Staatssekretär Billen exklusiv: „Wenn die Versicherer Interesse am Erhalt der Vermittler haben, müssen sie eine Lösung finden“

Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bild: mv

Gerd Billen ist ein Mann der klaren Worte. Damit macht er sich nicht nur Freunde, doch es gehört zum Job, Dinge offen anzusprechen. Vor allem aus der Vermittlerschaft kommt dem Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz nun massiver Gegenwind entgegen. Welche Rolle die Pläne zur Bafin-Aufsicht und der Provisionsdeckel dabei spielen, erklärt er im Rahmen der Themenwoche Vertrieb im Exklusiv-Interview mit dem Magazin Versicherungswirtschaft und VWheute.

Versicherungswirtschaft: Die Aufsicht der Kapitalanlagevermittler soll auf die Bafin übergehen, warum?

Gerd Billen: Die Finanzanlagenvermittler haben die gleiche Verantwortung wie Bankberater, hier geht es um gewichtige Entscheidungen im finanziellen Bereich. Aus diesem Grund muss gewährleistet werden, dass die Berater auch die erforderlichen fachlichen Anforderungen erfüllen und einheitlich beaufsichtigt werden. Die bisherige Kontrolle durch Gewerbeämter, Handelskammern oder Gewerbeaufsicht funktionierte teilweise ordentlich, teilweise gar nicht. Das ist der Wichtigkeit der Aufgabe nicht angemessen, gerade im Finanzbereich braucht es eine Aufsicht aus einem Guss und mit fachlich kompetenten Aufsehern.

Versicherungswirtschaft: Die Beschwerdezahlen zeigen keine Notwendigkeit für eine Änderung. Warum also jetzt?

Gerd Billen: Weil ich der Auffassung bin, dass es bei Finanzgeschäften einer einheitlichen und funktionierenden Aufsicht bedarf. Eine solche gibt es im Moment aber nicht. Deswegen haben sich die Koalitionspartner in der Regierung dazu entschieden, einheitliche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, analog zu den Finanzanlagenvermittlern in Banken und Sparkassen. Es ist nicht einzusehen, dass es derzeit einen Teil des Finanzmarktes gibt, der faktisch unbeaufsichtigt ist.

Versicherungswirtschaft: Was ist mit den Kosten? Verbände wie Votum, BVK und AfW befürchten einen Anstieg.

Gerd Billen: Ein Anstieg der Kosten ist bisher nicht mehr als eine Vermutung. Auf der anderen Seite gibt es einen Zugewinn an Vertrauen aufseiten der Verbraucher. Wenn die Bafin die schwarzen Schafe vom Markt nimmt, wird das Vertrauen der Verbraucher dadurch gestärkt.

Versicherungswirtschaft: Die Pläne für die Bafin-Aufsicht für Vermittler liegen fertig in der Schublade, wann kommt die Änderung?

Gerd Billen: Noch in dieser Legislaturperiode. Der Koalitionsvertrag wird „Eins-zu-eins“ umgesetzt.

Versicherungswirtschaft: Lassen Sie uns über den Provisionsdeckel sprechen. Warum braucht man ihn?

Gerd Billen: Wir haben mit dem Lebensversicherungsreformgesetz, dem LVRG, im Jahr 2014 zur Stabilisierung der Lebensversicherungsunternehmen beigetragen. Damit wollten wir die Funktionsfähigkeit der Lebensversicherung aufrechterhalten. Dafür mussten alle ihren Beitrag leisten – die Verbraucher verzichteten auf viel Geld aus den Bewertungsreserven, die Versicherer sollten Kosten reduzieren.

Versicherungswirtschaft: Ich höre ein „aber“ …

Gerd Billen: Wir hatten unter anderem beraten, dass die Verwaltungskosten, Gebühren und Provisionen sinken. Dies ist nicht in ausreichendem Maße geschehen. Da die Überschussbeteiligung stark sinkt, ist die Kostenbelastung umso ärgerlicher. Es kann nicht sein, dass die Lebensversicherung vielen Kunden kaum noch Überschüsse bietet, die Kosten aber hoch bleiben. Das ist der Hintergrund des Provisionsdeckels.

Versicherungswirtschaft: Warum dann kein Provisionsverbot?

Gerd Billen: Das wäre eine Zukunftsoption, wenn die Begrenzung nicht ausreicht.

Versicherungswirtschaft: Werden die Vermittler bei der Lösung nicht zu stark, die Unternehmen zu schwach belastet?

Gerd Billen: Ich hätte kein Problem damit, wenn die Versicherer Nettotarife anbieten würden. Bei vielen Angeboten brauche ich keinen Vermittler mehr, wenn ich mir die Entwicklung durch die Digitalisierung ansehe. Ob und welche Vergütung der Vermittler letztlich vom Unternehmen bekommt, ist Sache der beiden Parteien. Wenn die Versicherer Interesse am Erhalt der Vermittler haben, müssen sie eine Lösung finden.

Versicherungswirtschaft: Und aufsichtstechnisch?

Gerd Billen: Es können angemessene Lösungen gefunden werden, beispielsweise, dass Vermittler, die qualitativ höhere Anforderungen erfüllen, höhere Provisionen erhalten. Die Höhe der Vergütungen der Vermittler würde letztlich die Bafin festlegen.

Versicherungswirtschaft: Die Zukunft der Versicherung soll digital sein, Plattformen, internetbasierte Micro-Versicherungen, Robo-Berater etc. Wie kann eine funktionierende Aufsicht in Digitalzeiten aussehen?

Gerd Billen: Für die Plattformen existieren bereits Anforderungen hinsichtlich der Finanzierung, die klare Transparenzregeln bei Provisionen und Kick-backs beinhalten. Wir als Verbraucherschutzministerium legen Wert auf eine gute Beratung, das muss sich in allen digitalen Offerten widerspiegeln. Viele Banken haben das bereits gut gelöst, die Zahl der Angebote bei Finanzprodukten ist geschrumpft, gleichzeitig wurden sie einfacher. Die Leute müssen verstehen, was sie kaufen.

Versicherungswirtschaft: In der Altersvorsorge gibt es eine Fülle von Angeboten, die niemand durchschaut. Wird die Digitalität das Angebot reduzieren, werden die Offerten besser?

Gerd Billen: Ob die Angebote besser werden, kann ich nicht sagen, sie werden auf jeden Fall anders. Die zum Teil gewollte Unübersichtlichkeit durch eine Vielzahl an Produkten und die daraus resultierende Konfusion löst Gegenreaktionen aus. Im Bereich der Altersvorsorge denke ich etwa an die Deutschland- oder Extrarente. Mit diesen Produkten hat der Kunde Kostenvorteile. Sie sind auch eine Antwort auf das Rauschen, das durch die Masse der Produkte im Bereich Altersvorsorge ausgelöst wird.

Die Fragen stellte VW-Redakteur Maximilian Volz.

Das vollständige Interview lesen Sie in der neuen März-Ausgabe des Magazins Versicherungswirtschaft.

Mehr Neuigkeiten, Fachinformation und Trends direkt aus dem Vertrieb, geschrieben und diskutiert von Vermittlern, erhalten Sie darüber hinaus jeweils zur Monatsmitte im E-Magazin Der Vermittler.

6 Kommentare

  • Wenn Politiker ernstgenommen werden wollen, sollen sie sich schleunigst um das Rückstellungsdefizit bei Ihrer Beamtenpension von 1,7 Billion EURO kümmern. Sollte das Drangsalieren für Vermittler bei einer Beschwerdequote von 0,03% eher vorbildlich , weitergehen, werden Pressekampagnen den Bürger informieren. Abgehobene Politiker ohne jede Bodenhaftung, ist das LETZTE was dieses Land benötigt.

  • Wenn man dieses „Interview“ liest stellt man sehr schnell fest, dass der Herr Staatssekretär leider überhaupt keine Ahnung von dem hat was er da erzählt.
    z.B. „Es kann nicht sein, dass die Lebensversicherung vielen Kunden kaum noch Überschüsse bietet, die Kosten aber hoch bleiben. Das ist der Hintergrund des Provisionsdeckels.“
    => da ja bekanntlich seit Jahren fast keine klassischen Lebensversicherungsprodukte mehr angeboten werden, ist das Missverhältnis von Vertragskosten und niedrigen Überschüssen bereits behoben
    => die Forderung nach einem Provisionsdeckel ist völlig unbegründet
    => fondsgebundene Altersvorsorgeprodukte bringen sehr wohl gute Renditen
    => und auch wenn es der Herr Staatssekretär nicht wahrhaben will sind die Vertragskosten in den letzten Jahren zu Lasten der Vermittler deutlich reduziert worden
    => evtl. wäre es sinnvoll diesen völlig inkompetenten „Staatsdiener“ in den Ruhestand zu schicken
    => oder wie es in der Politik üblich ist sollte er seinen Rücktritt erklären!

  • Wirklich keine Ahnung, oder was steckt hinter solch völlig unqualifizeirten Äußerungen? Wollen gewisse Leute die unabhängigen Vermittler abschaffen? Sollen die Online Plattformen gestärkt werden, weil man viel Geld (vielleicht eigenes) in solche Unternehmen investiert hat? Ich denke von allem etwas könnte der Grund für solche Kampagnen sein. Auf keinen Fall steht hier der Schutz der Bundesbürger im Vordergrund. Wer immer nur von hohen Kosten redet und verkündet, dass die Produkte einfacher geworden sind, hat entweder wirklich gar keine Ahnung von der Materie, oder verfolgt eben andere Ziele und das unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes. Wer schützt eigentlich die Vermittler von solchen Leuten?

  • Peter Deiring

    Ein Staatssekretär, der ein sicheres, fürstliches monatliches Gehalt, u.a. von denjenigen, deren Existenz er zerstören will, erhält, möchte selbstherrlich ohne Kenntnis der Fakten, ohne objektive Gründe und ohne gesetzliche Grundlage die Provisionen kürzen. Ihm ist nach Gutsherrnart so – Er „braucht keine Vermittler mehr“! Die Misere wurde genau von den Politikern bewusst verursacht, die jetzt hergehen und die Opfer zu Tätern machen.
    „Alle müssen ihren Beitrag leisten“ – für den kommenden Sommer stehen die Erhöhung der Diäten für die Politiker an (mit welcher objektiven Begründung?), diese werden von den Steuergeldern der Bürger (incl.“ Makler“) finanziert. Die Steuergelder werden von den Politikern für alles mögliche, weltweit milliardenweise verschleudert.
    So unfähig, so Bürgerfeindlich, so abgehoben, so arrogant wie diese derzeitigen Politiker, das hat das Land bisher nicht ertragen müssen!

  • Herzlichen Glückwunsch, Herr Billen! Sie zeigen wiedereinmal ganz offensichtlich, dass Politiker so dermaßen weit weg von der Basis sind, dass entsprechend wirres Zeug und Aussagen dabei herauskommen.

    Sehen Sie nach England, wo es ein Provisionsverbot gibt. Was ist die Folge? Der Mittelstand (und darunter) kann sich eine Beratung auf Honorarbasis nicht mehr leisten. Besonders im Leben-Bereich ist die Annahme, die Kunden könnten sich über Social Media und Co informieren, absolut falsch. Das face-to-face-Gespräch wird nach wie vor fokussiert.

    Unterm Strich kann ich nur sagen: lassen Sie den Quatsch und diese unqualifizierten Aussagen lieber bleiben. Sie machen sich nur zum Gespött.

    P.S.: wenn man sich die Gewinn-Situation der Vermittler/Berater ansieht, liegt die Mehrheit bei < 50 T €/p.a. Da von "zu hohen Provisionen" zu sprechen ist ja schon fast weltfremd und nur peinlich.

  • Jürgen Beisler

    „Die Höhe der Vergütung würde letztlich die Bafin festlegen“

    Unfassbar, so eine Dreistigkeit. Leben wir nun in einer freien Marktwirtschaft, oder sind wir doch schon in einer Planwirtschaft á la DDR2.0 gelandet??

    Vielleicht sollten die Bürger endlich mal darüber bestimmen dürfen, was Politiker und Beamte verdienen sollen. Wenn man nach der bisherigen – extrem schwachen – Leistung geht, dürften die Meisten wohl auf Hartz4 Niveau liegen!

    Man merkt in mehr und mehr Bereichen, dass „unsere“ Volksvertreter und Volksdiener fern jeglicher Realität leben und am Bürger vorbeiregieren!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

1 + 15 =