das eine Katastrophe“, konstatierte der Verbraucherschützer. Auch die Pläne der Versicherer, Garantien zu kürzen, seien „zu kurz gedacht. Dass damit eine echte Entspannung für die Unternehmen entstehen könne, ist nicht abzusehen.“

Der Marktführer Allianz kann die Kritik allerdings nicht nachvollziehen. „Blicken wir doch nur auf die Allianz Lebensversicherung: Über zehn Millionen Menschen in Deutschland sorgen mit uns vor oder sichern sich gegen Lebensrisiken ab. Und im kommenden Jahr wird Allianz Leben 100 Jahre alt. Wir sind finanzstark, haben ein langfristiges Geschäftsmodell und legen das Vorsorgekapital unserer Kundinnen und Kunden über Jahrzehnte ertragreich an, damit diese im Alter ein zusätzliches Einkommen erhalten, auch in einem Niedrig- und Nullzinsumfeld“, betont Katja de la Vin͂a, Vorständin Finanzen der Allianz Lebensversicherung, gegenüber der Versicherungswirtschaft.

Wir sind finanzstark, haben ein langfristiges Geschäftsmodell und legen das Vorsorgekapital unserer Kundinnen und Kunden über Jahrzehnte ertragreich an, damit diese im Alter ein zusätzliches Einkommen erhalten, auch in einem Niedrig- und Nullzinsumfeld.

Katja de la Vin͂a, Vorständin Finanzen der Allianz Lebensversicherung

Dennoch sei ihr „jede Kritik willkommen, auf deren Basis wir Verbesserungen umsetzen können. Aber für mich ist auch klar: Die Zukunft der nächsten Generationen betrifft Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in gleichem Maße. Die notwendigen Transformationen können angesichts der demografischen Entwicklungen, der Gesamtverschuldungen, den Auswirkungen der Coronakrise und der Neuausrichtung unserer Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit nicht allein Aufgabe des Staates sein – das würde ihn überfordern und wirksame Kräfte aus Wirtschaft und Gesellschaft ungenutzt lassen“. (Das vollständige Interview mit der designierten Vorstandschefin der Allianz Leben lesen Sie übrigens in der November-Ausgabe der Versicherungswirtschaft.)

Auch Bafin-Exekutivdirektor Grund kann die Kritik des BdV nur bedingt nachvollziehen: „Wir beobachten ja rund ein Viertel intensiv. Ob man aber sagen kann, diese Versicherer seien angezählt, möchte ich bezweifeln. Nochmal: Nach jetzigem Stand können alle Lebensversicherer ihre Verpflichtungen erfüllen.“ Zudem müssten die Versicherer ihre Garantien „auch erfüllen. Der Gesetzgeber hat ja nicht zuletzt mit Blick auf solche Verträge und wegen der langen Niedrigzinsphase die Versicherer verpflichtet, ein zusätzliches Polster anzulegen, die sogenannte Zinszusatzreserve. Inzwischen liegen mehr als 90 Mrd. Euro darin.“

Dass eine „Transformation des Geschäftsmodells nötiger sei denn je“, betonte jüngst auch Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata, bei der Vorstellung des Marktausblicks Lebensversicherung 2021/2022. Dennoch hätten sich die Lebensversicherer aber bisher in der Corona-Krise als robust erwiesen. „Massive Branchen-Verwerfungen sind im Jahr 2020 ausgeblieben“ so Geschäftsführer Reiner Will. Nach einem Rückgang um 0,1 Prozent 2020 erwartet er für 2021 ein Beitragsplus von 0,5 Prozent auf 99,9 Mrd. Euro.

Die Analyse der Zielke Research Consult GmbH der für den Bund der Versicherten e.V. (BdV) gemachten Studie zu den Solvenzquoten kann Heermann so nicht teilen. In der Untersuchung hieß es, dass ein Viertel der Gesellschaften „angezählt“ sei und „einige Versicherer die nächsten Jahre nicht überleben“ würden. „Kurzfristig erwarten wir keine Insolvenzen, weil die Unternehmen ihre Zinszusatzreserve nicht stellen oder ihre Solvenzquote nicht erfüllen können. Die Herausforderungen sind eher längerfristig“, so Heermann.

„Der Druck für die Lebensversicherer, ihr Geschäftsmodell weiter anzupassen und auch nachhaltig zu gestalten, bleibt hoch.“

David Dyschelmann, Analyst bei der Assekurata Assekuranz Rating Agentur GmbH

Zudem werde es für die Lebensversicherer „praktisch kaum mehr möglich sein, in der Altersvorsorge noch eine 100-prozentige Beitragsgarantie zu gewährleisten, selbst mit niedrigeren Kosten und noch längeren Vertragslaufzeiten. Ohne Reform der gesetzlich obligatorischen Bruttobeitragsgarantie stehen damit auch Riester und Teile der betrieblichen Altersvorsorge auf der Kippe; der Abgesang der Klassik ist damit beschlossene Sache“, betont Assekurata-Analyst David Dyschelmann in einem aktuellen Gastbeitrag für die Versicherungswirtschaft. Dabei hätten die Lebensversicherer „schon frühzeitig umgesteuert. Sie haben ihre
Produktpalette angepasst und beispielsweise Risikolebensversicherungen angeboten oder fondsgebundene Lebensversicherungen aufgelegt – und sich so besser an die Niedrigzinswelt angepasst“, ergänzt Grund.

Den Weg der Allianz sieht der Finanzaufseher daher als richtig an: „Die Versicherer versuchen, eine Balance zwischen Chance und Risiko für die Kunden zu schaffen. Der Kapitalerhalt ist ja auch eine Art der Garantie.
Der Versicherer garantiert den Erhalt der Prämie inklusive der Kosten. Diese Herausforderung sollte man nicht unterschätzen.“

Autor: VW-Redaktion

2 Kommentare

  • Nun ja, so lange wir jedes Jahr wieder neue Rekordbeiträge in der LV-Branche in D haben (die letzten beiden Jahre rund 100 Mrd. EUR und das auch 2020 trotz Corona), muss man sich nicht wirklich sorgen machen oder Jahr für Jahr das „Totenglöckchen“ ankündigen, dass dann regelmäßig verschoben wird…
    Die Lebensversicherer in D haben sehr vorausschauend entweder in lang laufende Zinstitel oder auch andere etwas rentablere Anlagen (Immobilien, Beteiligungen, Infrastruktur, illiquide alternative Assets) angelegt und die Altlasten der Garantien (eigentlich sind es Alt-Schätze für die Kunden!) dank ZZR gut verarbeitet, sodass da zukünftig keine zu hohen Belastungen mehr bestehen dürften (max. 1,57% ab Ende 2021 in die Zukunft)

  • Das Geschäftsmodell der „Verbraucherschützer“, besonders des Herrn Kleinlein, baut ja ausschließlich darauf, ständig in der Presse von Krise, von Unfähigkeit und Managementfehlern aufs Schärfste zu lamentieren. Wenn man die Hälfte davon ernst nimmt und davon die Hälfte glaubt, kommt man einer sachlich-berechtigten Kritik nahe.

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