Britische Aufsicht greift in Prämientopf der Versicherer – ein Modell für Deutschland?

Wir das britische Modell auf Deutschland übertragen. Bild von https://megapixel.click - betexion - photos for free auf Pixabay.

In Großbritannien hat die Aufsicht massiv in die Prämiengestaltung der Versicherungsbranche eingegriffen. Es gehen Milliarden an Prämien verloren. Sofort kam die Frage auf, ob das Modell nach Deutschland übertragen werden könnte oder sollte. VWheute hat sich in der Branche und bei der Aufsicht umgehört.

Hinweis in eigener Sache: Wegen des Feiertages „Fronleichnam“ erscheint die nächste Ausgabe von VWheute erst wieder am Freitag zur gewohnten Zeit um 00:04 Uhr.

„Wir sorgen für einen fairen Finanzmarkt, sodass die Konsumenten einen fairen Deal bekommen“, lautet die Selbstbeschreibung der britischen Finanzaufsicht Financial Conduct Authority (FCA). Gelogen ist das nicht, aktuell hat sie durchgesetzt, dass Unternehmen ihre Bestandskunden bei der Prämie nicht mehr benachteiligen dürfen. In England werden Neukunden Versicherungen günstiger angeboten, um die Prämien bei den folgenden Erneuerungsrunden anzupassen. Der nicht ständig vergleichende Bestandskunde hat damit das Nachsehen. Dieses Vorgehen ist der FCA seit Jahren ein Dorn im Auge, wie VWheute berichtete. Damit ist jetzt Schluss.

Wenn ein Kunde seine „home or motor insurance“ ab Januar erneuert, wird er nicht mehr bezahlen als ein Neukunde, besagen die neuen Regeln. Die Behörde hat errechnet, dass die Kunden dadurch in den nächsten zehn Jahren ungefähr 4,2 Mrd. Britische Pfund einsparen. Wer sensibel ist, kann bei diesen Zahlen spüren, wie sich die Nackenhaare der CFOs aufrichten.

Die Folgen eines solchen Vorgehens wären auch jenseits der Prämieneinnahmen vielfältig.  In Großbritannien rechnet die FCA mit dem (teilweisen) Wegfall von Einstiegsangeboten, was das Leben für Vergleichsportale erschwert. Generell dürfte die Relevanz von Vergleichen sinken, wenn Neuangebote nicht günstiger sein dürfen als Bestandsverträge, wenn auch nur beim selben Versicherer.

Und hierzulande?

Einen Eingriff wie ihre britische Schwester könnte auch die Finanzaufsicht Bafin führen, wenn sie die Kundeninteressen gefährdet sieht. Eine solche Aussicht hat den führenden Vergleichsportalen „Check24“ und „Verivox“ direkt die Sprache verschlagen. Auf eine Anfrage zum Thema  wollten sie sich nicht äußern. Ebenfalls verstummt ist die sonst sehr redselige Allianz, der Branchenführer schweigt sich vielsagend aus.

Es bleiben also die drei Behörden, die sich hierzulande für den Verbraucherschutz verantwortlich zeigen: Bafin sowie Finanz- und Verbraucherschutzministerium.

Die Bafin hat sich mit der Angelegenheit bereits bei Veröffentlichung des ebenfalls beigefügten Diskussionspapiers der FCA vom September 2020 befasst und hinterfragt, inwieweit entsprechender Handlungsbedarf im deutschen Markt besteht. Im Ergebnis sei die Notwendigkeit eines Eingriffs „zu verneinen“, schreiben die Bonner.

Die FCA habe sich zu regulatorischen Eingriffen entschlossen, weil Versicherungsunternehmen in UK Praktiken entwickelt haben, die es Kunden „erschweren, sich einen neuen Versicherer zu suchen“. Diese würden „gezielt besonders komplexe und undurchsichtige Tarife“ anbieten, um Kunden zu identifizieren, „die vermutlich seltener kündigen“. Speziell die genannte Kundengruppe werde in der Folge mit laufenden Prämienerhöhungen überzogen. Weiterhin hätten Versicherer „Praktiken entwickelt“, die Kunden davon abhalten, „sich nach günstigeren Preisen umzusehen“. Versicherer würden „Barrieren“ aufbauen, um Kündigungen zu erschweren. Die Bafin bezieht sich bei ihren Aussagen auf ein  Policy Statement und einen Consultation Paper der FCA zum Thema.

„Derartige Praktiken mit der Folge von sehr großen Prämienunterschieden zwischen Bestands- und Neukunden sind aus dem deutschen Markt nicht bekannt“, stellt die Finanzaufsicht klar. Zum Zeitpunkt der Befassung mit der Thematik im Herbst 2020 waren „keine Verbraucherbeschwerden über vergleichbare Praktiken wie in UK bekannt geworden“.

Insbesondere in der Kraftfahrtversicherung bestehen vielmehr für den Verbraucher „relativ vorteilhafte Regelungen“ zu Kündigungen und Wechselmöglichkeiten. So würden unter anderem, die Bafin führt mehrere Beispiele an, Vergleichsrechner im Internet einen Tarifvergleich zwischen den Versicherern erleichtern. Es ist zudem üblich, dass die Unternehmen selbst Tarifrechner vorhalten.

Die durchschnittliche Prämie in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung belief sich im Jahr 2019 auf 260 Euro und lag damit deutlich unter dem für UK genannten Niveau von – umgerechnet –  332 Euro für Neukunden und 431 Euro für Bestandskunden. Dabei müsse aber „offen bleiben“, ob es sich dabei nur um die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung oder die Kraftfahrtversicherung insgesamt handelt. Die Ergebnisse würden jedenfalls nahe legen, dass der Wettbewerb in Deutschland „im Sinne des Verbrauchers“ funktioniert.

Und die Sachversicherung?

In der Wohngebäude- und der Hausratversicherung gäbe es im Gegensatz zu der Kfz-Versicherung keinen Annahmezwang oder kürzere Kündigungsfristen von einem Monat. Allerdings seien auch in diesen Segmenten keine von der FCA beschriebenen Taktiken bekannt.

In Deutschland sind also keine Eingriffe der Finanzaufsicht zu erwarten, im Gegensatz zum offenbar wilden Prämienwesten in Großbritannien. Die Einschätzung der Bafin teilen die Verbraucherschützer. Wir würden uns einer Anwendung des FCA-Vorschlags hierzulande „nicht anschließen“, erklärte der Verbraucherzentralebundesverband.

Autor: Maximilian Volz