Was Bätes AGCS-Umbau über seine Unternehmenspläne aussagt
Die Allianz sägt und schraubt unerlässlich am eigenen Haus. Zwar ist das Unternehmen hierzulande Marktführer und auch international eine große Nummer, doch Stillstand ist Rückschritt. Die Allianz soll schneller und flexibler werden, CEO Oliver Bäte scheucht dafür vor allem seine Vorstände auf. Wie er sich die Führung des Konzerns vorstellt, wird beim hauseigenen Spezialversicherer AGCS deutlich.
Der Versicherer für Spezialaufgaben hatte in den letzten Jahren mit hohen Schaden-Kosten-Quoten (Combined-Ratio) zu kämpfen. Die Unternehmensspitze ist darüber „not amused“ und hat der AGCS eine Kosten- und Strukturverbesserung nahegelegt, andere sprechen von verordnet.
Den hat das Unternehmen auch geliefert, besonders im „zentralen Bereich“ Underwriting gibt es zahlreiche Änderungen. Um die Kernfunktionen zu stärken, werden Weiterentwicklungen in den Bereichen Pricingtools, Portfoliomanagement, Schadentrendanalyse, Volatilitätsmanagement und der aktuarischen Modellierung angestrebt. Im Bereich Schadenmanagement gibt es ebenso einige bedeutende Änderungen. Der AGCS-CEO Joachim Müller, seit Dezember 2019 im Amt, sieht beide Bereiche als entscheidend an, um die AGCS nach vorne zu bringen: „Wir haben die Exponierungen in unserem Portfolio bereits erheblich reduziert und werden weiterhin Korrekturmaßnahmen und Anpassungen vornehmen, wo dies erforderlich ist“, erklärt er in der aktuellen Versicherungswirtschaft (09/2020), die Sie bestellen können.
Preis und Reduktion
Neben internen Umbauten setzt AGCS auf Reduktion und steigende Marktpreise. Der Anstieg ist auch keinesfalls ein Traum, sondern gelebte Realität.
Ein Soforteffekt ist allerdings nicht zu erwarten. Die Erhöhungen zeigen sich nicht sofort in den Gewinn und- Verlust-Rechnungen der Versicherer, da nicht alle Verträge am selben Stichtag enden. „Bei uns laufen zum Beispiel rund 65 Prozent der Vereinbarungen zum 1. Januar aus, 35 Prozent im Laufe des Jahres. Die Auswirkungen der Erhöhungen werden also erst nach und nach sichtbar, erklärt Hans-Jörg Mauthe, Regional Managing Director für Zentral- und Osteuropa.
Die AGCS will sich die Vorteile der Profitabilitäts- und Kostenverbesserungen im derzeitigen Marktumfeld sichern und sich zeitgleich von unrentablem Geschäft trennen. Das ist eine gewisse Änderung in der Politik des Versicherers. Im August 2019 erklärte Mauthe in einem Interview mit versicherungswirtschaft-heute, dass die Aufgabe eines Risikos immer die „Ultima Ratio“ sei. Jetzt heißt es von Unternehmensseite: „Wir überprüfen unser komplettes Portfolio und richten es wenn nötig neu aus. Zudem streben wir nach risikoadäquaten Prämien. Wir werden „fachliche Exzellenz im Underwriting vor Wachstum stellen“, heißt es aus München.
Bätes personeller Plan
Im Dezember 2019 begann es mit dem neuen CEO Müller, im diesem Kalenderjahr kamen alle Positionen auf den Prüfstand. Die Liste der Änderungen ist lang und umfangreich, unter anderem können Vorstände,
Leiter Financial Lines und der Global Head of Alternative Risk Transfer darauf entdeckt werden. Die prominenteste Ernennung war wahrscheinlich die von Henning Haagen (47) zum Chief Underwriting Officer Specialty und Vorstandsmitglied. Beim Umbau nimmt er eine zentrale Rolle ein und ist ein gutes Beispiel dafür, wie Bäte sich den Allianz-Vorstand der Zukunft wünscht, nicht nur bei der AGCS.
Beim Spezialversicherer wurde die Zahl der Chief Regions & Markets Officer (CRMO) zum 1. Juli 2020 von drei auf zwei Positionen reduziert, Bill Scaldaferri wird weiter Nordamerika leiten und Haagen die restlichen Gebiete. Die vorherigen AGCS-Vorstände mit regionaler Verantwortung, Sinéad Browne und Hartmut Mai, haben das Unternehmen Ende Juni 2020 verlassen. Ihre Zuständigkeiten werden in einer einzigen regionalen Einheit unter der Leitung von Haagen zusammengeführt, der auch den Bereich Global Broker Management leiten wird. Haben Sie mitgezählt? Haagen ist als Vorstand für das Underwriting, das Global Broker Management und alle CRMO für alle Gebiete außer Nordamerika verantwortlich. Es ist also klar, dass er eine Schlüsselrolle beim AGCS-Umbau innehat.
Wie bei der AGCS und Haagen stellt sich Bäte seinen Vorstand für die gesamte Allianz vor; kleiner, kompakter und mit größeren Aufgabengebieten, unterstützt von einer breiten und gut funktionierenden prä-Vorstands-Managementebene, die bei Bedarf aufrücken kann. Zu dieser gehört auch Justus Heinrich, zuletzt Chief Underwriter in Marine Hull in Hamburg. Er ersetzt Volker Dierks, Regional Head of Marine CEE, der nach 32 Dienstjahren in den Ruhestand wechselt.
Ein weiteres Beispiel für Bätes Vorstellung ist Christopher Townsend (52). Er wurde zum 1. Januar 2021 für drei Jahre in den Vorstand der Allianz SE berufen, ebenso wie Barbara Karuth-Zelle, die den Bereich Operations und IT übernimmt. Der neue Mann Townsend übernimmt die Verantwortung für Global Insurance Lines, einschließlich AGCS und Euler Hermes, Reinsurance, Anglo Markets, Middle East and Africa. Wieder dasselbe bätische Vorstandsmuster, viele Verantwortungsbereiche, gerne auch sektorenübergreifend, auf eine Person abgestimmt. Er ersetzt Niran Peiris (59), der nach zwanzig Dienstjahren am 31. Dezember in den Ruhestand treten wird.
Ob der Umbau bei der AGCS Früchte tragen wird, werden die kommenden Jahre zeigen. Die vollständige Erneuerung des Geschäftsmodells und der Organisation soll bis Ende 2024 realisiert werden, angestrebt wird nicht weniger als die Marktführerschaft, erklärt Müller. Dazu braucht es auch eine gute und leistungsbereite Führungsebene. Wer die personellen Pläne Bätes für die große Allianz im (verhältnismäßig) Kleinen sehen will, sollte zur AGCS schauen.
Autor: Maximilian Volz
Es sind leider die guten, alten Maßnahmen, mit denen deutsche Manager auf Krisen reagieren: Vorstände verkleinern, Arbeit verdichten, Druck machen. Diese Strategien überzeugen seit Elon Musk (Tesla), Tim Cook (Apple), Jeff Bezos (Amazon) niemanden mehr. Die Unternehmen müssen Märkte gestalten, Entwicklungen vorauseilen, Kunden begeistern und nicht mit Kostensenkungen aufwarten. Das ist langsames Siechtum. Man sieht es schon am Aktienkurs der Allianz, der nach unten dümpelt. Und die Dividende wird dieser Entwicklung folgen.