„Bisher konnte niemand klinische Daten so nutzen“: Swiss Re will mit neuem Tool die Lebensversicherung umkrempeln

Gebäude der Swiss Re in Zurich. Der Ursprung einer LV-Veränderung? Quelle: Unternehmen

Die Innovationskraft von Rückversicherern verändert häufig auch den Erstversicherungsmarkt. Ob das beim neuen Angebot von Swiss Re und Diameter Health so sein wird, ist noch offen. Auf jeden Fall trifft die Lösung einen Nerv, hilft sie doch bei der Nutzung von Gesundheitsdaten und reduziert Kosten. Auf der Contra-Seite des Angebots könnten sich Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes zeigen.

Das Ziel der Partnerarbeit ist es, komplexe, klinische elektronische Gesundheitsdaten in organisierte und nutzbare Informationen zu transformieren. Dadurch wird Swiss Re die Lebensversicherer effizienter bei der Verbesserung von Tempo und Qualität ihres Underwritings unterstützen können, sagt das Unternehmen.

Unterstützt wird der Rückversicherer von Diameter Health, einem Unternehmen im Bereich der Interoperabilität von Gesundheitsdaten, also dem Zusammenspiel verschiedener Systeme oder Techniken. Das Ergebnis der Partnerschaft ist die „erste skalierbare Lösung“ für die Nutzung von elektronischen Gesundheitsdaten im Underwriting von Lebensversicherungen.  

Die Unternehmen im Bereich der Altersvorsorge sehen sich derzeit bei der Beurteilung von Anträgen einer großen Menge von komplexen Daten gegenüber. Allein in den USA finden jedes Jahr mehr als eine Milliarde Gesundheitsinteraktionen statt. Darüber hinaus werden von Hunderten von Anbietern über eine Million verschiedene Codes erfasst. Das Ergebnis sind redundante und unorganisierte Daten, die nicht zuverlässig für das Underwriting nutzbar sind.

Die Lösung?

Die „proprietären Datenveredlungstechnologie“ von Diameter Health, könne das Problem lösen. Sie erlaubt laut Unternehmen die Normalisierung, Anreicherung, intelligente Reorganisation und Zusammenfassung von Gesundheitsdaten. Dadurch werde eine „einheitliche, sichere Sicht“ auf Patienten geschaffen. Diese Vogelperspektive ermögliche dem Rückversicherer den Einsatz klinischer Gesundheitsdaten für „innovative Anwendungsfälle“, wodurch schnellere, günstigere und genauere Underwritings und Quotierungen arrangiert werden können. Die besseren Daten erleichtern es Lebensversicherern zudem, die Zeit zwischen Antragsstellung und Ausstellung zu verkürzen, was die Kosten reduziert und einen „fairen Underwriting-Prozess“ ermöglicht.

America first

Die Lösung wird zunächst in den USA ausgerollt. Ein erster Schritt wird die Integration in die existierenden Magnum-Underwriting-Lösungen von Swiss Re sein. Die angereicherten Daten können über die zentralen Underwriting-Richtlinien von Magnum einfach eingespeist und automatisiert werden, schreibt das Unternehmen.

„Für die Kunden von Swiss Re stellt die präzise Nutzung von elektronischen Gesundheitsdaten eine der größten Herausforderungen dar. […] Die Kombination des Risiko-Knowhows von Swiss Re mit der Technologie von Diameter Health erlaubt uns, komplexe Herausforderungen zu überwinden und eine Reihe an innovativen Optionen anzubieten. Diese ermöglichen es unseren Kunden, klinische Daten zu nutzen, um biometrische Risiken effektiv festzustellen und sicher zu bewerten“, erklärt Jolee Crosby, Head of Global L&H Underwriting and Medical Reinsurance von Swiss Re. Bisher wäre niemand in der Lage, „klinische Daten auf diese Weise zu nutzen“.

Das Datenproblem

Welche Kundendaten wann und wie verarbeitet werden, wird mit der Pressemitteilung nicht klar. Ebenso bleibt nebulös, ob und wie der Kunde an der Datenentscheidung partizipieren kann. Der Schutz der Personeninformationen hat je nach Land eine andere Gewichtung, in Amerika und China werden die Daten beispielsweise nicht so stark geschützt wie in Europa. Möglicherweise ist das ein Grund dafür, dass die Swiss Re ihr Angebot zuerst in den USA anwendet.

Die Generali hatte mit ihrem Angebot „Vitality“, einem Bonusprogramm für gesundes Leben, direkt Probleme bekommen. Gegen das Unternehmen wurde wegen angeblichen Verstößen gegen den Datenschutz Klage eingereicht. Das Unternehmen konnte den Eingang der Klage allerdings selbst nach Wochen nicht bestätigen und die Angelegenheit verlief im Sand, bis sie in dieser Woche wieder als Klageerfolg wieder zum Vorschein kam. Zu spaßen ist mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) allerdings nicht, bei Nichtbeachtung drohen Millionenstrafen, wie die AOK Baden-Württemberg am eigenen Leib erfahren durfte.

Der Datenschutz ist keine unüberwindbare Hürde. Allein der Umstand, dass mit dem Swiss Re-Tool wohl Kosten gespart werden können, lässt es für die Erstversicherer interessant werden – zudem will und muss jedes Unternehmen in digitalen Zeiten seine Datenflut beherrschen. Ob sich das Tool zunächst im amerikanischen Raum und letztlich darüber hinaus durchsetzt, wird sich zeigen.

Autor: Maximilian Volz

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