Digital Natives gesucht: Der einfache Versicherungskaufmann gerät ins Abseits

BMarkus Spiske auf Pixabay

Die Versicherungsbranche befand sich schon prä-Corona im digitalen Wandel. Die Epidemie hat das noch einmal beschleunigt. Wie die Versicherungsmitarbeiter diese Entwicklung nicht nur überstehen, sondern mitprägen und welche fachlichen wie persönlichen Fähigkeiten sie benötigen, haben führende Digitalköpfe, Personalexperten, Gewerkschaft und Arbeitgeberverband herausgearbeitet.

Die Generali sieht aufgrund von „Corona einen starken Impuls auf die Digitalisierung und „Prozesse“, die Allianz erklärt, dass es wegen Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen „immer möglich ist“, dass „bestimmte Tätigkeiten verlagert werden oder wegfallen“. Das muss aber nicht bedeuten, dass die derzeitigen Angestellten der Versicherer morgen die Warteräume der Arbeitsagentur bevölkern. Dazu bedarf es manch digitaler Fähigkeit und der richtigen Einstellung.

Es ist auch nicht so, dass immer Vorstand das Unternehmen nach vorne peitschen will. Der Wunsch nach Automatisierung kommt im überwiegenden Fall aus den Fachbereichen selbst, unser Backlog ist prall gefüllt, die Akzeptanz bei der Belegschaft klar vorhanden. Und auch der Betriebsrat unterstützt den technologischen Wandel ausdrücklich, erklärt Mark Klein, CDO Ergo Group AG.

Das sollten Mitarbeiter tun

„Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten ein Grundwissen zum Thema Digitalisierung aufbauen. Technisches Wissen, Kenntnisse über Prozesse und Methoden gewinnen an Bedeutung“, erklärt Martina Grundler, Fachgruppe Versicherungen bei der Gewerkschaft Verdi.

Im Zuge der Digitalisierung werde die Schnittstelle zwischen Geschäftsprozessen und ihrer IT-technischen Umsetzung an Bedeutung gewinnen. Die Datenanalyse wird ein wichtiges Arbeitsfeld, die Fähigkeit vernetzt und interdisziplinär zu Arbeiten gewinnt ebenfalls an Bedeutung, führt sie weiter aus.

„Digitale Fähigkeiten gepaart mit exzellenter Kundenorientierung“ auf einem „befähigenden Fundament in Form von versicherungsspezifischem Fachwissen“ werden künftig nötig sein, glaubt Klein. Dabei reichen die Positionen von Data Analysten über Online Marketing Experten bis hin zu Scouts, die sich mit neuen Geschäftsmodellen und weltweiten Startup-Kooperationen befassen. Digitalisierung werde am Ende des Tages kein Job-Killer sein, sondern vielmehr die Gestalt eines Job-Transformators annehmen. Die Skill-Sets der Mitarbeiter werden sich verändern, weniger die Positionen an sich, glaubt Klein.

Neben den Fähigkeiten, die natürlich je nach Position variieren, kommt es auf die richtige Einstellung an. Der einzelne Mitarbeiter sollte sich dem Veränderungsprozess aktiv stellen, digitale Kompetenzen erwerben und ausprobieren welche Aufgaben zu ihm passen, fasst die Expertin Grundler zusammen. Zentral wird die Bereitschaft, „immer wieder neues zu Lernen und sich Veränderungen aktiv zu stellen“.

Das sehen auch andere Experten so. „Mitarbeiter übernehmen mehr Verantwortung, denken prozessual, kommunizieren zielgerichtet, sie organisieren und motivieren sich selbst“, erklärt Jan Hauke Krüger, Headhunter und Personalexperte in der Versicherungswirtschaft. Denken und Handeln in Lösungen müsse zur „lieben Gewohnheit werden“, aus „Veränderung müssen“ wird „Verbesserung wollen“, fasst er zusammen. „Digitalisierung ist eine Geisteshaltung, die im gesamten Unternehmen gelebt werden muss“, ist sich auch Klein sicher. Auch Führungskräfte müssen sich verändern. Sie würden „Kompetenzen abgeben, moderieren und den Weg frei machen“, erklärt Krüger. Das erfordert eine neue Art von Führung, über die Michael Gold und Klaus Bischof ein Buch geschrieben haben.

Mut, Interesse und Wandlungsbereitschaft können schlecht gelernt werden, erklärt die Psychologin Julia Scharnhorst, sie sind die Basis dafür, die benötigten Fähigkeiten zu erlernen.

Hier können Mitarbeiter sich weiterbilden

In der Versicherungsbranche steige die Effizienz bei internen Abläufen und Prozessen stetig, erklärt Michael Gold, Geschäftsführer von Versicherer als Arbeitgeber AGV. Damit die Beschäftigten nicht abgehängt werden, denn der Grad der Akademisierung ist „stetig angestiegen und wird sich „weiter fortsetzen“, haben sowohl AGV als auch Verdi zahlreiche Programme zur Weiterbildung aufgelegt.

Die Basis für die Bildungsangebote in der Versicherungswirtschaft bildet die vom BWV Bildungsverband in Kooperation mit dem Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f‑bb) durchgeführte Studie „Kompetenzlabor- Welche Kompetenzen benötigt die Versicherungswirtschaft künftig?“ Der Kompetenzbedarf zeige sich dabei insbesondere im Bereich der „digitalen und personalen Kompetenzen“, erklärt Gold.

Aufbauend auf den Studienerkenntnissen hat der BWV Bildungsverband in Zusammenarbeit mit über 30 Branchenexperten sowie Berufsschullehrern ein Curriculum zur Vermittlung digitaler Kompetenzen konzipiert. Dieses stellt die Grundlage für die Pilotierung der Zusatzqualifikation „Digitale Kompetenzen“ dar, welche der BWV Bildungsverband in Kooperation mit dem Ministerium für Schule und Bildung in NRW durchgeführt hat. Das Projekt zielt auf die Steigerung digitaler Kompetenzen bei den künftigen Absolventen des Berufsbilds „Kaufmann/Kauffrau für Versicherungen und Finanzen“, and der auch Verdi mitgearbeitet hat – VWheute hatte berichtet.

Zur Stärkung digitaler Kompetenzen bieten die regionalen Berufsbildungswerke der Versicherungswirtschaft seit März 2020 das Bildungsangebot KompetenzDIGITAL an. Die Qualifizierung wird durch den BWV Bildungsverband zertifiziert. „Unsere Zielsetzung war es, den Auszubildenden und Beschäftigten unserer Branche die Möglichkeit zu bieten, sich die erforderlichen Kompetenzen anzueignen und gleichzeitig unserem hohen Anspruch an Qualität gerecht zu werden“, erklärt Katharina Höhn, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des BWV Bildungsverbands. Zudem hat der BWV die Plattform Discover Digital ins Leben gerufen.

Auch Grundler lobt den BWV, der „sehr gute Aus- und Weiterbildungsangebote entwickelt und anbietet“.Doch auch Verdi hat noch ein Ass im Lernärmel. Gemeinsam mit Google und den IHKen Düsseldorf und München wurde in einem gemeinsamen Projekt ein Digitalisierungsangebot entwickelt. In der sogenannten Basisbox können Beschäftigte kostenfrei Grundwissen zum Thema Qualifizierung in kurzen Onlinekursen erwerben. „Noch in diesem Jahr werden wir im Rahmen dieses Projektes eine spezifische Weiterbildung für Versicherungsangestellte anbieten“, erklärt Grundler.

Natürlich ist das nur ein Auszug aus den vielfältigen Weiterbildungsmöglichkeiten für Versicherungsmitarbeiter. Mit Mut und Interesse kann der Einzelne schnell herausfinden, welche Fähigkeiten er benötigt und wo sie erworben werden können. Branche, Verdi und AGV helfen gerne weiter.

Autor: Maximilian Volz

Mehr zum digitalen Wandel der Branche lesen Sie in der aktuellen Juli-Ausgabe des Magazins Versicherungswirtschaft.

Quelle: VVW GmbH

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