Was macht eigentlich Mario Greco?

Mario Greco, Chief Executive Officer, Zurich Insurance Group, Quelle: World Economic Forum / Jakob Polacsek/ flickr

Seit 2016 lenkt Konzernchef Mario Greco die Geschicke der Zurich. Sein strikter Konsolidierungskurs in den vergangenen Jahren scheint sich ausgezahlt zu haben. Die Führungsstruktur des Schweizer Versicherers ist schlanker, das Sachgeschäft gesünder, sogar prominenten Personalzugänge gelingen. Und doch hat „Iron Mario“ noch nicht genug.

Der gebürtige Italiener das Schweizer Flaggschiff in den vergangenen Jahren kräftig durcheinander gewirbelt: Die Führungsstruktur hat „Iron Mario“ verschlankt, die Löcher im kriselnden US-Geschäft gestopft, das Sparprogramm von 1,5 Mrd. Franken bis 2019 praktisch erfüllt. Mittlerweile hat Greco die Sachsparte wieder auf gesunde Füße gestellt – so gesund, dass die Zurich noch kurz vor Jahresende in den USA das Schaden- und Unfallversicherungsgeschäft von Metlife übernommen hat. Dabei gab sich Greco beim Thema Zukäufe vormals betont defensiv: „Wir planen nur für organische Aktionen, wir planen nichts Anorganisches“, lautete lange Zeit sein Credo. Beim Kauf der Sachsparte von Metlife schien dies allerdings schon überholt: Mit einem Kaufpreis von rund 3,94 Mrd. US-Dollar haben die Eidgenossen geklotzt und nicht gekleckert.

Die Bilanz lässt sich sehen. Demnach hat die Zurich im Geschäftsjahr 2019 neben den harten Umbaumaßnahmen auch von guten Geschäften an den Finanzmärkten und den gesunkenen Ausgaben für Naturkatastrophen profitiert. Das Ergebnis: Ein Gewinnplus von 16 Prozent auf 5,3 Mrd. US-Dollar (rund 4,9 Mrd. Euro). Die Dividende soll nun einen Franken auf insgesamt 20 Franken steigen. Getragen wurde der Gewinnsprung vor allem durch die Schaden- und Unfallsparte. So stiegen die Beitragseinnahmen um zwei Prozent auf 34,184 Mrd. US-Dollar (VJ: 33,505 Mrd. US-Dollar).

Die Zahlen haben Grecos strikten Konsolidierungskurs bestätigt. Dabei hatte der Italiener zu Beginn seiner Amtszeit mit einer Reihe von Problemen wie zum Beispiel vielen verlustträchtigen Verträgen zu kämpfen. Wegen dieser Probleme musste unter anderem die Übernahme des Konkurrenten RSA abgeblasen werden. Die Folge: Greco trennte sich von einigen Bereichen, senkte die Kosten und beschleunigte die Prozesse.

Auch die Corona-Krise scheint die Schweizer bislang nicht sonderlich hart getroffen zu haben. So rechnen die Eidgenossen derzeit mit einer zusätzlichen Belastung durch die Pandemie von rund 450 Mio. US-Dollar. Dabei stiegen die Prämieneinnahmen in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2020 um drei Prozent auf 27,26 Mrd. US-Dollar. Aufgrund der schweren Hurrikan-Saison und anderer Wetterkapriolen dürften die Verluste allerdings infolge von Naturkatastrophen um rund zwei Prozentpunkte höher liegen, als dies in der zweiten Jahreshälfte üblich sei, erklärte die Zurich bei der Vorstellung der Q3-Zahlen im November. Ob sich diese Prognose tatsächlich erfüllt, werden die Geschäftszahlen für 2020 zeigen, die nach jetzigem Stand am 11. Februar 2021 veröffentlicht werden sollen.

Greco strotzt vor Selbstbewusstsein

Ungeachtet dessen verwundert es nicht, dass Greco momentan vor Selbstbewusstsein geradezu strotzt: „Die letzte weltweite Pandemie war die Spanische Grippe. Basierend auf dieser Erfahrung hatten wir unsere Modelle geformt. In unseren Szenarien rechneten wir mit schlimmeren Verläufen und mehr Fällen. Rückblickend ist es gelungen, die Folgen der Pandemie besser zu managen, als wir in diesen Szenarien erwartet haben“, konstatiert der Italiener Anfang Januar im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).

Für die Versicherer hätte dies bedeutet: „Mehr Tote, höhere Schäden, höhere Verluste. Wir hatten immer noch zu viele Tote, aber es waren weniger, als wir es in der Geschichte erlebt haben.“ Zudem zehre die Corona-Pandemie „an den Gewinnen, aber nicht am Kapital. Wir werden das überleben. Die Branche wird das nicht stark verändern, es wird keine Insolvenzen geben. In den Ergebnissen von 2020 wird die Pandemie jedoch ihre Spuren hinterlassen. Wir müssen Schäden durch Lockdowns oder andere Folgen auszahlen. Wir durchleben aber gleichzeitig eine technische Revolution und eine geografische Neubalancierung in Richtung Asien und China. Covid hat diese beiden Trends nochmals beschleunigt“.

Dabei setzte Greco in der medial aufgeheizten Debatte um die Betriebsschließungsversicherung (BSV) bereits frühzeitig auf Kulanz: „In der Schweiz erhalten über 90 Prozent der bei Zurich versicherten Gastrobetriebe mit einer Epidemie-Versicherung die volle Pandemie-Deckung. Die anderen Betriebe erhalten Kulanzzahlungen aus dem Zurich-Solidaritätsfonds“, betonte er bereits im Mai 2020. Im Unterschied zur deutschen Konkurrenz in München – namentlich der Allianz – dürfte dies dem eidgenössischen Versicherer wohl einige juristische Auseinandersetzungen erspart haben.

Dabei verdiente Greco im Jahr 2019 sogar deutlich mehr als sein Amtskollege Oliver Bäte von der Allianz: So erwirtschaftete der gebürtige Neapolitaner rund 9,3 Mio. Franken (nach 8,8 Mio. im Jahr 2018). Grecos Bezüge setzten sich aus einem leicht höheren Grundgehalt von 1,7 Mio. Franken, etwas höheren kurzfristigen und langfristigen variablen Vergütungen von 3,2 beziehungsweise 3,8 Mio. Franken und weiteren Vergütungen wie Pensionsleistungen im Umfang von 0,6 Mio. Franken zusammen, berichtet Telebasel.ch unter Berufung auf den Geschäftsbericht der Zurich. Zum Vergleich: Bäte musste – trotz guter Zahlen und Bilanz – deutliche Einkommenseinbußen hinnehmen – wenn auch nicht unerwartet.

Zurich-Chef rückt soziale Verantwortung in den Fokus

Auf den bisherigen Lorbeeren will sich Greco jedenfalls nicht ausruhen. So plädierte er jüngst im Interview mit der Schweizer Sonntagszeitung für weitere Veränderungen. So müsse die Versicherungsbranche ihre soziale Verantwortung künftig stärker wahrnehmen. So verpflichte sich die Zurich, künftig „keine Tätigkeiten mehr an Zulieferer auszulagern, wenn dies zum Ziel hat, lediglich Kosten zu senken“. Vielmehr sollen Tätigkeiten nur dann an Dritte ausgelagert werden, wenn man intern nicht das nötige Fachwissen dafür besitze.

Gleichzeitig rechnet der Zurich-Chef mit einem deutlichen Rückgang der Geschäftsreisen: „Digitale Konferenzen sind nicht nur billiger, sie sind viel effizienter. Daher glaube ich, dass 2022 die Geschäftsflüge etwa noch 50 Prozent ihres ursprünglichen Volumens erreichen werden. Die privaten Flugreisen dürften sich dagegen wieder deutlich erholen.“

Daneben tüftelt Greco schon seit längerem am digitalen Umbau der Zurich: Im September 2020 warben die Schweizer dafür vom chinesischen Versicherungskonzerns Ping An den Technologiechef Ericson Chan ab. Chan stieß am 1. Oktober 2020 als Mitglied der Konzernleitung zur Zurich. Zu seinem Aufgabenbereich gehört Unternehmensangaben zufolge auch die Verantwortung für den gesamten IT-Betrieb und alle IT-Dienstleistungen von Zurich. Vor seiner Zeit bei Ping An hatte er von 1998 bis 2016 verschiedene Führungspositionen im Bereich Technologie bei Standard Chartered Bank in Hongkong, Schanghai und Singapur inne. 

Seinem Image dürfte sein Kurs jedenfalls sehr zuträglich sein: So belegte Greco beim jüngsten Image-Ranking der Sonntagszeitung unter den Schweizer CEOs im Jahr 2020 überraschend den Spitzenplatz. Nachdem der Zurich-Chef im zweiten Quartal noch an der erforderlichen medialen Präsenzhürde scheiterte, gelang ihm durch eine höhere Sichtbarkeit und gute Imagewerte im zweiten Halbjahr 2020 zunächst der Wiedereinstieg ins Ranking und dann der Sprung an die Spitze. Immerhin: Die NZZ am Sonntag sieht den „erfolgreichen CEO des Versicherungskonzerns“ gar als möglichen Nachfolger von Axel Weber als Verwaltungsratspräsident der UBS.

Ein potenzieller Kronprinz für den passionierten Radfahrer an der Spitze der Zurich ist derzeit allerdings noch nicht wirklich in Sicht. Auch Greco selbst hat bislang öffentlich noch keine Ambitionen für einen Abgang signalisiert. Man darf als gespannt sein, mit welch ehrgeizigen Plänen Greco in den kommenden Wochen und Monaten weiterhin auf sich aufmerksam machen wird.

Autor: Tobias Daniel

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