Axa’s interne Kassandra: Steht Klimamanager MacFarlane vor einer unlösbaren Aufgabe?
Wir leben in einer Zeit, in der das einst vorherrschende Unternehmensziel der Gewinnmaximierung zunehmend durch diffusere Vorgaben ersetzt wird. In dem sich in diese Richtung verändernden Umfeld bedarf es über die neuen Werte wachender Gralshüter. Der/die/das Gender-Beauftrage/r ist schon einmal ein lobenswerter Anfang, aber angesichts des drohenden Weltuntergangs gilt es diesen in geordnete Bahnen zu lenken und vielleicht gar um einige Hundert Jahre zu verschieben. Dies ruft nach einem Klimaverantwortlichen wie Axa’s Andy MacFarlane; doch erreichen seine Botschaften die Vorstände oder verhallen sie ungehört wie die stets zutreffenden Warnungen der Seherin Kassandra?
Der Kern aller Unternehmensentscheidungen ist der Fortbestand des Unternehmens als lebende, unabhängige Kreatur. Das beeinflusst die Entscheidungen zu Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten, Gemeinwesen, Weltfrieden, Umwelt und vielleicht am Rande um die Interessen der Aktionäre – die aber zunehmend als einst vorherrschende Gruppe entmachtet und laut manchem Neoliberalen de facto enteignet werden. Konsequenterweise werden auch die Boni der leitenden Mitarbeiter von der bloßen Erreichung von Gewinnzielen oder einem gesteigerten Börsenwert entkoppelt; ‚softe‘ und entsprechend manipulierbare Targets steigen in der Bedeutung. Damit die weichen Ziele erreicht werden, setzen die Unternehmen zunehmend auf eine/n Verantwortliche/n.
Die Axa Group hat einen in der Gruppe beschäftigten Aktuar als neuen Klimaverantwortlichen vorgestellt – VWheute berichtete. Andy MacFarlane arbeitete nach dem Studium für das Lloyd’s run-off Vehikel Equitas, als Aktuar für die aus Lloyd’s hervorgegangene Catlin-Gruppe und zuletzt als Chief Actuary für XL Catlin, später Axa XL. Die Franzosen setzen beim Thema Nachhaltigkeit also auf Nüchternheit und versicherungsmathematischen Hintergrund. Exklusiv hat die Axa die Idee des Klimaverantwortlichen nicht, so hat beispielsweise MLP Ines Löffler zur Nachhaltigkeitsbeauftragten mit vergleichbaren Aufgaben ernannt. An Arbeit mangelt es den Klima-Sheriffs nicht, wie eine Seherin Cassandra sind sie vielbefragt und -beschäftigt.
To-do-Liste
Zu vermuten ist, dass ein in der Assekuranz wirkender Klimaverantwortlicher gleich in mehrfacher Hinsicht wachsam zu sein hat:
- Korrekte Einschätzung exponierter Risiken. Die bisherige statistische Erfahrung i.S. von ‚burning costs‘ könnte unzureichend sein, um das künftige Exposure zu beschreiben. Denkbar ist auch, dass Phänomene an den verschiedensten Orten der Welt miteinander korreliert sein könnten, etwa der herbstliche Sommer in Westeuropa mit der Hitzewelle an der US-Nordwestküste. Denkbar ist beispielsweise, dass ein Abschwächen, wenn nicht gar Abreißen des Golfstroms speziell Westeuropa ein wesentlich kälteres Klima bescheren könnte.
- Wagemutigere Deckung von bislang als riskant angesehenen umweltgerechten Anlagen, insbesondere offshore wind farms
- Vorauseilender Compliance-Stop des Underwritings von Risiken, speziell aus dem Sektor von vom Untergang geweihten Industrien, etwa Öl & Gas – einige Unternehmen wie Allianz und Talanx tun dies bereits. Dies beträfe Risikoüberlegungen und entsprechende Entscheidungen, die möglicherweise auch durch Aufsichtsbehörden nahegelegt oder gar erzwungen werden könnten
- Korrekte Reservierung von Altlasten aus kritischen Bereichen. Die entsprechende Vergangenheit lässt sich nicht mehr ungeschehen machen, aber vielleicht noch nachträglich an Rückversicherer weiterreichen. Betroffen wären hauptsächlich die Langfristsparten. Zu befürchten ist etwa eine Klagewelle angeblich von Klimaveränderungen bedrohter Bevölkerungen. Wahrscheinlich ist aber, dass deren Ansprüche am Policen-Kriterium ‚sudden & accidental‘ scheitern. Es sei denn, die Gerichte tendieren zu einer politischen Auslegung der Wordings.
- Einhalten einer klimagerechten Investment-Politik. Diese basiert zum Teil auf einem rationalen Kalkül, z.B. in dem Sinne, dass Ölförderanlagen und Tanker wegen geänderten Nachfrageverhaltens oder Bestimmungen vorzeitig wirtschaftlich wertlos werden könnten. Ähnliches könnte auch einem Mietwohnungsbestand drohen, sollten den Eigentümern einseitig eigentlich wirtschaftlich nicht zu rechtfertigende Dämmkosten auferlegt werden. Andererseits könnte zunehmend politisch korrektes Investmentverhalten durch die Aufsichtsbehörden belohnt werden, etwa durch wesentlich reduzierte Solvenz-Anforderungen für derartige Aktiva, ein als ‚nudge‘ bezeichneter Ansatz. Unumstritten ist das nicht.
Das Thema Umwelt steht bei den Versicherern hoch im Kurs. Im Juni schlossen sich beispielsweise in London unter der Schirmherrschaft des Öko-Kronprinzen Charles (Prince of Wales) und dem Vorsitz von Bruce Carnegie-Brown, Chairman bei Lloyd’s, die CEOs von 17 Versicherern – u.a. Legal & General, Allianz, Hiscox und Axa – zur Sustainable Market Initiative Insurance Taskforce zusammen. Vermutlich werden sich auch die übrigen Mitglieder der Gruppe ähnliche neue Funktionsträger wie die Axa zulegen.
Grün ja, aber mathematisch begründet
In der griechischen Mythologie war Kassandra eine Priesterin mit seherischen Fähigkeiten. Sie warnte unter anderem die Bürger Trojas vor dem von den Griechen hinterlassenen hölzernen Pferd. Das Ergebnis ist bekannt, sie blieb unerhört, die Stadt fiel. Droht den Klimaverantwortlichen bei den Versicherern dasselbe Schicksal, verhallen ihre Warnungen ungehört, bis es zu spät ist?
Damit das nicht geschieht, hat Axa-XL mit der neuen strategischen Kernfunktion einen nüchtern rechnenden Aktuar wie MacFarlane betraut, keinen schwärmerisch-schwafelnden Ex-Politiker. Vermutlich genießt er faktisch ein Veto-Recht. Seine Vergangenheit als Mann der Zahlen sollte seine Überzeugungskraft stärken: Er braucht nur darauf hinzuweisen, dass ein nicht mehr zeitgemässes Underwritingverhalten enorme technische Rückstellungen oder einen hohen zusätzlichen Eigenkapitalbedarf auslösen würde. Diese faktischen Argumente treffen bei Versicherern eher auf Gehör als ideelle Aspekte.
Verfluchter Seher oder künftiger CEO?
Wünschen wir Andy MacFarlane mehr an Überzeugungskraft als Kassandra – und auf keinen Fall ihr schreckliches Ende. Insoweit ihm politisch aktivierte Aktionärsgruppen, stützende Aufsichtsbehörden und ein durch Öko-Boni motiviertes Management hilfreich zur Seite stehen, sollte ihm die Durchsetzung grüner Unternehmensstrategien nicht allzu schwerfallen.
Nach ihrem Tod wurde Kassandra eine ehrenvolle Bestattung auf den Elysischen Feldern gestattet, was sich nach den Champs Elysées anhört und bestens zu Axa passen sollte. Dem gegenwärtigen Zeitgeist entsprechend könnte eine „Klima-Kassandra“ wie MacFarlane gar noch zum CEO aufrücken.
Autor: Phillip Thomas
Klimawandel steht vor Ausübung der angemeldeten Geschäftstätigkeit. Erinnert mich ein wenig an die Sesamstrasse, Muppet Show oder Teletubbys. Vorreiter und Wegaufbereiter hatten wir ja zur Genüge. Nun heißt es nur noch aushalten. Bei genauer Betrachtung sind zunächst ausschließlich die Industrien für den Klimawandel verantwortlich. Bis auf die wortgewaltigen voluminösen Kampfbotschaften der Mächtigen, erkenne ich nichts. Ich habe keinen Versicherungsnehmer, welcher mir unter Androhung von Schmerz und Gewalt die 100 Seiten doppelseitig bedruckten AKB herauspresst. Haben muss er die aber. Hm. Oder sind die Hunderte Tonnen Platikmüll im Rostocker Überseehafen zum Abtransport nach Kasachstan zum Verbrennen etwa brauchbare Ergebnisse des Klimawandelns? Oh. Es geht schon wieder in Richtung Sesamstrasse. Übrigens in Kiel gab es einen Tornado.