Kritische Verträge gekündigt? Mannheimer droht Ärger mit der Regulierung von BSV-Fällen

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Handelt die Mannheimer in der Betriebsschließungsversicherung (BSV) nicht zum Kundenwohl? Das Unternehmen soll ihnen den Vertrag kündigen, wenn diese die bayerische Lösung ablehnen, berichtet die Anwaltskanzlei Wirth. Das Verhalten des Versicherers sei „widersprüchlich, kundenschädigend und gegen das Gesetz“. Schwere Vorwürfe gegen die Tochter des Continentale Versicherungsverbunds.
In der Coronakrise mussten viele Geschäfte schließen. Den Ausfall wollen viele Ladenbesitzer von ihren Versicherern mittels der BSV ersetzt bekommen. Einige bezahlten, andere lehnten ab, schließlich griff in Bayern die Politik ein. Entwickelt wurde eine Lösung, die bundesweit viele Versicherer übernahmen, die sogenannte bayerische Lösung.
Offenbar hat auch die Mannheimer die bayerische Lösung angewandt. Der Versicherer habe seinen Kunden bereits kurz nach den angeordneten Schließungen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine Zahlung von 15 Prozent der Versicherungsleistung angeboten. Diese basierte auf dem sogenannten bayerischen Kompromiss, erklärt Wirth.
Aktuell kündige die Mannheimer Kunden, die dem „15-Prozent-Angebot“ nicht zugestimmt haben „außerordentlich fristlos“ die Versicherungsverträge. Problematisch ist dabei unter anderem, dass die außerordentliche Kündigung den gesamten Versicherungsvertrag umfasst, der oft auch andere Vertragsbausteine beinhaltet. „Einen genauen Kündigungsgrund nennt die Mannheimer nicht, sondern führt nur aus, dass sie die Schadenmeldung (…) zum Anlass nimmt, nun die außerordentliche Kündigung auszusprechen“.
Vertrag lässt außerordentliche Kündigung nur bei Eintritt des Versicherungsfalls zu
Nach Ansicht der Anwälte kündigt die Mannheimer mit ihrem Vorgehen den Versicherungsvertrag nach § 92 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Das Vorgehen sei bemerkenswert, weil diese Vorschrift eine außerordentliche Kündigung nur bei Eintritt des Versicherungsfalls zulässt. Dabei habe der Versicherer ursprünglich das 15-Prozent-„Kulanz“-Angebot noch mit den Worten offeriert, dass eine „Entschädigung aus dem Versicherungsvertrag nicht gegeben“ sei. Bei der außerordentlich fristlosen Kündigung würde sie dagegen von einem „eingetretenen Versicherungsfall“ ausgehen.
Es sei zwar zu erwarten, dass Gerichte zukünftig diese Kündigung als „unwirksam ansehen“, doch aktuell hätten die Kunden eine schwierige Position. „Sie stehen vor dem Problem, dass die Mannheimer Versicherung AG, gestützt auf ihre außerordentliche Kündigung, zukünftig jeglichen Versicherungsschutz aus den Verträgen verweigern wird und müssen zur Vermeidung von Deckungslücken vorsorglich schnell reagieren“, erklären die Anwälte. Es sieht so aus, als würden bei dieser Angelegenheit keinen Gewinner geben.
Heiße BSV-Debatte
Viele Juristen, unter anderem der Rechtsprofessor Hans-Peter Schwintowski, und der Anwalt Knut Pilz kritisierten sowohl die Versicherer für ihre mangelnde Leistungsbereitschaft wie auch die bayerische Lösung insgesamt. Experten wie Philipp Glock von KPMG erwarten „eine Klagewelle“. Auch Wirth Anwälte standen dem Angebot ambivalent gegenüber und rieten den Betroffenen bereits im April zu einer individuellen Prüfung.
Dass bei berechtigten BSV-Ansprüchen „ohne jeden Zweifel gezahlt“ werde und es „freiwillige Leistungen der Industrie für die Kunden“ gäbe, erklärte Jörg Asmussen, Mitglied der Geschäftsführung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Ein Beispiel ist die Zurich, deren Chef Mario Greco auf Kulanz setzt. Die Generali legte einen Notfallfonds auf und auch die Allianz will helfen. „Wir sehen uns in der gesellschaftlichen Verantwortung […]. Die Allianz wird diese für Bayern gefundene Lösung bundesweit ihren Kunden im Bereich Hotels und Gaststätten anbieten“, kommentiert Allianz-Vorstand Dirk Vogler im April.
Die Mannheimer wurde zum Sachverhalt angefragt, konnte aber bis Redaktionsschluss keine Antwort mehr liefern. Diese wird nach Erhalt nachgereicht.
Autor: VW-Redaktion