Swiss Re: Naturkatastrophen können die Versicherer bis zu 300 Mrd. US-Dollar kosten

Quelle: Bild von Hans Braxmeier auf Pixabay

Die Schadenbelastung durch Naturkatastrophen könnte die Versicherer künftig noch wesentlich teurer zu stehen kommen als bisher. So rechnet der Schweizer Rückversicherer Swiss Re in einer aktuellen Sigma-Studie mit jährlichen Schäden von bis zu 300 Mrd. US-Dollar.

Demnach würden die Trends sowohl bei verheerenden Naturkatastrophen wie beispielsweise Wirbelstürmen als auch weniger schweren Unglücken seit 1970 deutlich nach oben zeigen, konstatieren die Studienautoren. In einem Jahr mit schwerer Hurrikansaison und mehreren Sekundär-Schadenereignissen – auch „Secondary Perils genannt – könnten auf die Versicherungsbranche künftig Zahlungen von 250 bis 300 Mrd. US-Dollar zukommen. Demnach sei es nur eine Frage der Zeit, bis ein solches Szenario Realität werden könnte, erklärt die Swiss Re.

„Der Klimawandel ist ein systemisches Risiko für die ganze Welt. Im Gegensatz zur COVID-19-Krise hat sie kein Ablaufdatum.“

Jérôme Haegeli, Chefvolkswirt der Swiss Re

Ungeachtet der Corona-Pandemie dürfte das Jahr 2020 für die Rückversicherer zu einem der teuersten Schadenjahre in der Geschichte werden. Laut vorläufigen Sigma-Schätzungen des Swiss Re Institute beliefen sich die weltweiten Schäden aus Natur- und Man-made-Katastrophen für die Versicherungswirtschaft auf 83 Mrd. US-Dollar.

Damit ist das Jahr 2020 das fünftteuerste Jahr für die Versicherungsindustrie seit 1970, teilen die Schweizer mit. Allein die Naturkatastrophen verursachten einen Schaden von rund 76 Mrd. US-Dollar. Wesentliche Ursachen dafür waren nach Angaben des Rückversicherers eine Rekordzahl schwerer Konvektionsgewitter (Gewitter mit Tornados, Überschwemmungen und Hagel) und Waldbrände in den USA. Diese und andere sekundäre Naturgefahrenereignisse auf der ganzen Welt verursachten 70 Prozent aller versicherten Schäden aus Naturkatastrophen.

Auch die Munich Re verbuchte für das Jahr 2020 einen wirtschaftlichen Schaden von insgesamt 210 Mrd. US-Dollar, einem Anstieg um 44 Mrd. US-Dollar gegenüber dem Vorjahr (2019: 166 Mrd. US-Dollar.). Dabei kam Europa noch recht glimpflich davon. „90 Prozent der Schäden stammen aus Unwetterereignissen wie Sturm, Überschwemmung, Hagel und Dürre. Hier gibt es auch einen Zusammenhang zum Klimawandel. Das gilt zum Beispiel für die verheerenden Waldbrände in Australien und den USA. Ähnliches gilt für tropische Wirbelstürme“, konstatierte jüngst Klimaexperte Ernst Rauch. Allerdings seien Deutschland und Mitteleuropa den Naturgefahren „deutlich weniger ausgesetzt als zum Beispiel große Teile Asiens und Amerikas. Tropische Wirbelstürme gibt es hier nicht. Wir leben in einer Region, in der die Natur wesentlich weniger extrem ausgeprägt ist“, betont Rauch.

Laut einer aktuellen Analyse des Maklerunternehmens Aon führten 416 Naturkatastrophenereignisse des Jahres 2020 zu wirtschaftlichen Verlusten in Höhe von 268 Mrd. US-Dollar. Damit liegen diese um acht Prozent über den durchschnittlichen jährlichen Verlusten in diesem Jahrhundert. Davon sind aber nur 36 Prozent versichert.

Willis Re, die Rückversicherungsgesellschaft von Willis Towers Watson, beziffert die versicherten Schäden durch Naturkatastrophen im Jahr 2020 auf rund 78 Mrd. US-Dollar. Dabei handele es um die vierthöchste Schadensumme seit 2011, die rund 17 Prozent höher liege als der Zehn-Jahresschnitt von 66,5 Mrd. US-Dollar.

Allein in Deutschland haben die Folgen durch Sturm, Hagel und weitere Naturgefahren wie Starkregen die Versicherer im Jahr 2020 rund 2,5 Mrd. Euro gekostet. Die versicherten Schäden an Häusern, Hausrat, Kraftfahrzeugen sowie in Gewerbe und Industrie liegen damit rund 500 Mio. Euro unter dem Wert von 2019 und unter dem langjährigen Mittel von etwa 3,7 Mrd. Euro.

GDV fordert staatliche Zuschüsse für Dürreversicherung

Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) stellt sich auf eine Zunahme von Wetterereignissen ein. Dabei habe allein extreme Trockenheit die Anbaubedingungen für Landwirte in Deutschland erheblich verschlechtert. Das zeigt ein neuer Langzeitvergleich des Deutschen Wetterdienstes (DWD) im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Demnach lag allein in den vergangenen drei Jahren die Bodenfeuchte – und damit die nutzbare Feldkapazität – bei Winterweizen um bis zu 40 Prozent unter dem langjährigen Mittel. Die Feldkapazität gibt an, wie viel Wasser die Pflanze aus dem Boden nutzen kann.

Daher fordert der Verband staatliche Hilfen für die Bauern, um ihnen die Absicherung von Dürreschäden zu erleichtern. „Der Staat sollte die landwirtschaftliche Mehrgefahrenversicherung bezuschussen“, schlägt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen vor. Diese Policen können alle Wetterrisiken einschließen, also auch Trockenheit. „Staatliche Förderprogramme sind ein wirksames Mittel, um den Versicherungsschutz gegen Wetterrisiken in der Landwirtschaft zu erhöhen“, sagt Asmussen.

Zudem forderten die Versicherer jüngst eine Reform des Baurechtes in Überschwemmungsgebieten. Demnach sei der überwiegende Teil der Bebauungspläne zu einer Zeit beschlossen worden, als viele wissenschaftliche Erkenntnisse zu Extremwetterlagen und Klimawandel noch nicht vorlagen. Anpassungen des Bauordnungs- und Bauplanungsrechts stehen mit Blick auf die Annahmen und Planungsergebnisse aus der Klimaforschung noch aus.

„Die Krisen von heute sind Folgen der Entscheidungen von gestern. Wir müssen den Schäden durch extreme Wetterereignisse auch im Bausektor vorbeugen. Eine Anpassung des Baurechts an die Folgen des Klimawandels ist unabdingbar. Das Baurecht muss auf den Klimawandel und seine Folgen ausgerichtet und ein Managementsystem für klimawandelbedingte Risiken eingeführt werden“, forderte Asmussen.

Autor: VW-Redaktion

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