Gute Nachricht für Vermittler: Künstliche Intelligenz ersetzt keine Empathie

Walter Capellmann, Hauptbevollmächtigter der DELA Lebensversicherungen. Quelle: DELA

Ob Einkauf, Hotel- oder Zugbuchung, Wetterprognose oder Kreditantrag, Routenplaner oder Konzertkarten – vieles wird heute über Apps und in Echtzeit geregelt. Die digitale Revolution hat längst Einzug in den Alltag gehalten und verändert das Kundenverhalten. Auch die Versicherungswirtschaft muss das Potential von Big Data und Künstlicher Intelligenz (KI) nutzen, um bei Produkten, Service, Beratung und Vertrieb das Feld nicht anderen zu überlassen.

Die Erwartungen, die Kunden heute an eine Versicherung stellen, werden von Dienstleistern bestimmt, deren Angebote sie nahezu täglich nutzen. Unternehmen wie der Online-Versandhändler Amazon bieten ihren Kunden ein hohes Maß an Bequemlichkeit bei Auswahl, Bestellung, Lieferung und Bezahlung. Versuchen diese Kunden dann eine Versicherung abzuschließen, erleben sie häufig noch klassische Prozesse bei Angebot und Abschluss – von KI ist wenig wahrzunehmen.

Dabei gibt es international bereits gute Beispiele dafür, wie die „Cleverness der Maschinen“ auch im Versicherungsbereich innovativ eingesetzt wird. KI-Komponenten bearbeiten Kundenbeschwerden, verstehen Sprachelemente, überprüfen die eingehende Briefpost, E-Mails oder auch Anrufe, um sie zu klassifizieren und weiterzubearbeiten. Das US-Start-up Lapetus Solutions beispielsweise hat mithilfe von KI eine Technologie für einen neuartigen Gesundheitscheck entwickelt: Ein Selfie ersetzt langwierige Gesundheitsprüfungen: Tausende verschiedener Regionen des Gesichts werden von der Software analysiert, um Rückschlüsse auf Alter, Gesundheitszustand, Körpergewicht und darüber, wie schnell die Person altert und ob sie beispielsweise raucht, zu gewinnen. Auf diese Weise werden genauere Informationen über die Lebenserwartung gewonnen als bei herkömmlichen Checks. Der Kunde hat ein vollkommen neues Serviceerlebnis beim Abschluss seiner Versicherung.

An das Ökosystem der Kunden anknüpfen

Die Mobiltechnologie und neue Entwicklungen in Big Data beschleunigen die Plattformökonomie in heute beinahe jeden Bereich des Alltags unserer Kunden. Dazu gehören auch alle großen Bereiche, in denen Versicherungsunternehmen eine maßgebliche Rolle spielen, unter anderem Mobilität, Leben, Gesundheit, Fitness und Finanzen. Für Versicherer heißt dies aber nicht automatisch, dass sie auch eine Rolle in diesen Ökosystemen spielen – sie sollten es aber. Denn sonst kann es passieren, dass andere Industrien, vor allem solche, die sehr nah an ihren Kunden sind, damit beginnen, in vormals der Versicherungswirtschaft vorbehaltene Bereiche vorzudringen. Der Automobilhersteller Tesla beispielsweise baut und verkauft Autos, und steuert die gesamte Erfahrung eines Fahrzeugbesitzers. Warum sollte Tesla die dabei gewonnenen Daten nicht nutzen, um die bestmögliche Versicherung anzubieten und seinen Kunden den mühseligen Vergleich von Versicherungstarifen zu ersparen?

Zwei Perspektiven werden künftig ausschlaggebend für die Wertgenerierung von Versicherungen sein. Die erste hat bereits mit der Kaufphase zu tun. Versicherungen müssen im Wesentlichen aktiv verkauft werden – sie sind hauptsächlich ein Push-Geschäft. Kaum jemand wacht mit dem Wunsch auf, eine Hausratversicherung abzuschließen, wenn es keinen konkreten Anlass für diesen Gedanken und die Beschäftigung damit gibt. An einem vom Kunden frequentierten Ökosystem teilzunehmen, ist ein Weg für Versicherungen, um dann präsent zu sein, wenn ein konkretes Versicherungsbedürfnis entsteht.

Die zweite Perspektive ist die Verknüpfung von Service-Leistungen in einem Ökosystem, die mit einer wesentlich höheren Interaktionsfrequenz einhergeht. Für die Versicherungsindustrie, in der es traditionell nur wenige Berührungspunkte mit den Kunden im Jahr gibt, ist das ein wichtiger Aspekt – ein Türöffner für neue Angebote rund um das Thema Schutz und Service-Leistungen. Ein Beispiel ist die Unterstützung der Versicherungskunden im Rahmen von Gesundheitsprogrammen, die darauf abzielen, dass diese ein gesünderes Leben führen. Dort finden die Kundeninteraktionen fast täglich statt – direkt oder auch indirekt über Kooperationspartner.

Auf die Kernkompetenz der Beratung konzentrieren

In der digitalen Welt gibt es heute Unternehmen, die ihre Kunden um ein Vielfaches besser verstehen als viele klassische Versicherer es heute können, da diese oft nur mit herkömmlichen Daten arbeiten. Das wird aber nicht mehr ausreichen. Die Versicherung entwickelt sich zum datenzentrierten Geschäft. Das Internet der Dinge produziert Minute für Minute über Telematik und sogar tragbare Technologie gewaltige Datenmengen, die es zu nutzen gilt, um den Kunden besser zu verstehen und maßgeschneiderte Produkte und Services für ihn zu entwickeln.

Wer heute die Künstliche Intelligenz, wie es in einigen Bereichen noch zu vernehmen ist, als eine Bedrohung versteht, unterliegt einem schweren Irrtum. Vielmehr kann sie das Miteinander von Versicherungsunternehmen, Mitarbeitern, Partnern sowie Versicherungskunden und Maklern effizienter und effektiver gestalten. Das trifft auch auf die Beratung und den Vertrieb zu, wo es gerade darauf ankommt, den Kunden zu verstehen, seinen Bedarf genau zu analysieren und ihn daraufhin gezielt zu beraten. KI-gestützte Beratungssoftware kann die Qualität der Beratung weiter verbessern und ermöglicht es Maklern und Vermittlern, sich auf ihre ureigene Kernkompetenz zu konzentrieren, die persönliche Beratung des Kunden – denn KI mag vieles ersetzen können, aber nicht die wichtige zwischenmenschliche Empathie, die es braucht, um auf individuelle Bedürfnisse und die  jeweilige Lebenssituation des Kunden eingehen zu können.

Autor: Walter Capellmann, Hauptbevollmächtigter der DELA Lebensversicherungen

3 Kommentare

  • … schön dass andere auch schon drauf kommen … genau das waren die Themen auf den diesjährigen VorsorgeFachForen in München und Essen …wie immer ist PremiumCircle Vorreiter für Trends …

  • Ja, so langsam sickert es durch, was schon länger klar war, siehe beispielsweise http://www.hans-ott.de/downloads/zfv-15_16-2016.pdf. Gartner beschreibt mit seinem schon vor vielen Jahren veröffentlichten Hype-Cycle (https://www.gartner.com/smarterwithgartner/5-trends-emerge-in-gartner-hype-cycle-for-emerging-technologies-2018/) sehr schön, was hier im Moment passiert und was zu erwarten ist.
    Wir befinden uns mit der Digitalisierung auf der Spitze des kleinen, von Anbieterversprechen getriebenen Hype-Hügels. Jetzt kehrt langsam der Realismus ein; man merkt, welche Erwartungen warum nicht erfüllt werden können. Eine davon ist eben, dass Empathie von KI derzeit noch nicht erwartet werden kann; der obern genannte Artikel beschreibt, warum. Der Hype kühlt sich ab, aber man arbeitet daran und auf lange Sicht werden die KI-basierten Systeme dann auch alltagstauglich.

  • Aus Kundenperspektive sind diese Fragen ziemlich theroretisch.
    Gutes Service wäre eine gute Idee.
    Hatte in den letzten 6 Wochen 4 Geschäftsfälle mit vier Versicherungen.
    Customer eXperience in allen vier Fällen „Bittsteller“.
    Unmotiviertes Personal, andere sind schuld, warten auf Sachverständige, Risikodaten nachsenden per E-Mail weil sicherer Upload „aus Sicherheitsgründen“ nicht möglich.
    Digitale Kompetenz wäre, wenn man die Customer eXperience in den bestehenden Prozessen verbessern würde – mit und ohne digital.
    Der sehnliche Wunsch nach gutem Service treibt die KundInnen in die kommenden FinTech. Niemand will mit einem ChatBot kommunizieren. Es will aber auch niemand mühsamste Telefon- und E-mail-Safaris oder Portale von 1998, die einem zeigen, warum man schon wieder keine Punkte einlösen kann.
    Wer von ChatBots überholt wird, hat die digitale Kompetenz im Management vergessen zu entwickeln.

    Nach mehr als 20 Jahren in der Versicherung (BO, Revision, QM, Securitymanagement, Spezialprojekte) ist ein Change überfällig: KundInnen bitte in den Mittelpunkt, MitarbeiterInnen ernst nehmen und Vertrauenswürdigkeit aufbauen.
    Dann kann es sich ausgehen mit dem digitalen Wandel für GenerationZ und Alpha.

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