DAV: Produkte mit 100-Prozent-Beitragsgarantie aktuariell nicht mehr sinnvoll

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Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) hält an einer Senkung des Höchstrechnungszinses fest. Nach Ansicht der Aktuare soll dieser ab 2022 auf 0,25 Prozent sinken. Auch die Beitragsgarantie von 100 Prozent soll es nicht mehr geben.

Demnach seien „Produkte mit einer 100-Prozent-Beitragsgarantie in der heutigen Negativzinswelt aktuariell nicht mehr sinnvoll. Sie verengen die Spielräume für eine Kapitalanlage im Sinne der Versicherten“, konstatiert Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der DAV. So würde ein solches Reformpaket auf der einen Seite dem Sicherheitsbedürfnis der Deutschen Rechnung tragen. Zum anderen ermögliche es den Versicherern, die Kundengelder in chancenreichere Anlageformen wie Immobilien, Infrastrukturprojekte oder Aktien zu investieren.

„Der Höchstrechnungszins ist unverändert ein wichtiges Instrument zur Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der handelsrechtlichen Zinsverpflich­tungen. Für die Unternehmen und ihre Verantwortlichen Aktuare ist diese politische Vorgabe die entscheidende Richtschnur für die unternehmensspezifische Festlegung des jeweiligen Garantie- und Rechnungszinses.“

Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV)

Wegen der Komplexität des Reformpaketes sollten die politischen Entscheidungsträger nach Ansicht der Aktuare bereits im Laufe des ersten Quartals 2021 eine Entscheidung treffen, damit eine geordnete Umsetzung zum Jahreswechsel 2021/2022 erfolgen kann. „Denn diese tiefgreifenden Veränderungen erfordern eine Neukalkulation der gesamten Produktpalette. In der Vergangenheit haben die Unternehmen allein für die Umstellung des Höchstrechnungszinses je nach Größe und Produktbreite 1.000 bis 5.000 Personentage investieren müssen“, erklärt Bader die notwendige Vorlaufzeit.

„Obwohl die Versicherer ihre Kapitalanlagen in den vergangenen Jahren bereits auf das anhaltende Niedrigzinsumfeld angepasst haben, spiegeln sich die jüngsten Kapitalmarktverwerfungen unweigerlich in den Kapitalanlageergebnissen der Unternehmen wider. Zudem hat die EZB kürzlich angekündigt, dass sie Spielraum für weitere Zinssenkungen sieht.“

Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV)

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) begrüßt die Vorschläge der Aktuare. „Der Vorschlag für eine Absenkung des Höchstrechnungszinses ist wegen der nochmals gesunkenen Zinsen nachvollziehbar. Der Gesetzgeber sollte nun schnell eine Riester-Reform auf den Weg bringen. Insbesondere muss die bisher verlangte Beitragsgarantie gelockert werden, um weiterhin eine sicherheits- und chancenorientierte Anlage der Kundengelder zu ermöglichen“, heißt es in einer Stellungnahme des Branchenverbandes.

Bereits im Dezember 2019 hatte die DAV empfohlen, den Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung zum 1. Januar 2021 von derzeit 0,9 Prozent auf 0,5 Prozent zu senken. „Derzeit gibt es keine Anzeichen, dass sich das zum Teil negative Zinsniveau der vergangenen Monate in näherer Zukunft spürbar verbessern wird. Daher ist eine Absenkung des Höchstrechnungszinses für Neuverträge ab 2021 geboten”, begründete der DAV-Vorstandsvorsitzende Guido Bader damals die Empfehlung. Die Turbulenzen rund um die Corona-Krise hatten den Plänen allerdings einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Dabei geht DAV-Chef Bader davon aus, „dass bei Neuverträgen die klassischen Policen mit jährlicher Garantie bis Ende nächsten Jahres zum Nischenprodukt werden“. Auch Norbert Rollinger, Vorstandsvorsitzender der R+V Versicherung, hatte jüngst dafür plädiert, dass die Branche den Garantiezins freiwillig weit unter einen Prozent senken solle.

Auch die Versicherungsaufsicht warnt die Lebensversicherern nachdrücklich davor, den Verbrauchern neue Verträge mit zu hohen Garantien anzubieten. Die Assekuranzen müssten intensiv prüfen, welchen Zins sie sich langfristig angesichts des Niedrigzinsumfeldes an den Kapitalmärkten noch leisten könnten. Schon Produkte, die noch eine Garantie von 0,9 Prozent bieten, sind nach Einschätzung von Experten problematisch.

Eine Zukunft für die klassische Lebensversicherung scheint angesichts der aktuellen Situation praktisch ausgeschlossen zu sein. „Die klassische Lebensversicherung wird wahrscheinlich immer weiter vom Markt verschwinden, denn die Überschussbeteiligung dürfte branchenweit mittelfristig weiter sinken. Doch Kapitalgarantien zu Rentenbeginn machen bei Produkten der privaten und betrieblichen Altersvorsorge immer noch Sinn“, so Bader.

Zudem hat sich die Allianz bereits im Oktober 2020 von den hundertprozentigen Beitragsgarantien verabschiedet. Die Allianz Leben fokussiert sich im Produktangebot der Altersvorsorge ab dem Jahr 2021 auf Lösungen mit „zeitgemäßen Garantien“, die je nach Kundenwunsch am Ende der Ansparphase auf einem Niveau von mindestens 90, 80 oder 60 Prozent der gezahlten Beiträge liegen.

Autor: VW-Redaktion

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