Betriebsschließungen wegen Corona: Halten Versicherer noch, was sie versprechen?

Igor Ovsyannykov auf Pixabay

„Im Leistungsfall zahlen die eh nicht“, lautet ein häufig vorgetragener Vorwurf an die Versicherer. Nun hat der Berliner Rechtsanwalt Knut Pilz ähnliche Vorhalte gegen die Branche erhoben. Diese würden bei der „Betriebsschließungsversicherung“ wegen Corona die Betroffenen die Schäden „tragen lassen“ obwohl sie „genau dafür Prämien erhalten“. Bei der Recherche wurden wenig gesprächsbereite Marktteilnehmer angetroffen.

Der Ort ist die bei Partygängern beliebte Simon-Dach-Straße in Berlin-Friedrichshain. Die Beteiligten sind der Barbesitzer, die Gäste und die Polizei, Ehrengast ist, wenn auch wohl abwesend, das COVID-19-Virus aka Corona. Gegen 22 Uhr hält ein Mannschaftswagen der Polizei vor der Bar, 20 Minuten später sind die Gäste der Bar verwiesen und die Lokalität geschlossen, beschreibt rbb24. Der Grund waren die Auflagen der Stadt wegen des Corona-Virus. Die Berliner Clubs sollen einem Senatsbeschluss zufolge schon ab Samstag schließen, Clubs, Kneipen, Bars und Spielhallen sind mit eingeschlossen.

Der Besitzer der betroffenen Bar in Friedrichshain hat stellvertretend für Millionen Unternehmer viele Fragen: „Wie lange muss geschlossen bleiben, wie groß wird der finanzielle Schaden sein und gibt es irgendwelche Hilfen?“

Da Deutschland aktuell bis auf wenige Ausnahmen die Schließung aller Geschäfte angeordnet hat wird die Frage nach der Haftung bei Betriebsausfall nicht auf Berliner Barbesitzer beschränkt bleiben. In vielen Fällen springt die Betriebsschließungsversicherung ein, aber eben nicht immer.

Schweigen im Wald

Die zentrale Frage lautet, ist eine Schließung wegen Corona ein versicherter Schaden oder nicht. Der Anwalt Pilz glaubt, dass die Versicherer leisten müssen. „Unterhält der Betreiber eine sog. Betriebsschließungsversicherung, gehen wir davon aus, dass der Versicherer in der Regel für die eintretenden Schäden leisten muss. Versichert sind üblicherweise Schäden, die dem Betreiber aufgrund einer behördlichen Schließung entstehen, welche auf einer der im Infektionsschutzgesetz genannten Krankheiten beruht.“

Offenbar sehen das sowohl der GDV wie auch einige Versicherer anders, wie Pilz bemängelt. „Wie sich den jüngsten Äußerungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) entnehmen lässt, versuchen die Versicherer diese Schäden zu „sozialisieren“, d. h. die Schäden, welche durch den Ausfall entstehen, werden tatsächlich die Betroffenen tragen und nicht die Versicherer, obwohl diese genau dafür Prämien erhalten haben“. An dieser Stelle wären wir wieder bei dem Vorwurf, dass Versicherer im Leistungsfall „eh nicht zahlen“.

Einzelne Unternehmen hätten bereits ihre Eintrittspflicht für den Fall der Schließung aufgrund einer Pandemie abgelehnt und hätten den Standpunkt vertreten, dass „dieses neuartige Virus“ im Infektionsschutzgesetz „nicht namentlich“ genannt ist. Nach Ansicht von Pilz ist dieses formale Argument „wenig überzeugend“. Die Versicherer dürften damit „kaum durchdringen“, denn bereits „im Januar 2020“ wurde eine Verordnung erlassen, wonach die Meldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz auf das „neuartige Coronavirus ausgedehnt wurde“. Die Versicherer müssten also bei einer Betriebsschließung wegen Corona haften.

Versicherer und Verband wortkarg

Auf die Situation angesprochen erklärt der GDV schmallippig: „Es gibt am Markt eine Vielzahl von Versicherungsprodukten zum Schutz vor Betriebsunterbrechung und -schließung. Für die Leistungen des Versicherers ist immer der individuelle Vertrag die Basis.“

Die Empfehlung des GDV ist, „sich immer direkt an den Versicherer zu wenden und mit ihm bestehende Fragen zu klären.“

Die Ergo, angeblich einer der Versicherer, die in den genannten Fällen nicht leisten wollen, ist ähnlich vorsichtig wie sein Verband: „Leider ist uns eine kurzfristige Antwort nicht möglich – wir prüfen die Aussagen.“ Die Antwort wird nach Erhalt nachgereicht.

Der Primus Allianz schreibt zum Thema: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir derzeit zur Frage der Entschädigungsansprüche infolge behördlich angeordneter Betriebsschließungen aufgrund des 2019-nCoV keine pauschalen Aussagen unabhängig vom konkreten Schadenfall treffen können. Etwaige Ansprüche sind abhängig von der individuellen Ausgestaltung des Versicherungsvertrages und dem konkreten behördlichen Vorgehen. Eine Prüfung unserer Eintrittspflicht nehmen wir aber selbstverständlich gerne im konkreten Schadenfall anhand des jeweils zugrundeliegenden individuellen Sachverhaltes vor.“

Hat Rechtsanwalt Pilz nach dem Treuhänderprozess etwa wieder zielsicher in ein Wespennest gestochen? Ein Ass hat erjedenfalls noch im Ärmel. Selbst wenn Betreiber eines Geschäfts keine Versicherung abgeschlossen hätten, müssten sie „nicht zwangsläufig leer ausgehen“. Im Einzelfall können den Versicherer nämlich entsprechende Beratungspflichten treffen, „wonach er auf die Versicherbarkeit des Risikos hinweisen muss“. Unterlässt er dies trotz eines bestehenden Beratungsanlasses, haftet er für die Schäden im Ergebnis „genauso wie im Falle eines Abschlusses der Versicherung“. Die Berliner Richter können sich schon einmal warmlaufen.

Der Verlag Versicherungswirtschaft hat zum Thema Betriebsunterbrechungsversicherung aktuell ein Buch auf den Markt gebracht, dass sich insbesondere mit dem Thema Pandemie beschäftigt. Der Autor ist der Experte Reinhard Keil.

Autor: Maximilian Volz

11 Kommentare

  • Ridschie Blanko

    Wo nimmt eigentlich ein Jurist seine Annahme zu Versicherungsschutz ja oder nein her. Für mich ist das ein Zeichen von Langeweile, gepaart mit einem hohen Maß an Geltungssucht. Dieser RA sollte einmal seine eigene Zunft genau und kritisch beobachten und auch Warnhinweise aussprechen, ähnlich wie bei Aktienpaketen mit dem Hinweis des Totalverlustes. Wenn dann Die eigen Stube schön sauber ist, kann man sich vor die Tür begeben und andere Dinge im Leben Dritter kommentieren. Zumal sich dieser RA wahrscheinlich als allwissend darstellt, stellt sich für mich die Frage warum dieser nicht vor Corona solche oder ähnliche Fragen an die Versicherungswirtschaft gestellt hat. Der GDV und viele Versicherer hätten sicher mitgewirkt um diese Frage zu beantworten und eine eventuell bestehende Versorgungslücke zu schließen. Handelt hier der RA etwa vorsätzlich. Sein Wissen, seine Befürchtungen etwa so lange zurück hält wie jetzt in einem gewissermaßenen staatlich angeordneten Ausnahmezustand? Corona nämlich ist bereits als Virus sehr lange bekannt. Die Republik fragt sich bestimmt, wer hat diesen RA geschickt? Soll mit solchen geistigen Brandstiftereien der soziale Friede gestört werden? Ich verabschiede mich kopfschüttelnd.

  • Watson Forester

    Vielen Dank für die Aktivitäten des Herrn RA Pilz, der die Defizite der Versicherungswirtschaft in hervorragender Art und Weise unermüdlich transparent macht.

  • Jörg Landgraff

    Der Artikel ist inhaltlich genauso oberflächlich gestaltet, wie er layoutet wurde. Herr Pilz wird sich für die polemische Werbung bedanken.

    Eigentlich ist man von VW mehr Qualität gewohnt. Schade.

  • Ich sehe da in erster Linie nur Eigenwerbung des RA, der natürlich genau so schwammig auf Erfolgsaussichten antworten würde: „Müssen wir sehen; Einzelfall; kann man pauschal nicht beantworten; Aussicht auf Erfolg besteht immer …“ usw. usw. Schon traurig, das man eigenes Vorgehen anderen nicht zugestehen möchte oder will.

    Das Versicherer bei diesem scheinbarem Novum erst mal die Reaktionen der Bundesregierung oder/und die tatsächliche Rechtssprechung abwarten und eben nicht vorschnell Hoffnungen schüren oder zerstören wollen, sollte auf der Hand liegen. Daher sind die Antworten (erst mal) verständlich und nachvollziehbar!

  • Ich bin hier voll und ganz bei Herrn Pilz. Wenn die Versicherer bei wortidentischen Versicherungsbedingungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, muss das leider juristisch geklärt werden. Die, die sagen, das Corona nicht namentlich bennannt ist und somit aus dem Versicherungsschutz fällt, sollen dann keinen Bezuig zum IfGS in ihren Bedingungen schreiben. Dann wären die auch sauber. Wenn sie jedoch Bezug und teilweise das Gesetz selber abschreiben, dann sollten sie wissen, dass die Klausel auch dynamisch ausgelegt werden kann, d.h. ändert sich das Gesetz, ändern sich die Versicherungsbedinungen. Gott sei dank sehen das zumindest einige Versicherer auch so. Und die, die auf Grund der wörtlichen Auslegung ablehnen, sollten mal überlegen, was Sinn und Zweck dieses Gesetzes ist und war.
    Es wird sicherlich bis sonst wo geklagt werden müssen – dazu werden neben der Versicherungsleistung wohl auch ordentliche Schadenersatzansprüche ergänzend hinzukommen.
    Statt das die Branche hier einfach positiv reagiert und hilft, wird mit der schwächsten Argumentation der Schutz versagt. Da brauch sich die Branche über ihren Ruf „die zahlen eh nicht“ nicht wundern. Freu mich jetzt schon auf die Kunden, die wir umdecken werden, sofern sie das als Unternehmen überleben. Das so ein Verhalten auch nachträglich das zukünftige Geschäft dieser Gesellschaften beeinflusst – positiv wie negativ – ist da nur die denklogische Folge.

  • Ich schließe mich einem Vorkommentator an. Aus der Versicherungspolice für Betriebschließungsschäden unseres Gewerbes sind eindeutig Schließungsschäden aufgrund von Betriebsschließungen wegen meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger inkludiert, die in §§ 6 und 7 Infektionsschutzgesetz genannt werden. Diese Aufzählung gilt abschließend, da sich Gesetze dynamisch ändern und die Aufzählungen sicherlich nicht mit jeder Gesetzesänderung angepasst werden, sollte ich als Versicherungsnehmer darauf vertrauen können, dass die Police für alle nach InfSG meldepflichtigen Krankheiten gilt. Zur Not könnte man unter „Influenzaviren“ sicherlich auch Covid-19 subsumieren. Ich denke im Streitfall sehen die Gerichte das ähnlich. Leider wird häufig vergessen, dass der Staat immer der unsichtbare Dritte im Gerichtssaal ist, der Hilfspakete schürt und sich verschuldet, während sich die Versicherer vor ihrer vertraglich zugesicherten Leistung drücken. Von der Art und Weise und dem Umgangston am Telefon durch inkompetente Sachbearbeiter, die ihre eigene Policen nicht lesen können, mal ganz abgesehen.

  • Na ja wen die Versicherung Allianz heisst dann zahlen die zu 95% nicht.
    Geld kassieren können die gut aber wen es um bezahlen geht dann finden die irgendein Humbug damit die nicht zahlen müssen und oft kommen die damit dan auch durch leider. Deshalb Finger Weck von der Allianz !!!

  • willy wunderbar

    Ergo lehnt auch schon mal ab. Nach 230 Jahren fleißig zahlen. Ergo bitte meiden!!!

  • willy wunderbar

    Tschuldigung die 230 sind falsch, richtig soll es heißen 20 Jahre, ehemals Victoria. Mal überlegen wie ich beraten wurde…

  • Na, da sind ja reichlich Anwälte hier im Forum. Oder glauben zumindest, dass sie Ahnung hätten. Fakt ist doch, dass immer dann, wenn unter Bezug auf das BIfSG basierend der Versicherungsschutz angeboten wird, Coronafälle gute Chancen haben, als Schadensfall anerkannt zu werden, SOFERN der Gesetzgeber die Schließung angeordnet hat. Ob eine präventive Schließung – eben anders als die Kneipe, die wegen konkreten Salmonellenbefalls geschlossen wird – auch unter den Vesicherungsschutz fällt, ist dann rechtlich zu klären. Wenn aber ein Versicherer das Gesetz zwar inhaltlich abgeschrieben hat ohne darauf zu verweisen, dann kann man sehr wohl von einer abschließenden Aufzählung ausgehen, unter die dann Sars2-Covid-19 als neue Viren der Corona-Viren-Familie eben nicht fallen würde, da es sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht gegeben hat. Wenn in einem Betrieb mit BIfSG-bezogenen Vertrag der Laden dicht gemacht wird, weil vor Ort Corona-Virenbefall gefunden wurde, dann dürfte es sogar ziemlich sicher eine Leistung geben. Und genau diese Vielfalt und Einzelfallbetrachtung führt zu den Aussagen der Versicherer, dass man jeden Einzelfall betrachten muss.

    Der Anwalt Pilz dagegen ist schon krass, lästert über die Versicherer, die nicht pauschal zahlen wollen, „obwohl sie dafür Beiträge kassiert haben“. Nun, erstens sollte dieser Anwalt wissen, da er sich doch als Fachanwalt betrachtet, dass in den Fällen, die nicht von den Versicherungsbedingungen erfasst werden, dafür auch keine Risikofälle und damit keine Beiträge in die Kalkulation einbezogen wurden. Zweitens ist sein Vorwurf an der Grenze der Lächerlichkeit, wenn man bedenkt, dass praktisch jeder Anwalt gerne zitiert: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Damit wird pauschal schon mal für jeden Rechtsfall festgehalten, dass man ja nichts dafür könne und Garantien sowieso nicht geben kann. Auch trotz gezahlter Honorare. Kommt halt immer auf den Einzelfall an, gell, Herr Pilz?

  • Lieber Herr Müller,

    da ich Juristin bin und „Ahnung“ ist nicht ausschließlich Anwälten vorbehalten ist, fühle ich mich mal angesprochen.

    „Fakt ist doch, dass immer dann, wenn unter Bezug auf das BIfSG basierend der Versicherungsschutz angeboten wird, Coronafälle gute Chancen haben, als Schadensfall anerkannt zu werden, SOFERN der Gesetzgeber die Schließung angeordnet hat.“ Definieren Sie bitte gute Chancen. In meinem Versicherungsfall trifft dies zu, die Entschädigung wurde aber abgelehnt.

    „Wenn aber ein Versicherer das Gesetz zwar inhaltlich abgeschrieben hat ohne darauf zu verweisen, dann kann man sehr wohl von einer abschließenden Aufzählung ausgehen, unter die dann Sars2-Covid-19 als neue Viren der Corona-Viren-Familie eben nicht fallen würde, da es sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht gegeben hat.“ Es liegt in der Natur eines Gesetzes, dass dieses sich dynamisch an die gesetzgebende Gesellschaft anpasst oder möchten Sie noch den Ehebruchparagraphen im StGB haben oder die Strafbarkeit von Homosexualität oder die Insolvenzfristen in Anlehnung an die Bibel (das 7. Jahr ist das Erlassjahr usw.)? Fakt ist doch: Entweder ich beziehe mich auf das Infektionsschutzgesetz und dann akzeptiere ich auch dessen dynamische Anpassung im Laufe der Versicherungsdauer oder ich beziehe mich in meiner Vertragsklausel eben nicht auf InfSG, zähle 10-20 Krankheiten auf, die inbegriffen sind und bei jedem anderen Eintrittsfall, hat der Kunde eben Pech gehabt. Ich kann aber nicht sagen ich beziehe mich auf das Gesetz, kopiere dies auch 1:1 in meine Versicherungsbedingungen und klammere aber schön den Abs. 4 desselben Gesetzes aus, der auch jede andere noch nicht bekannte meldepflichtige Krankheit einschließt. Das ist m.E. grobe Irreführung seitens der Versicherung – und NEIN, eine Einzelfallprüfung findet eben in 90% der Fälle nicht statt, sonst hätte ich ja nicht innerhalb von 24 Stunden bereits die Ablehnung im Briefkasten (sehr umfangreiche Einzelfallprüfung) mit der Begründung, dass Corona keine meldepflichtige Krankheit i.S.d. InfSG ist (das ist sie seit Ende Februar).

    Und ihre Einzelfallargumentation hinkt: Es sind eben keine Einzelfälle, wenn ganz Deutschland von einer kollektiven Betriebsschließung betroffen ist, daher ist der öffentliche Druck im Gerichtssaal eben sehr hoch, es gibt auch sehr viele Geschädigte und daher eine schöne Menge an Personen, die sich zu einer Sammelklage entschließen könnte. Diese haben durch das reduzierte finanzielle Risiko als Einzelkläger die Mittel und Ressourcen die Versicherungen mit einer Klageflut konfrontieren und in diesem Fall fände ich das tatsächlich gerechtfertigt. Es kann einfach nicht sein, dass der Staat milliardenschwere Hilfprogramme auflegt, kleine Privatvermieter Mieten erlassen, Unternehmen wie Beiersdorf medizinische Ausrüstung spenden und unsere Bank- und Versicherungswirtschaft meint sie könne sich Ihrer vertraglichen Verpflichtung entziehen. Ich inkludiere die Banken dabei, weil ich es als Frechheit empfinde KfW-Kredite nicht weiterzureichen, weil angeblich das 10%ige Kreditrisiko zu hoch ist, von der Weigerung trotz Druck der BaFin auf Dividendenzahlungen zu verzichten ganz zu Schweigen.

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