Swiss Re schlägt Alarm: Klimabedingte Versicherungsschäden steigen bis 2040 um fast 90 Prozent

Die in Kalifornien ansässige Risk Management Solutions RMS unterhält mittlerweile 400 einzelne Modellierungslösungen. Quelle: Bild von WikimediaImages auf Pixabay

Die klima- und wetterbedingten Versicherungsschäden dürften in den Entwicklungsländern bis 2040 um 30 bis 63 Prozent steigen. Allein in Deutschland ist mit einem Anstieg von bis zu 90 Prozent zu rechnen, in China sogar mit bis zu 120 Prozent. Auch die Prämien dürften sich bis dahin mehr als verdoppeln. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Sigma-Studie der Swiss Re.

So erwartet Jérôme Haegeli, Chefvolkswirt des Schweizer Rückversicherers, dass die Folgen des Klimawandels auch die Prämien für die Versicherung von Gebäuden bis zum Jahr 2040 weltweit um 149 bis 183 Mrd. US-Dollar (125 bis 154 Mrd. Euro) nach oben treiben würde. Dabei rechnet die Swiss Re für die gesamte Sachversicherung mit einem jährlichen Beitragsanstieg von 5,3 Prozent von derzeit 450 Mrd. Euro auf rund 1,3 Bio. Euro im Jahr 2040.

Die Wirtschaftsentwicklung werde dabei mit einem Anteil von 75 Prozent bzw. Neuprämien von bis zu 616 Mrd. US-Dollar der wichtigste Treiber für den Prämienanstieg in der Sachversicherung bleiben. Klimabedingte Risiken werden in den nächsten 20 Jahren voraussichtlich für eine Zunahme der weltweiten Sachversicherungsprämien um 22 Prozent bzw. um bis zu 183 Mrd. US-Dollar sorgen, da wetterbedingte Katastrophen sowohl schwerer als auch häufiger werden dürften, so die Eidgenossen.

„Die langfristig größte Bedrohung für die Weltwirtschaft ist der Klimawandel, und daher ist es besonders wichtig, die Voraussetzungen für langfristig nachhaltiges Wachstum zu fördern. Wenn wir ein nachhaltiges Versicherungssystem aufbauen wollen, das es der Gesellschaft ermöglicht, künftige Risiken zu beherrschen und aufzufangen, müssen wir Risiken und Chancen quantifizierbar machen. Von großer Bedeutung ist unsere Arbeit auch für die Politik, mit der wir das Ziel teilen, Wirtschaftswachstum versicherbar zu machen.“

Jérôme Haegeli, Chefvolkswirt der Swiss Re

Gleichzeitig werde der Anteil der Motorfahrzeugversicherung, eines traditionell risikoärmeren und volumenstarken P&C-Kernsegments, zurückgehen, weil Automatisierung und intelligente Technologien für mehr Sicherheit sorgen und die entsprechenden Schäden abnehmen. Ihr Prämienanteil am P&C-Risikopool dürfte zwischen 2020 und 2040 von 42 Prozent auf 32 Prozent sinken, doch da sich die Prämien laut Prognose im selben Zeitraum mit einem Anstieg von 766 Mrd. US-Dollar auf 1,4 Bio. US-Dollar fast verdoppeln, wird die Motorfahrzeugversicherung voraussichtlich die größte Sparte bleiben.

„Mit der Verlagerung des globalen Portefeuilles von der risikoärmeren Motorfahrzeugversicherung zu risikoreicheren Sparten wird das P&C-Versicherungsgeschäft volatiler. Gleichzeitig wird die Risikomodellierung komplexer, was zu höheren Eigenkapitalanforderungen und einer verstärkten Rückversicherungsnachfrage führen wird. In diesem grundlegend veränderten Risikoumfeld werden Rückversicherer entscheidend dazu beitragen, dass Risiken versicherbar bleiben“, kommentiert Gianfranco Lot, Head Globals Reinsurance bei Swiss Re, die Studienergebnisse.

Swiss Re beziffert Schäden auf Naturkatastrophen auf rund 42 Mrd. Dollar

Allein im ersten Halbjahr 2021 schätzt das Swiss Re Institute die Schäden aus Naturkatastrophen auf rund 42 Mrd. US-Dollar. Den höchsten Schaden verursachte bislang Wintersturm „Uri“ in den USA mit rund 15 Mrd. US-Dollar. „Dies war der höchste Wert, der in den USA jemals für diese Gefahr verzeichnet wurde“, erklärte die Swiss Re. Noch teurer dürfte allerdings Hurrikan „Ida“ werden, der vor allem die Eidgenossen besonders hart treffen dürfte.

So beziffern Analysten die Folgen des Wirbelsturms auf eine Summe zwischen 18 und 25 Mrd. Euro. Dabei geht die Katastrophenmodellierungsfirma Karen Clark & Company von einem versicherten Schaden von etwa 18 Mrd. US-Dollar aus, davon dürften rund 40 Mio. US-Dollar auf die Karibik entfallen. Die Ratingagentur Fitch geht derzeit von einer Schadenbelastung von bis zu 25 Mrd. US-Dollar aus. Analyst Will Hardcastle von der Schweizer Großbank UBS nannte zuvor eine Größenordnung von 20 Mrd. US-Dollar.

Der Versicherungsdienstleister CoreLogic schätzt die gesamten Schäden durch Wind, Sturmflut und Überschwemmungen an Gebäuden derzeit auf 27 bis 40 Mrd. US-Dollar (etwa 22,8 bis 33,8 Mrd. Euro). Davon dürfte die Versicherungsbranche etwa 14 bis 21 Mrd. Dollar tragen. Bis zu 19 Mrd. Dollar der Schäden seien nicht versichert.

Dabei gehen sowohl Fitch als auch UBS laut Handelsblatt davon aus, dass „Ida“ zwar die Ergebnisse der Versicherer, allerdings nicht deren Kapitalausstattung belasten werden. Die größten Auswirkungen erwartet laut Bericht die UBS bei Swiss Re und Lancashire. Die deutschen Rückversicherer Munich Re und Hannover Rück dürften dagegen am wenigsten betroffen sein.

Insgesamt liegt die Schadensumme durch Naturkatastrophen laut Swiss Re demnach über dem Durchschnitt der vorangehenden zehn Jahre von 33 Mrd. US-Dollar und stellt den zweithöchsten jemals verzeichneten Wert für ein erstes Halbjahr nach 2011 dar. Vor zehn Jahren führte das schwere Erdbeben in Japan und Neuseeland im ersten Halbjahr zu Gesamtschäden von 104 Mrd. US-Dollar.

Die weltweiten wirtschaftlichen Gesamtschäden infolge von Katastrophen schätzt der Rückversicherer für das erste Halbjahr 2021 auf 77 Mrd. US-Dollar. Damit liegen sie unter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre (108 Mrd. US-Dollar). Davon entfallen 74 Mrd. US-Dollar auf Naturkatastrophen und drei Mrd. US-Dollar auf menschengemachte Katastrophen.

„Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich in höheren Temperaturen, steigenden Meeresspiegeln. Dazu kommen unregelmäßigere Niederschläge und stärkere Wetterextreme.“

Martin Bertogg, Katastrophen-Experte der Swiss Re

Dabei könnte der Klimawandel langfristig die größte Gefahr für die Weltwirtschaft werden. Zu diesem Ergebnis kam jüngst ein Stresstest, den das Schweizer Swiss Re Institute für 48 Länder berechnet hat. Werden keine Gegenmaßnahmen ergriffen, droht demnach in den nächsten 30 Jahren ein globaler Temperaturanstieg um mehr als drei Grad Celsius und die Weltwirtschaft würde um 18 Prozent schrumpfen.

In einem negativen Szenario mit einem Temperaturanstieg von 3,2 Grad Celsius würde Chinas BIP bis Mitte des Jahrhunderts um fast ein Viertel (24 Prozent) schrumpfen. Großbritannien, Kanada und die USA müssten laut Rückversicherer einen Rückgang von zehn Prozent hinnehmen. Europa wäre mit einem Minus von elf Prozent etwas stärker betroffen, wobei manche Länder wie Finnland oder die Schweiz weniger gefährdet sind (sechs Prozent) als etwa Frankreich oder Griechenland (13 Prozent).

„Das Klimarisiko betrifft jedes Land, jedes Unternehmen und jeden einzelnen Menschen. Bis 2050 wird die Weltbevölkerung auf fast zehn Milliarden anwachsen, und dies vor allem in Regionen, die vom Klimawandel am stärksten betroffen sind. Daher müssen wir jetzt handeln, um die Risiken zu mindern und die Netto-Null-Ziele zu erreichen.“

Thierry Léger, Group Chief Underwriting Officer und Chairman Swiss Re Institute

„Der Klimawandel ist ein systemisches Risiko, das sich nur auf globaler Ebene bewältigen lässt. Doch bislang geschieht zu wenig. Die Bemühungen von Staaten und Privatwirtschaft Netto-Null-Ziele zu erreichen, müssen transparent offengelegt werden. Nur wenn öffentlicher und privater Sektor an einem Strang ziehen, kann der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft gelingen. Damit Finanzmittel in gefährdete Länder fließen, ist weltweite Zusammenarbeit gefragt. Wir haben jetzt die Chance zu einer Kurskorrektur, damit die Welt nachhaltiger und widerstandsfähiger wird“, so Haegeli.

Allein in Deutschland ist die jährliche Durchschnittstemperatur seit 1960 um etwa zwei Grad Celsius gestiegen. Dabei hat sich das Land nicht überall gleichermaßen aufgeheizt. Dabei haben sich die NUTS2-Regionen im Zentrum der Bundesrepublik weniger stark erwärmt als zum Beispiel der Osten und die bayerischen Alpengebiete.

Quelle: Statista

Am stärksten ist der Temperaturanstieg in Brandenburg mit im Jahresdurchschnitt 2,36 Grad – hier liegt auch die Gemeinde Rietz-Neuendorf, die mit vier Grad den höchsten Anstieg in ganz Deutschland registriert. Im Regierungsbezirk Kassel hingegen war der durchschnittliche Temperaturanstieg am geringsten. Die Veränderung innerhalb des Zeitraumes 1960 bis 2018 beträgt etwa 1,51 Grad.

Autor: VW-Redaktion

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